Die Gesundheit von Pädagoginnen und Pädagogen stärken 2/2

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1637


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, statistisch gesehen – und das hat Kollegin Astrid Rothe-Beinlich schon dargestellt – haben wir im letzten Jahr in etwa an jeder Schule einen langzeiterkrankten Lehrer oder Lehrerin gehabt. Das, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, macht die Stundenplanung meist nicht einfacher, reißt Lücken in die Stundentafel der Schüler und führt zu erheblichen Ausfällen an Unterricht. Hinzu kommen meist jahreszeitlich schwankend eine nicht genau bekannte Anzahl an Normalerkrankungen, also nennen wir sie Kurzzeiterkrankungen – meist ein Anruf oder eine Mail am Abend vorher oder erst am Morgen bei der Schulleitung oder den Stundenplanern eingehend –, die es den Schulen zu bestimmten Zeiten nahezu unmöglich machen, eine regelmäßige Stundenplanung vorzunehmen. Lehrer und Lehrerinnen kennen die Aufforderung in den Dienstberatungen nur zu gut, den Vertretungsplan zu verfolgen. Kinder, deren erster Gang am Morgen zum Vertretungsplan geht, Eltern, die das Gefühl haben: Erhält mein Kind denn die Bildung, die es zu einer optimalen Entwicklung braucht? Es ist vor allem der hohen Bereitschaft der noch gesunden Lehrer und Lehrerinnen zu danken, den Schulleitungen, den sonderpädagogischen Fachkräften, in ihrer täglichen Arbeit mit den Herausforderungen im Schulalltag umzugehen und fertig zu werden und eben die Lücken nicht zu groß werden zu lassen. Nach einigem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern hänge ich der Vermutung an, dass allein schon unser Stand bei den langzeiterkrankten Lehrern zum Teil doppelt so hoch ist als in anderen Ländern. Zusammen mit den kurzzeiterkrankten Lehrerinnen und Lehrern und den Kolleginnen und Kollegen, die sich derzeit in der passiven Phase der Altersteilzeit befinden, sind dies zu gewissen Zeiten wohl geschätzte um die 10 Prozent. Auch wenn die Altersteilzeit in den nächsten Jahren ausläuft, macht dies, denke ich, die Dramatik deutlich, vor der wir stehen und die wir nun mit klugem politischen Handeln angehen.


Um es gleich vorweg zu sagen, alles staatliche Handeln des Ministeriums, der Schulämter, der Schulleitung, die gemeinsam an der Pädagoginnengesundheit arbeiten, wird nicht dazu führen, dass wir keine Krankenfälle, keine Beschäftigungsverbote – das wird uns im Übrigen insbesondere in den nächsten Jahren stark beschäftigen – und damit auch keine Stundenausfälle mehr haben, aber wir wollen und werden uns dieser großen Aufgabe durch ein kluges Gesundheitsmanagement zusammen mit den Gewerkschaften und Verbänden, den Personalräten, den Krankenkassen stellen, den Krankenstand an den Thüringer Schulen auf ein national vergleichbares und handhabbares Maß zu senken. Dabei steht der Mensch, der Pädagoge, im Mittelpunkt aller Bemühungen, denn darum geht es, um gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen, um Personalentwicklung, um eine Anerkennungskultur für unsere Pädagoginnen und Pädagogen in ihrem nicht immer leichten Dienst.


Lassen Sie mich als Erstes auf vorhandene Studien und erhobene Daten – und ich möchte hier ausdrücklich Ministerin Dr. Klaubert für den umfänglichen Sofortbericht danken, auch die Darstellung all der Maßnahmen, die das Ministerium, das alte TMBWK und jetzt das Bildungsministerium unter Frau Dr. Klaubert, ergriffen hat – zur Lehrergesundheit allgemein und speziell in Thüringen kommen, um aufzuzeigen, dass es bereits in den letzten zehn Jahren eine große Aufmerksamkeit außerhalb und letztlich innerhalb dieses Hohen Hauses zu diesem Thema gab und gibt.


Der Thüringer Lehrerverband bzw. dessen Bundesverband (VBE) haben vor zehn Jahren mit Prof. Schaarschmidt eine viel beachtete Studie erstellt, welche die spezifischen Anforderungen in den Blick genommen hat, welche der Lehrerberuf mit sich bringt. Der Thüringer Lehrerverband befragte allein 2005 knapp 5.000 Lehrerinnen und Lehrer an allen Schularten in Thüringen. Das Bemerkenswerte an der Befragung des TLV ist, dass sie eine lösungsorientierte Tatsachenbeschreibung aufzeigt, die nach meiner Meinung weit über den Erhebungszeitraum hinaus Gültigkeit besitzt. Anhand eines Verfahrens wurden Merkmale des Arbeitsengagements, der Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastung und der arbeitsbezogenen Emotionen erfasst. Dabei wurden vier Gefährdungsmuster identifiziert, von gesund über Schonung/Schutz zu Gesundheitsgefährdung durch Selbstüberforderung und letztlich Gesundheitsgefährdung durch Resignation. Als nach diesem Muster gesund, also in der ersten Kategorie, also nicht gefährdet, galten demnach 2005 nach der Erhebung des TLV 16 Prozent. Als Schonung oder Schutz, also mittelgefährdet, galten 19 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer. Zusammengefasst galten dann nur 35 Prozent als nicht oder wenig gefährdet. 37 Prozent aller befragten Lehrerinnen und Lehrer galten als selbstüberfordert mit der Gefahr des Ausbrennens und 28 Prozent als burn-out-nah bzw. schon im Burn-out. Damit galten zusammengenommen 65 Prozent aller befragten Lehrerinnen und Lehrer als burn-out-gefährdet oder schon im Burn-out befindlich. Ich muss dazu sagen, das war über alle Schularten, es war eine repräsentative Erhebung. Diese alarmierenden Zahlen führten immerhin dazu, dass sich im ThILLM eine Arbeitsgruppe mit der Lehrergesundheit befasste und die Gesundheitsangebote und Gesundheitstage initiierte.


Die GEW Thüringen ging einen anderen, auch wichtigen Weg und legte vor fünf Jahren mit der AOK Sachsen-Thüringen erhobene Gesundheitsdaten vor. Die AOK Thüringen, welche mehr als 1.000 Thüringer Lehrer sozialversichert, erhob für die GEW folgende Situation: Demnach stieg der Krankenstand bei den Lehrerinnen und Lehrern über alle Schularten hinweg von 3,44 Prozent 2008 auf 4,06 Prozent 2010. Das sind Langzeit- und Kurzzeiterkrankte. Der Anteil der Fälle mit Langzeiterkrankungen stieg von 2,6 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer auf 4,3 Prozent.


Das Krankheitsbild – das ist das Interessante – in 2010 setzte sich wie folgt zusammen: An Infektionen erkrankt waren 7,54 Prozent aller Erkrankten, also aller Krankmeldungen, psychische Störungen 7,99 Prozent, Kreislauf 7,39 Prozent, Atmung 24,7 Prozent, Verdauung 10 Prozent, Muskel-Skelett 11 Prozent.


(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Was war das Letzte?)


Muskel-Skelett 11 Prozent. – Alarmierend ist der Anstieg psychischer Erkrankungen gemessen an der relativ geringen Fallzahl. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist hier sehr hoch. Pro erfasster psychischer Erkrankung war 2010 jeder Lehrer 16,15 Tage krank. Das war der höchste Stand aller gemessenen Erkrankungen.

Das Personalentwicklungskonzept Schule, das heute schon eine Rolle gespielt hat, verhandelt und abgeschlossen 2003 zwischen Bildungsminister Matschie und den Verbänden, GEW und Thüringer Lehrerverband, im Übrigen eines der wenigen bundesweit gültigen – Kollegin Rosin hat vor zwei Tagen bereits darauf verwiesen – enthält unter dem Kapitel „Gesundheitsmanagement“ wertvolle Regelungen. Ministerin Klaubert hat schon darauf verwiesen, auch auf den derzeitigen Umsetzungsstand. Auch da noch mal meinen Dank für den Bericht.


Nun sind aber schon einige Jahre ins Land gegangen. Die Thüringer Lehrer sind infolge manch katastrophaler Entscheidung von CDU-Personalpolitik bzw. CDU-geführten Landesregierungen und dort betriebener Personalpolitik, kollektiv gealtert. Es stellt sich die Frage: Was hat wie gewirkt, was wird derzeit im Bereich Pädagogengesundheit gemacht und was plant die Landesregierung? Damit beschäftigte sich unser Antrag. Der Bericht ist erfolgt.


Wie ich schon ausgeführt habe, versteht es sich als eine Daueraufgabe, den Pädagoginnen und Pädagogen an den Thüringer Schulen gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Lassen Sie mich dies noch anschließen. Dies bedeutet gleichlaufend gute Lernbedingungen für Schülerinnen und Schüler. Viele von Ihnen sind, wie ich sicherlich auch, regelmäßig an den Schulen, an den staatlichen Schulen, an den freien Schulen. Wenn Sie nicht unbedingt nur zu Zeiten da sind, wenn Unterricht läuft, dann werden Sie es sicherlich alle gut in den Ohren haben, was an den Schulen für eine Geräuschkulisse herrscht, insbesondere zu den Hofpausen, insbesondere auch zu den Essenspausen etc.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das kommt immer auf die Schule an!)


Das ist ein wesentlicher Faktor, woran Lehrer auch erkranken. Nicht jede Baumaßnahme – ich sage das auch mal so, die GEW Thüringen hat dazu auch eine Umfrage gemacht unter den Thüringer Pädagoginnen und Pädagogen und hat insbesondere bei Jena herausgefunden, die einen sehr guten Sanierungsstand an den Schulen haben –, nicht jede Sanierung läuft genau unter diesem Gesichtspunkt: Was können wir tun, um die Lärmbelastung für Pädagoginnen und Pädagogen und für Schülerinnen und Schüler so gering wie möglich zu halten? Ich sage aber auch, es ist oftmals auch der einzelnen Anforderung des einzelnen Lehrers, der einzelnen Lehrerin geschuldet, ob und wie er oder sie arbeitet. Ich möchte hier insbesondere die zeitliche Anforderung benennen. Wenn man natürlich von 8.00 bis 14.00 Uhr in der Schule ist und dort alles reinpackt, dann gibt es häufig keine Pausen. Darüber klagen Lehrerinnen und Lehrer immer wieder: Wir haben keine Pausen. Wir haben kaum Arbeitsräume, wohin wir uns zurückziehen können, wo wir mal Ruhe finden. Die wenigen Pausen, die es gibt, werden oftmals angefüllt mit Schülergesprächen, Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, mit Planung, mit Erhebung von Statistiken. Das alles ist nicht wirklich gesundheitsfördernd. Das alles bringt die Lehrerinnen und Lehrer, die Pädagoginnen und Pädagogen in Thüringen dazu, stark angespannt in Erfüllung ihrer Aufgaben zu sein. Es kommt also auch mit auf die einzelne Lehrerin, auf den einzelnen Lehrer an und auf die Schulleitung, auf eine Schulkultur, dort auch gute Arbeitsbedingungen, gute Lernbedingungen zu generieren. Ministerin Klaubert hat schon ausgeführt, dass sich die Schulen auf dem Weg befinden, unterstützt von den Schulämtern, unterstützt vom Ministerium. Ich bin und alle sollten auch dankbar dafür sein, was dort vor Ort passiert. Wichtig ist, dass wir so frühzeitig wie möglich, nämlich schon in der ersten und zweiten Phase – und auch dafür spricht sich unser Antrag aus –, Pädagoginnengesundheit mit in die Ausbildung einbeziehen. Wichtig ist, dass die dritte Phase der Lehrerbildung dort nicht außer Acht gelassen wird, dass die Angebote auch tatsächlich wahrgenommen werden können, dass sie nicht nur angeboten werden, sondern dass auch Zeit dafür zur Verfügung steht. Denn ich denke, an Angeboten mangelt es da nicht.


Lassen Sie mich zusammenfassen: Pädagoginnengesundheit ist eins der wichtigen Anliegen im Bereich des Personalmanagements von Rot-Rot-Grün. Wir haben hier unsere Vorstellungen formuliert. Ich denke, wir werden uns damit, ob im Ausschuss oder hier im Plenum, auch in dieser Legislatur noch weiter beschäftigen. Wenn die CDU hier zustimmen kann, würde uns das freuen. Ich sage allen Kolleginnen und Kollegen, allen Lehrern, allen sonderpädagogischen Fachkräften und Erziehern und vor allen Dingen den Schülerinnen und Schülern schöne Ferien und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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