Demokratie und Zivilgesellschaft nachhaltig stärken 1/2

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 5/4176

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich danke Ihnen erst einmal für den Sofortbericht und hoffe, dass dann aus der Veröffentlichung vielleicht noch einige Daten mehr hervorgehen, weil die jetzt von Ihnen vorgetragenen bestätigen mich zumindest eher in dem, was ich vom Landesprogramm halte, nämlich wenig, zumindest wenn es um ein Landesprogramm gegen Rechts geht.

Ich möchte daran erinnern, dass im letzten Jahr unter anderem über Mittel des Landesprogramms Veranstaltungen wie „Glockengießen gegen Rechts“ stattgefunden haben in Apolda, und frage natürlich, inwieweit solche Projekte wirklich eine nachhaltige Maßnahme sind, um gegen Rechtsextremismus, Neonazismus, aber genauso Rassismus und Antisemitismus hier in Thüringen vorzugehen. Da erinnere ich an die durch den Thüringen-Monitor bewiesenen Einstellungen, die es hier in Thüringen gibt: über 50 Prozent Fremdenfeindlichkeit, wenn ich mich richtig erinnere, 19 Prozent, die das NS-Regime verharmlosen, 11 Prozent antisemitische Einstellung. Setzt man das jetzt mit dem Landesprogramm, aber auch mit den durch das Landesprogramm finanzierten Projekten gegenüber, dann stellt sich zumindest für mich heraus, dass die derzeitig durch das Landesprogramm finanzierten Projekte nur in Teilen darauf reagieren bzw. reagieren können und dass das Landesprogramm im Gesamten der Problematik, die durch den Thüringen-Monitor aufgezeigt wird, nicht gerecht wird, denn das Landesprogramm reduziert in weiten Teilen den Rechtsextremismus auf die Problematik einer Jugendkultur oder stilisiert das Ganze auf ein Jugendproblem herunter. Was dabei fehlt, sind die Behörden, die genauso Einstellungen haben. Was fehlt, ist die Mitte der Gesellschaft. Was fehlt, sind letztendlich wir. - Ich finde das nicht zum Lachen, ich meine das im Ernst.


Darüber hinaus sehen wir es so, dass das Landesprogramm grundsätzlich überarbeitet werden muss, grundhaft erneuert werden muss, damit es auch den Namen eines Landesprogramms gegen Rechts verdient. Ich möchte an der Stelle auf Peter Reif-Spirek verweisen, der einen wunderbaren Artikel geschrieben hat für die SPD Erfurt, von dem ich mir wünschen würde, dass sowohl alle SPD-Abgeordneten hier im Landtag diesen lesen und sich vielleicht rückbesinnen auf das, was sie einmal wollten, und dass sie vielleicht auch versuchen, das, was sie einmal wollten, in ihrer Koalition umzusetzen. Er nämlich erklärt, dass das derzeitige Landesprogramm gravierende analytische und konzeptionelle Mängel aufweist. Dem können wir uns nur anschließen. Das Landesprogramm ändert sehr, sehr wenig an den von mir benannten Einstellungen, aber vor allem ändert es überhaupt nichts an den faktisch bestehenden Menschenrechtsverletzungen, die hier in Thüringen bestehen. Auch das ist eine Begrifflichkeit, die nicht nur ich teile, sondern die eben auch Herr Peter Reif-Spirek so benannt hat. Da geht es um die Residenzpflicht, da geht es aber auch um das Gutscheinsystem, da geht es um die Unterbringung in Asylheimen, da geht es um die grundhaft vorhandenen rassistischen, antisemitischen Einstellungen, denen eben das Landesprogramm derzeit und auch in seiner grundsätzlichen Ausrichtung überhaupt nicht adäquat gerecht werden kann.


Zum Punkt 2 b von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat mich etwas irritiert. Im Titel schreiben Sie, dass Sie Demokratie und Zivilgesellschaft nachhaltig stärken wollen. Ich zumindest würde erst mal grundsätzlich in Abrede stellen, dass man eine Zivilgesellschaft, aber auch Demokratie einfach nur durch die Einstellung von mehr Mitteln stärken kann.


(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einfach nur nicht, aber auch ... Nein, nicht einfach nur.)


Ja, einfach nur durch die Einstellung von mehr Mitteln stärken kann,


(Beifall DIE LINKE, SPD)


und zwar in Ihrem Antrag, ich lese Ihnen gern Ihren Antrag vor. Die Landesregierung wird aufgefordert, die Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen zu stärken, indem bei den anstehenden Haushaltsberatungen eine Erhöhung der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel für Programme gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt sowie für die Opferberatung im Haushaltstitel 08 24 68 482 Zuschüsse an Kooperationsprojektpartner für Maßnahmen usw. usf. Da steht nichts davon drin, wie Sie das machen wollen, welche Grundlage Sie dafür sehen und Ähnliches mehr. Insofern, ich halte es für kritisch zu sagen, dass man Demokratie und Zivilgesellschaft mit der Mehreinstellung von Mittel sozusagen stärken kann. Und zwar deswegen die Kritik: Unserer Meinung nach fehlt eine Bedarfsanalyse, unserer Meinung nach fehlt auch eine Konzeption, die eine entsprechende finanzielle Untersetzung rechtfertigt. Wir sind sehr wohl der Meinung, dass es mehr Mittel benötigt, um hier in Thüringen entsprechend vorgehen zu können. Aber, bevor wir mehr Mittel einstellen, erwarten wir, dass es eine entsprechende Analyse gibt. Und wir wollen nicht, dass diese Analyse nur seitens des Ministeriums stattfindet oder auch nur seitens des Parlaments, sondern wir wollen die Einbindung und Einbeziehung der sogenannten Zivilgesellschaft. Wir wollen eben Partizipation von Grund auf leben und das insbesondere im Zusammenhang mit dem Landesprogramm gegen Rechts.


Zuletzt möchte ich einen Textteil aus dem Text von Peter Reif-Spirek vorlesen, ich zitiere, in Bezug auf die - ganz kurze Erklärung vorher - in Bezug auf die Einbindung des Verfassungsschutzes, der ja im Landesprogramm klar als präventiver Partner mit benannt wird. „Man muss mit diesem Hintergrundwissen das Thüringer Landesprogramm“, - Hintergrundwissen bezieht er sich auf die aktuellen Vorkommnisse der letzten Monate - „einer erneuten Lektüre unterziehen. Die Passagen zu Polizei- und Geheimdiensten lesen sich heute wie Realsatire. An keiner Stelle dieses Programms kommt auch nur eine Ahnung davon durch, dass diese Institution Teil des Problems sein könnte. Und, es wundert nicht mehr, wenn im Verfassungsschutz im Thüringer Landesprogramm auch noch präventive Aufgaben zugewiesen werden und noch nicht einmal der damit verbundenen geheimdienstlichen Durchdringung des pädagogischen Felds ein Riegel vorgeschoben wird.“


Ich möchte Ihnen ein praktisches Beispiel aus Rudolstadt erzählen, da hatte die Junge Union einen Vertreter des Verfassungsschutzes eingeladen, um eben ihm ein Podium zu bieten, zum Thema Rechtsextremismus sich zu äußern. Die Konsequenz war, dass innerhalb der Veranstaltung eine Gruppe Neonazis auftrat, Neonazis, Freie Kameradschaften und NPD, dass diese komplett die Wortergreifungsstrategie bewältigt haben, vor Ort praktisch gelebt haben und durchgeführt haben und weder der Referent des Verfassungsschutzes noch die Veranstalter, die Junge Union, in der Lage waren, dem adäquat zu begegnen. Um es auf den Punkt zu bringen, die NPD und die Freien Kameradschaften konnten in dieser von der Jungen Union durchgeführten Veranstaltung komplett ihre Themen, ihre Thesen unter das Volk bringen und es gab keinerlei Gegenwehr.


Wir begrüßen Ihren Antrag inhaltlich insofern, dass es eine Erhöhung der Mittel benötigt, sehen aber einen fehlenden bisher ermittelten Bedarf. Würden uns wünschen, dass das zusammen mit der Zivilgesellschaft hier in Thüringen passiert. So lange es diesen ermittelten Bedarf und ein entsprechendes Konzept nicht gibt, können wir dem Antrag nicht zustimmen, sondern würden uns an der Stelle enthalten und würden darum bitten, dass alle Fraktionen hier im Landtag sich mit dafür einsetzen, dass wir ein neues Landesprogramm entwickeln, welches den Namen gegen Rechts auch verdient. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)


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