Bildungsnotstand in Eisenach – der Jugend eine bessere Zukunft ermöglichen, Anzahl der Schulabbrecher minimieren

Torsten Wolf

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/50

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, sehr geehrte Gäste, insbesondere die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte, die hier mit zuhören!

Jetzt wissen wir so ziemlich genau, was die AfD nicht will, unter anderem Schulsozialarbeit.

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Schulabbrecherquoten wollen wir nicht! Aber das haben Sie nicht verstanden!)

 

Wir haben Ihnen sehr gut zugehört, zumindest dem Kollegen Ihrer Fraktion, Herr Möller. Und das hat er ja schon zur Veränderung des KJHAG gesagt, zur Verdopplung der Schulsozialarbeit, dass es für die AfD gänzlich entbehrlich ist, dass Sie sich vorstellen, dass mit einer rigiden, autoritären Herangehensweise, pädagogischen Herangehensweise, die Probleme an den Schulen zu lösen wären.

 

(Zwischenruf aus dem Hause: Fake News!)

 

Nein? Es kann sofort nachgelesen werden im Protokoll. Das sind keine Fake News.

Das allerdings ist eine Schulpolitik, die den 70er-Jahren entspricht –

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das ist Ihre private Interpretation!)

ich muss das hier ganz klar so sagen – und die nicht von uns geteilt wird, weil sie eben nicht den Herausforderungen entspricht, vor denen heute die Pädagoginnen und Pädagogen und die Eltern stehen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Eigentlich wollte ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch mal öffentlich auch meine Glückwünsche ausdrücken und mich freuen, dass Minister Holter und auch die neue Staatssekretärin Heesen hier heute anwesend sind bzw. schon anwesend waren und zukünftig wieder ihren Dienst versehen. Denn wie wichtig es ist, dass wir, was Astrid Rothe-Beinlich schon gesagt hat, einen kontinuierlichen Prozess der Weiterentwicklung in den Schulen, insbesondere was die Voraussetzungen für gute Schule anbetrifft, haben – Kollegin Baum, wir sind ja auch mit in der Steuergruppe involviert –, das sieht man insbesondere bei dem heutigen Thema. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit hier im Hohen Haus und natürlich auch im Ausschuss, sehr geehrter Herr Minister. Schön, dass Sie wieder da sind!

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag der AfD „Bildungsnotstand in Eisenach – der Jugend eine bessere Zukunft ermöglichen, Anzahl der Schulabbrecher[innen] minimieren“ geht diese Fraktion formal zwei wichtige Themen an. Der Frage geht sie nach, wie man die Zahl der Schulabgänger ohne Schulabschluss reduziert, und insbesondere eben auch, wie man Berufsorientierung an den Schulen verstetigt. Andererseits macht der Titel und vor allem die Begründung deutlich, dass er ideologiegetrieben ist und einen Einblick in das gibt, was den Familien, den Kindern und vor allem den in Bildung Verantwortlichen und Tätigen droht, wenn die AfD hier irgendwann mal Verantwortung übernehmen würde: Erstens, Ausgrenzung statt Integration; zweitens, Exklusion statt Inklusion und drittens, Trennung statt Förderung von Kindern. Genau das steht in Ihrem Antrag.

 

Anlass für die AfD-Feststellung eines sogenannten Bildungsnotstands in Eisenach ist eine Studie der Caritas zu – Zitat – „Bildungschancen vor Ort“ in Zusammenarbeit mit dem rheinisch-westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung und einem entsprechend reißerischen und dem Thema nicht angemessenen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ mit dem Titel „Stadt der Schulabbrecher“. Darin wird festgestellt, dass in Eisenach 2017 19 Prozent der Schüler/-innen die Schulen ohne Abschluss verlassen und dass dem eine Verdopplung von 2015 auf 2017 zugrunde liegt. So weit, so alarmierend.

Sehr geehrte Damen und Herren, als Erstes möchte ich mich bei den Initiatoren und den Autoren der Studie bedanken. Sie haben uns deutschlandweit auf ein drängendes Problem verwiesen, mit regionalen Zahlen ausgestattet und uns acht Punkte zur Handlungsempfehlung mitgegeben, die ich zwar gänzlich überhaupt nicht in dem Antrag der AfD wiederfinde, aber die es lohnt, hier anzusprechen und die hier vor Ort heute schon sehr erfolgreich umgesetzt werden.

 

Ob die zur Erklärung gewählten sozioökonomischen Faktoren methodisch richtig gewählt sind – Kollegin Rothe-Beinlich ist schon darauf eingegangen –, um das Forschungsfeld hinreichend zu erhellen, darüber kann man trefflich diskutieren. Der besondere Wert dieser Studie besteht in der besseren Vergleichbarkeit und der Anschlussfähigkeit der Empfehlung. Doch als Erstes empfehle ich, nicht wie die AfD Äpfel mit Birnen zu vergleichen, also urbane mit ländlichen Räumen – das machen Sie nämlich in Ihrem Antrag –, sondern ländliche Räume und Städte zu vergleichen, weil die tatsächlich sehr unterschiedlich sind.

 

Vergleichen wir also besser zwei Städte miteinander. Ich wähle hier die kreisfreie Stadt Eisenach mit der kreisfreien Stadt Jena. Erste Feststellung: Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss liegt in Eisenach 2017, wie schon gesagt, bei 18,85 Prozent, in Jena bei 3,11 Prozent. Im Begründungsteil der AfD sehen wir zwei Erklärungsfaktoren. Erstens, nach Meinung der AfD wäre durch Inklusion und zweitens Integration von Kindern mit Migrationshintergrund erklärbar, dass und wie hoch der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss ist. Faktencheck: In Jena liegt der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund bei 11,3 Prozent – Quelle: Erster Jenaer Bildungsbericht 2018 –, in Eisenach bei 8,94 Prozent. Wir erinnern uns, Jena hat 3 Prozent Abgänger ohne Abschluss, Eisenach 19 Prozent. Der durchschnittliche Anteil liegt in Thüringen tatsächlich bei 5,22 Prozent. Ergo: Jena hat an Schülern mit Migrationshintergrund einen Anteil von 220 Prozent im Vergleich zum Anteil im Landesschnitt, Eisenach einen Anteil von 71 Prozent im Vergleich zum Landesschnitt, was im Übrigen ziemlich normal ist, weil wir ja hier von urbanen Räumen reden.

 

Zweite Feststellung der AfD, Inklusion wäre eine wesentliche Ursache für Schülerzahlen ohne Abschluss. Faktencheck: Die Quote der Schüler und Schülerinnen, die an einer Förderschule unterrichtet werden, liegt in Eisenach bei 5,87 Prozent, in Jena bei 0,48 Prozent. In Thüringen liegt diese Quote bei 3,4 Prozent, ergo hat Eisenach eine 72 Prozent höher Quote von Schülern und Schülerinnen, die an einem Förderzentrum unterrichtet werden, also nicht inkludiert sind. Jena liegt aber nur bei 14 Prozent der durchschnittlichen Quote in Thüringen. Jena ist im Übrigen deutschlandweit die Stadt, die bei der inklusiven Beschulung von Schülerinnen und Schülern am weitesten ist. Wissen sollte man, dass in etwa drei Viertel aller Schüler und Schülerinnen an einer Förderschule die Schule ohne einen regulären Abschluss verlassen.

 

Man muss also schon deutlich ideologisch verblendet sein, wenn man die Aussage der AfD vor diesem Faktenhintergrund tatsächlich noch teilt. Tatsächlich weisen die Autoren der Studie selbst darauf hin – und zwar völlig korrekt –, dass ein Trennschulsystem die Abschlussfähigkeit der Schülerinnen und Schüler deutlich schwächt. Oder anders gesagt: Diejenigen, welche Schülern die beste Chance auf einen schulischen Abschluss geben wollen, sollten sich – wie in Jena und in vielen anderen Schulen, wo im Übrigen – in Jena – der AfD-Wähleranteil thüringenweit am niedrigsten liegt – für ein konsequentes inklusives Schulsystem einsetzen, und beste Integration von Schülerinnen mit Migrationshintergrund dazu. Ja, und dazu braucht es Voraussetzungen. Aber genau die haben wir in unserem neuen Schulgesetz und in den Haushaltsgesetzen formuliert.

Kollegin Baum ist vorhin auf die Talentschule in NRW eingegangen – ist ein Weg. In Jena gibt es die Werkstatt-Schule – ist auch ein Weg. Ja, Schulen sollten und haben auch in Thüringen die Möglichkeit, sich nach ihrem Schulkonzept zu entwickeln, natürlich im Rahmen des Schulgesetzes, im Rahmen der Stundentafel etc. Aber wir bieten eben gerade jeder Schule die Möglichkeit, sich in diesem Rahmen zu entwickeln.

Um noch mal auf das Schulgesetz einzugehen – nein, meine Redezeit ist gleich zu Ende.

 

(Beifall CDU)

 

Ich möchte abschließen mit dem Hinweis, dass die Empfehlung – die acht Punkte, die in der Studie gegeben werden, in Eisenach zu sieben Punkten gänzlich umgesetzt worden sind, und der achte Punkt wird derzeit vorbereitet. Es ist eine enge Kooperation mit dem Ministerium und auch in anderen Kommunen –

 

Vizepräsident Worm:

 

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

 

Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:

 

Vielen Dank, Herr Präsident – derzeit in Absprache, sodass sich Eisenach auf dem Weg befindet. Und wer Eisenach schlechtredet, sollte sich hier nicht hinstellen und von Bürgerlichkeit reden. Das gehört sich gar nicht. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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