Chancen der Digitalisierung im Gesundheitssystem nutzen: Thüringer Aktionsplan Gesundheitskompetenz 4.0 vorlegen

Philipp Weltzien

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 7/1716

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream – auf der Tribüne leider nur wenige gerade! Bereits in der Plenarsitzung im Mai haben wir über beide Anträge debattiert. Der Ausschuss hat es offensichtlich auch noch mal getan. An dieser Stelle möchte ich noch mal ganz kurz erläutern, welche Probleme wir damit haben. Fangen wir von vorn an.

Im Antrag 7/1716 wird ein „Aktionsplan Gesundheitskompetenz 4.0“ gefordert, in dem die digitale Gesundheitskompetenz von Patientinnen, besonders der von älteren Menschen, gefördert werden soll. Liebe FDP, ich gebe Ihnen recht, dass digitale Gesundheitskompetenz ohne Medienkompetenz und ohne entsprechende Endgeräte einfach nicht funktionieren kann. Stimmt. Problematisch allerdings finde ich – und das habe ich Ihnen beim letzten Mal schon gesagt, aber davon werden Sie nicht abrücken –, dass Sie immer noch davon ausgehen, dass alle gern über ein Smartphone verfügen und alle gern auch ein Smartphone besitzen wollen und es auch benutzen können, und das einfach als eine Selbstverständlichkeit verkaufen.

 

Aber lassen wir es jetzt doch einfach hier in dem Fall darauf ankommen und schauen uns mal an, wo gerade so ein Lackmus-Test in Sachen Alltagstauglichkeit läuft. Und zwar am Beispiel der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur, nämlich dem Patientendaten-Schutz-Gesetz von Oktober 2020. Zugegeben, das ist ein Bundesgesetz, aber die wesentlichen Änderungen in der Art und Weise, wie dort mit Patientenakten und Rezepten umgegangen werden soll und wie die zur Verfügung gestellt werden sollen, werden viele Patienten, die eben keine sogenannten Digital Natives sind, sicherlich auch beschäftigen und vor Probleme stellen.

Derzeit führt die Betriebsgesellschaft gematik, die den Auftrag zur Einführung der E-Rezepte hat, eine Testphase durch, in Apotheken in Berlin und Brandenburg ab dem 01.07.2021 bereits; das Projekt hat ein bisschen später als geplant begonnen. Die elektronische Patientenakte soll dann bundesweit im Januar 2022 an den Start gehen. Da können wir mal durchtesten, ob das funktioniert und wie das funktioniert, denn es ist ohne Frage, dass die Bundesregierung und die gematik danach eine grundlegende Auswertung dieses Projekts durchführen müssen. Die Ergebnisse daraus müssen für uns Kompass auf der Landesebene werden.

 

Diese Evaluation soll auch unbedingt schauen, welche Erfahrungen Ältere und Menschen mit Behinderungen, beispielsweise auch mit Sehbehinderungen, gemacht haben und wo dann im Prozess mögliche Verbesserungsbedarfe sind. Es muss auch geklärt werden, wie alternativ analoge Auskunftsmöglichkeiten geschaffen werden können, damit Menschen, die zum Beispiel Schwierigkeiten mit der elektronischen Patientenakte haben, dennoch die Kontrolle über ihre vollständigen individuellen Daten behalten. Außerdem gibt es – das habe ich Ihnen beim letzten Mal schon erklärt – jüngere Menschen, die sich bewusst gegen ein Smartphone entscheiden. Vom bewussten digitalen Fasten hatte ich Ihnen ja schon bei der ersten Antragsberatung berichtet. Auch für diese Menschen brauchen wir Lösungen. Ich denke, es wäre sinnvoll, mehrere Möglichkeiten offenzuhalten und die digitale Gesundheits- und Medienkompetenz nicht allein auf die Patienten abzuschieben. Wir müssen uns da auch eigene Gedanken machen. Aber auch Praxen, Krankenhäuser und Dienstleistungsunternehmen im Gesundheitsbereich müssen wir hier in die Pflicht nehmen.

 

Im zweiten Antrag fordern Sie für den Bereich der Thüringer Hochschulen, mehr Zusammenarbeit anzuregen, um ihre Investitionscluster zu etablieren, die Sie so gerne haben möchten. Konkret fordern Sie die übergreifende Partnerschaft der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Instituts für Biomedizinische Technik und Informatik der Technischen Universität Ilmenau.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Innovation, nicht Information!)

 

Eine solche Zusammenarbeit ist immer zu begrüßen. Das habe ich Ihnen beim letzten Mal schon gesagt. Aber auch hier, wie gesagt, wirkt der Antrag nach wie vor aus der Zeit gefallen, denn der Ausbau der Gesundheitswissenschaft mit Blick auf die Thüringer Gesundheitswirtschaft ist längst eins der Spezialisierungsfelder in den Leitlinien zur Hochschulentwicklungsplanung 2025, die bereits vor drei Jahren dem Thüringer Landtag vorgelegt wurden. Dabei war die regionale Vernetzung im Bereich der Ingenieurswissenschaft ein Ergebnis der Evaluierung durch den Wissenschaftsrat aus dem Jahr 2017, in dem der Ausbau der regionalen Vernetzung auch im Themenfeld der Medizintechnik festgehalten ist. Eine Arbeitsgruppe der Landesregierung – das kennen wir alle schon, das brauche ich Ihnen nicht noch mal zu erzählen, aber ich mache es trotzdem, denn mehr gibt es zu Ihren Anträgen nicht mehr zu erzählen – hat bereits im Jahr 2020 über den Entwurf einer E-Health-Strategie in Thüringen beraten mit dem Kernelement einer stärkeren digitalen und datenbasierten Gesundheitsversorgung und der strategischen Ausrichtung der weiteren Digitalisierung des Thüringer Gesundheitswesens. Diese Arbeit wird fortgesetzt. Die Ideen der FDP aus Anträgen oder Strategiepapieren einzelner Abgeordneter ihrer Fraktion zum Thema „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ werden von dieser Landesregierung bereits umgesetzt. Und es bleibt dabei: Wir werden Ihre Anträge deswegen weiterhin ablehnen.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Starke Meinung bei minimaler Ahnung!)

 

Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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