Bescheide zur Feststellung des Grundsteuerwertes nur vorläufig erlassen – Steuerpflichtige nicht in Klageverfahren zwingen

Ronald Hande

Zum Antrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/7631

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte meinen Wortbeitrag mit einem sehr bösen Wort beginnen. Frau Präsidentin, ich hoffe, ich bekomme dafür keinen Ordnungsruf. Dieses böse Wort heißt „Grundsteuer“. Warum könnte das Grundsteuerwort so böse sein? Nun, diese Annahme entnehme ich dem Handeln der FDP-Gruppe in den letzten Wochen und Monaten. Denn ich kann hier feststellen, dass der Antrag – obwohl er sich meiner Meinung nach eigentlich überlebt hat und eigentlich von Ihnen heute hier bzw. im Vorlauf dieser Plenarsitzung hätte zurückgezogen werden sollen – Teil einer – ich nenne es mal so – Kampagne ist. Beginnend mit dem Antrag, den wir heute hier beraten, vom März letzten Jahres. Es ging weiter seitens der FDP-Fraktion mit einer Aktuellen Stunde im April letzten Jahres zum Thema „Immer mehr Einsprüche gegen die Grundwertbescheide“. Dann gab es weiterführend eine Kleine Anfrage des Kollegen Kemmerich im Juli letzten Jahres. Daraufhin – das wurde auch schon angesprochen – gab es einen Selbstbefassungsantrag im Haushalts- und Finanzausschuss im September letzten Jahres. Und nun behandeln wir heute hier Ihren Antrag mit dem Titel unter anderem „Steuerpflichtige nicht in Klageverfahren zwingen“.

 

Wenn ich das alles Revue passieren lasse, mir auch Ihre Terminologie anschaue, die Sie hier an den Tag legen und verwenden, wie Sie zum Beispiel hier in der Begründung Ihres Antrags schreiben: „In Kürze werden Millionen von Grundstückseigentürmern in Thüringen Bescheide […] erhalten.“ – Millionen von Grundstückseigentümern in Thüringen. Soweit ich weiß, haben wir 2,1 Millionen Einwohner in Thüringen und etwa 100.000 davon sind unter sechs Jahre. Und wenn wir nun annehmen, das Millionen, Plural, also mindestens 2 Millionen Grundstückseigentümer in Thüringen sind, dann zeigt das doch zumindest, in welcher Welt Sie leben und wie – sage ich mal – bürgerfern Sie auch hier Ihre Politik im Landtag gestalten.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das hieße ja schließlich, jeder in Thüringen hätte irgendwie Grundeigentum. Ich glaube, so groß ist die Blase dann doch nicht, in der Sie leben.

 

Nichtsdestotrotz möchte ich auf zwei, drei Kleinigkeiten in Ihrem Antrag eingehen, unter anderem zu Ziffer I. Wir haben es seitens der Ministerin gehört, die berichtet hat, wie viele Einsprüche eingegangen sind. Sie hätten diese Zahl eigentlich auch schon viel früher hören können, wenn Sie aufgepasst hätten. Nämlich in der Diskussion zu Ihrer Aktuellen Stunde wurde die Zahl – damals im April waren es 50.000 Einsprüche – genannt.

Zugegeben, damals haben wir in der Aktuellen Stunde …

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

Schauen Sie in das Protokoll, da steht es drin.

Damals haben wir in der Aktuellen Stunde vordergründig über die Verfassungsmäßigkeit und die möglichen Bedenken, die es da eventuell gäbe, gesprochen. Auch dazu haben wir Einiges gehört. Wir haben damals schon gesagt – und das wurde heute auch wieder angedeutet –, dass auch die anderen Modelle oder das andere Modell nicht unbedingt – sagen wir mal – jedem Zweifel erhaben sind. Ich nenne da nur die mangelnde Bestimmtheit in den verschiedenen Bescheiden oder auch die Lagedifferenzierung, wie es in Bayern bemängelt wird.

 

Also: Momentan ist keine – mir ist zumindest nichts bekannt – Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Wir werden sehen, was dann daraus wird. Wir haben auch schon gehört – vom Kollegen Müller war das –, dass, wenn es denn tatsächlich dazu käme, dass eine Verfassungswidrigkeit festgestellt werden würde, wir doch sicherlich – genauso wie es 2018 auch war – davon ausgehen können, dass eine Fortgeltung der Bescheide weiterhin so ausgesprochen werden würde.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP: Aber welcher Bescheid? Die von früher oder die, die jetzt rechtskräftig sind?)

 

Die, die jetzt schon rausgegeben sind.

 

Herr Kemmerich, es ist doch so: Sie suggerieren, dass Sie, nur, wenn Sie Widerspruch einlegen können und dazu sozusagen das Einspruchsverfahren starten, Sie im Prinzip eine Chance haben irgendwann, wenn eine Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes festgestellt werden würde, dass Sie Ihre Grundsteuer, die Sie vielleicht gezahlt hätten, wiederbekämen. Dem ist aber in der Praxis – und das sehen wir an diesem verfassungsmäßig beanstandeten Gesetz aus dem Jahr 2018 – eben nicht so.

 

Vizepräsidentin Lehmann:

 

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kemmerich?

 

Abgeordneter Hande, DIE LINKE:

 

Ja.

 

Vizepräsidentin Lehmann:

 

Herr Kemmerich.

 

Abgeordneter Kemmerich, Gruppe der FDP:

 

Herr Hande, Sie kennen doch sicherlich das Prinzip einer einheitlich zu erfassenden Steuerbelastung aller Betroffenen. Wir haben eben gehört in dem Sofortbericht, 860.000 Bescheide sind erst erteilt worden. 126.000 sind noch nicht beschieden, landen im Einspruchsverfahren und 400.000 ungefähr fehlen. Jetzt stelle ich Ihnen die Frage: Was suggerieren Sie denn? Dass diejenigen, die jetzt ihre Bescheide abgegeben haben, mit einer neuen Steuer belastet werden? Womit werden die alten belastet? Womit werden die belastet, die noch keinen Bescheid abgegeben haben? Das Verfahren ist nicht nur von mir herbeigeredet, das ist einfach ein pures Chaos. Das ist keine Suggestionsfrage, sondern einfach eine nüchterne Feststellung der Tatsachen. Wie bewerten Sie das?

 

Abgeordneter Hande, DIE LINKE:

 

Herr Kemmerich, ich suggeriere, dass dieses Verfahren genauso laufen wird wie 2018, als das Verfassungsgericht die Nachbesserungen angemahnt hat, und dass demnach alle bereits erteilten Bescheide, wo auch kein Widerspruch eingelegt wurde, fortgelten und dass diese Korrektur, sollte es eventuell zur Bemängelung der Verfassungsmäßigkeit kommen, sich auf die Zukunft richtet und nicht auf bereits ergangene Bescheide. Das ist der Punkt, den ich sage. Aber, und diesen Punkt hätten Sie gegebenenfalls auch vielleicht nicht von mir, sondern zum Beispiel auch vom Staatssekretär Herrn Schubert erklärt bekommen, dass wir nach Ihrem Selbstverfassungsantrag im HuFA

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

nämlich genau diese Thematik bereits aufgerufen haben und dort auch nachzulesen im Protokoll, wo der Staatssekretär Schubert – die 76. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses war es – das entsprechend erklärt hat. Allerdings ist mir bei der Durchsicht des Protokolls eben auch noch mal klargeworden und aufgefallen, dass Sie, werter Herr Kollege Kemmerich, zu dieser Sitzung gar nicht da waren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Also nehme ich es Ihnen nicht übel, dass Sie diese Frage hier noch mal stellen. Ein Kollege oder eine Kollegin aus der FDP-Gruppe war ebenfalls nicht anwesend.

 

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Das kommt uns bekannt vor!)

 

Also, wenn Sie tatsächlich keine Panikmache machen wollen – und es tut mir leid, so sehe ich Ihre ganzen Initiativen, die Sie hier im Parlament bisher gestartet haben. Sie wollen Panik machen. Sie wollen eine Verunsicherung bei den Bürgern hervorrufen, und das zugunsten eines kurzfristigen politischen Punktes. Sie machen das zudem außerdem noch auf den Schultern der Finanzverwaltung und natürlich auch auf den Schultern der Kommunen, denn am Ende sind die Kommunen die Leidtragenden,

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

wenn nämlich eine Verfassungsmäßigkeit bemängelt wird und ein Fortgelten eben nicht mehr bestehen würde. Es wurde ja gesagt, eventuell abschaffen, 250 Millionen würden den Kommunen fehlen. Wo sollen die denn herkommen? Aber das ist eine andere Baustelle, die vielleicht auch nicht an der Stelle diskutiert werden müsste.

 

Ich möchte nur noch eins sagen: Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger davor schützen wollen, nicht in ein Klageverfahren gezwungen zu werden – allein schon dieser Wortlaut ist; na ja, egal –, dann hätten Sie doch vielleicht eher auf den § 363 in der Abgabenordnung abgezielt, nämlich die Landesregierung zu bitten, die Verfahren erst einmal ruhend zu stellen, und nicht gleich auf den § 165 Abgabenordnung in der Vorläufigkeit. Welche Probleme damit verbunden sind, hat die Ministerin eingangs ausgeführt. Es gäbe also sicherlich auch noch andere Möglichkeiten, wenn Sie es denn ernst meinen würden und nicht nur zugunsten eines kurzweiligen politischen Punktes – ich sage Wahlkampf dazu – nicht hier eine Initiative starten würden, die sehr fragwürdig wäre. Ich hatte es schon gesagt: Eigentlich müsste man das von der Tagesordnung nehmen. Eigentlich müsste man Ihren Antrag ablehnen. Das ist die einzig logische Konsequenz. Wir werden demzufolge einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen. Vielen Dank.

Dateien