Den demokratischen Willensbildungsprozess verteidigen, Angriffen auf politisch engagierte Bürger sowie Amts- und Mandatsträger entschieden entgegentreten

Katharina König-Preuss

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/6307

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen hier im Landtag und am Livestream! Ich kenne das schon, wenn ich vorgehe, dass von rechts außen sofort irgendwelche Sprüche kommen, passiert eben gerade auch und macht Ihren Antrag natürlich super glaubwürdig, wenn Sie sozusagen einen Antrag einreichen, mit dem Sie Angriffen auf politisch engagierte Bürger, Amts- und Mandatsträger entschieden entgegentreten wollen. Das haben ja die Kollegin Henfling und auch der Herr Bergner ja zuletzt in Teilen auch schon sehr gut dargestellt.

 

Dieser Antrag von Ihnen ist nichts anderes als absurd. Er ist auch deswegen absurd, weil – ich will gar nicht in das letzte Jahr zurückgehen, sondern man auch viel weiter, seitdem die AfD hier in Thüringen, auch in anderen Parlamenten sitzt, entsprechend Beispiele aufzählen, aber es macht ja manchmal Sinn, es konkret zu machen. 2015 stand bei mir am Büro: „K. König, du linksextreme Schlampe“. Daneben stand „Judenhure“ und Ähnliches mehr. Es ist dann ein Täter erwischt worden, Mitglied des AfD-Kreisvorstandes in Saalfeld-Rudolstadt. Insofern, wenn sich die AfD heute hierhinstellt und erklärt,

 

(Zwischenruf Abg. Mühlmann, AfD: Das werde ich gleich mal in einer Kleinen Anfrage abfragen!)

 

dass sie demokratischen Willensbildungsprozess verteidigen, Angriffen auf politisch engagierte Bürger, Amts- und Mandatsträger entschieden entgegentreten will – grundsätzlich total gute Überschrift. Ich glaube aber, das funktioniert vor allem dann wirklich richtig – ich sehe schon, wie ernst Sie es nehmen, wenn Sie nicht mal in der Lage sind, zuzuhören –, Ihre Überschrift, Ihr Titel des Antrags funktioniert dann und wäre dann glaubwürdig, wenn Sie gegen Ihre eigenen Leute vorgehen würden, die einen großen Teil, ein großes Spektrum derjenigen ausmachen, die mit zuständig, mit verantwortlich sind für Bedrohungen, für Beleidigungen und eben auch für Straftaten, die sich nicht nur gegen Abgeordnete in kommunalen oder in Landesparlamenten oder auch im Bundestag richten, sondern leider auch viel häufiger gegen Menschen, die sich politisch engagieren.

 

Ich will mal – Frau Henfling hat schon darauf hingewiesen – die Straftaten, wie sie hier von der AfD vorgetragen wurden, gegen Büros von Abgeordneten – noch mal ein bisschen detaillierter aufschlüsseln. Wir zum Beispiel, weiß ich, zeigen sehr selten, um nicht zu sagen, so gut wie nie an, wenn ein Aufkleber am Schaufenster vom Wahlkreisbüro ist. Aufkleber abzuknubbeln – ein bisschen nervig, ohne Frage, manchmal auch anstrengend, wenn es viele Aufkleber sind. Verrückterweise erstattet die AfD so gut wie bei jedem Aufkleber Anzeige. Das erklärt zumindest in Teilen auch, warum bestimmte Angriffe auf Wahlkreisbüros so hochgegangen sind. Ich mache es am Beispiel deutlich: 2019, da gab es einen Sticker an einem Wahlkreisbüro der AfD mit einem Anus drauf. Darauf stand: „Anusticker.de“ – Entschuldigung für die Werbung an der Stelle, wobei, warum auch nicht –. Das Ganze ist eingeordnet worden als PMK  links-, also als Politisch Motivierte Kriminalität  links-. Ein Sticker mit einem Anus drauf ist PMK  links-, keine Ahnung, wie Polizei und Ermittlungsbehörden darauf kommen. Keine Ahnung, was das damit zu tun haben soll. Ebenso wenig erklärt sich uns zumindest nicht, warum ein Aufkleber, auf dem steht „Jesus würde links wählen“ als PMK  links- eingeordnet wird, wenn er an einem Büro der AfD auftaucht.

 

Ich glaube, dass es wirklich notwendig ist, detaillierter in diese Statistiken reinzuschauen und nicht einfach nur das, was die AfD hier versucht zu suggerieren, als Fakt hinzunehmen, das auch deswegen, weil, wenn Sie sich in den letzten zwei, drei Jahren umschauen – ich habe ja vorhin schon angedeutet, eigentlich kann man ab 2014 das Ganze machen, aber gehen wir mal nur auf die vergangenen drei Jahre –, da laufen unter anderem AfD-Mitglieder mit Plakaten, auf denen Bundestagsabgeordnete, Wissenschaftlerinnen abgebildet sind in Sträflingskleidung. Und darüber steht groß „schuldig“. Was damit stattfindet, ist eine Diskreditierung von Verantwortungsträgern hier in Deutschland. Was damit aber auch stattfindet, ist ein Signal, was an bestimmte Personen gesendet wird, nämlich das Signal: Ihr könnt sie beleidigen, ihr könnt sie bedrohen, ihr könnt sie angreifen. Wenn dann Videos verbreitet werden, in denen zum einen unter anderem ein Galgen dargestellt wird und daneben Einschusslöcher und auch das im Kontext von Demonstrationen, an denen sich AfD mit beteiligt, dann ist eigentlich ganz klar, wer mitverantwortlich ist für entsprechende Taten, für entsprechende Beleidigungen, für entsprechende Drohungen. Und gerade in der Vergangenheit, seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, stellen wir fest, dass es Demonstrationen gibt, innerhalb derer erneut gegen Lokalpolitikerinnen vorgegangen wird, erneut Lokalpolitikerinnen, übrigens aller demokratischer Fraktionen, angegangen und angegriffen werden, unter anderem in Leinefelde war das der Fall, wo sich der Landrat mit eingesetzt hat dafür, dass eben Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht werden können. Dafür ist er angegriffen worden, da gab es Drohbriefe. Ähnliches in Sömmerda, auch dort mit dabei und mit am Stimmung machen gegen ukrainische Geflüchtete und gegen die Politik, die dort vom Bürgermeister und zum Teil auch vom Landrat und anderen kommunalen Akteuren vertreten wird, Mitglieder der AfD, die hier gerade auch sitzen, aber auch Mitglieder AfD aus der Bundestagsfraktion.

 

Ich finde das schon fatal, sich hier hinzustellen, so einen Antrag vorzulegen, in diesem Antrag zu erklären, ganz viele böse linksextreme Taten usw. usf., denn, wenn man sich mal die PMK-Statistiken genau anschaut: Der Großteil der Steigerung ist im PMK-Bereich – Sonstige. Wenn man sich ein bisschen auskennt mit der Statistik „Politisch motivierte Kriminalität“, dann ist klar, dass unter „Sonstige“ unter anderem Straftaten und Ähnliches mehr fallen, die aus dem sogenannten Coronaleugner-Spektrum, aus dem Spektrum der Reichsbürgerinnen begangen werden oder auch aus dem Spektrum von Verschwörungsanhängern.

 

Ein großer Teil von denen ist ganz klar der rechten Szene zuzuordnen. Die Problematik ist hier die fehlende oder nicht zutreffende Analyse seitens Ermittlungsbehörden und eben auch die Verständigung innerhalb der Innenministerkonferenz, wie solche Taten einzuordnen sind. Von daher macht es nur Sinn, sich das mal konkreter und im Detail anzuschauen.

 

Aber wir würden schon sagen, dass es auch sinnvoll wäre, zu Kenntnis zu nehmen, was es in Thüringen alles schon gibt. Wenn zum Beispiel die AfD – jetzt komme ich zum Alternativantrag von Ihnen – unter anderem fordert, dass es notwendig ist, detailliert aufzuschlüsseln und darzustellen – das passiert einmal jährlich im Kontext der Vorstellung der PKS-Statistik. Das passiert auch über Kleine Anfragen, die, wenn ich mich richtig erinnere, unter anderem auch von Ihnen gestellt werden. Das passiert auch im Innenausschuss, wo wir das regelmäßig auf der Tagesordnung haben. Das passiert unter anderem auch in dem aktuellen Untersuchungsausschuss zur Politisch motivierten Kriminalität. Insofern fänden wir es schwierig, so zu tun, als ob sozusagen in Thüringen im Landtag über die Landesregierung nicht entsprechende Zahlen, Statistiken und Daten schon vorliegen würden.

 

Ebenso fänden wir es schwierig, wenn wir sozusagen die Extremismustheorie, die Ihr Antrag mit beinhaltet mit übernehmen. Da werden Sie nicht nur von mir, sondern auch von der Fraktion Die Linke auf Widerspruch stoßen, das auch deswegen, weil es eben angesichts dessen PMK–Sonstige, was ich gerade dargestellt habe, wirklich überhaupt nicht passend ist, von den sogenannten Sonstigen zu sprechen und die Straftaten aus dem Coronaleugner-Spektrum, von Reichsbürgern, aber eben auch von Verschwörungstheoretikern darunter zu erfassen. Sondern wir sind schon der Überzeugung, dass es notwendig ist, ganz klar zu sagen, dass diese Extremismustheorie überhaupt nicht in der Lage ist, die Straftaten adäquat abzubilden, denn die sonstigen Straftaten wären in der auch von Ihnen vertretenen Extremismustheorie überhaupt nicht erfasst. Dem stimmen übrigens auch Wissenschaftlerinnen zu. Wir hatten das im Untersuchungsausschuss–PMK mehrfach von verschiedenen Wissenschaftlerinnen so bestätigt bekommen.

 

Eine letzte Sache: Die AfD halluziniert ja einen linken Schwerpunkt herbei. Ich glaube, wenn sich die AfD ehrlich machen würde, was sie ja schwer kann, dann sollte sie wirklich bei sich anfangen. Unter anderem aus der Landtagsfraktion der AfD hier gibt es einen Abgeordneten, der mit dem – zum Glück mittlerweile inhaftierten – Reichsbürger Kontakt pflegte. Die von diesem Reichsbürger geplante Umsturzaktivität in Deutschland, die ja unter anderem vorhatte, mehrere Politiker zu verhaften, sah auch vor, eine AfD-Aktivistin nach dem Staatsstreich als neue Justizministerin einzusetzen.

Von daher: Ihr Antrag ist absurd. Ihr Antrag entspricht an keiner Stelle den Realitäten, die wir hier in Thüringen haben. Wir sind bereit, zumindest in Bezug auf das, was wir im Innenausschuss leisten können, mit Ihnen zum Alternativantrag der FDP ins Gespräch zu kommen.

 

Und eine letzte Sache noch: Die Landesregierung hat viel gemacht. Unter anderem aufgrund eines Antrags, der von uns aus der Linken angestoßen wurde, ist eine Beratungsstelle „Hatespeech“ eingerichtet worden. Ich bin sehr froh, dass dieser Antrag nicht nur von Rot-Rot-Grün, sondern auch eine sehr deutliche klare Unterstützung aus der CDU-Fraktion bekommen hat. Ich glaube, dass das ein geeignetes Mittel ist, wie man Menschen, die von rechts

 

Vizepräsident Worm:

 

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

 

Abgeordnete König-Preuss, DIE LINKE:

 

bedroht werden, unterstützen kann, und freue mich, dass die CDU da zumindest auch sehr klar mit dabei war. Herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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