Beschädigung des Ansehens des Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz aus den Reihen der rot-rot-grünen Koalition?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/1891


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Warum hat es mich nicht verwundert, dass die CDU diese Aktuelle Stunde beantragt? Weil der Abgeordnete Fiedler wirklich in den letzten Monaten keine Gelegenheit ausgelassen hat, den Einsatz von V-Leuten zu fordern. Ob es um die Berufung von Stephan Kramer zum Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz ging, um die Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistik, sogar die Verabschiedung des ehemaligen LKA-Präsidenten Werner Jakstat haben Sie dazu missbraucht. Auch die Einrichtung von großen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge haben Sie als Anlass genommen, den Einsatz von V-Leuten zu fordern. Ich habe manchmal den Eindruck, Sie würden auch den Einsatz von V-Leuten fordern, wenn in China ein Sack Reis umfällt.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hat sich nicht geändert!)


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Fiedler, das Problem an der Auseinandersetzung ist, dass Sie daraus eine ideologische Auseinandersetzung machen.


(Unruhe CDU)


Wenn Sie uns vorwerfen, im sicherheitspolitischen Blindflug zu sein, dann werfe ich Ihnen vor, dass Sie im rechtlichen Blindflug sind. Nun bewegen wir uns doch mal tatsächlich auf Grundlage des geltenden Verfassungsschutzgesetzes, was ja Sie und nicht ich im Jahr 2014 hier für Thüringen beschlossen haben. Nach § 4 Abs. 1 beobachtet der Verfassungsschutz Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, er beobachtet auch Bestrebungen und Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes gegen den Gedanken in der Völkerverständigung. Ich will das nicht alles ausführen, aber um diese Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln durchzuführen zu können – dazu gehören ja auch V-Leute –, sind tatsächliche Anhaltspunkte nach Gesetz notwendig, dort heißt es dann weiter: „Zur Prüfung, ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, darf das Amt für Verfassungsschutz aus allgemein zugänglichen Quellen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben.“ Herr Fiedler, das von Ihnen geschaffene Verfassungsschutzgesetz in Thüringen schließt es gerade gesetzlich aus, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, um tatsächliche Anhaltspunkte zu ermitteln oder – wie Sie sagen – allgemeine Informationen aus der Szene zu erhalten. Das ist gesetzlich ausgeschlossen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie eine sachliche Diskussion über den Einsatz von V-Leuten führen wollen, müssen Sie sich auch mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel auseinandersetzen, denn wie wir aus einer gemeinsamen Vergangenheit wissen, handelt es sich bei dem Einsatz von menschlichen Quellen um einen sehr weitreichenden und tiefgehenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, aus deren privaten Leben, aus deren politischen Aktivität, dem Staat alles berichtet wird. Zur Verhältnismäßigkeit gehört auch noch etwas anderes, Herr Fiedler. Ich bitte Sie, darüber wirklich noch mal nachzudenken, ob Sie das ernsthaft hier auch tatsächlich einfordern. Sie wollen – das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen –


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie sollen doch zum Kramer reden, und nicht zum Verfassungsschutz! Zum Thema sollen Sie reden!)


Sicherheit dadurch schaffen, indem Sie denjenigen, die die Sicherheit gefährden, Geld in die Hand geben, damit sie Ihnen verraten, wie und in welcher Form sie die Sicherheit gefährden. Das ist doch absurd, meine Damen und Herren.


(Beifall DIE LINKE)


Herr Fiedler, ich bin jetzt seit mehr als 20 Jahren in der Landespolitik tätig und da müssen wir natürlich auch mal schauen, wie denn die Wirkung dieses Mittels in den vergangenen 20 Jahren war. Ich kann Ihnen sagen, ich kenne keinen einzigen Fall, in dem der Einsatz von V-Leuten tatsächlich Gefahrenabwehr ermöglicht oder wenigstens nur erleichtert hätte.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Gegenteil ist aber der Fall –


(Unruhe CDU)


Sie können ja schreien – das Gegenteil ist der Fall. Die Erfahrungen zeigen ganz deutlich, V-Leute haben den THS in Thüringen aufgebaut, V-Leute haben politische Parteien infiltriert und versucht, auch Abgeordnete Ihrer Fraktion, Herr Primas, zu desavouieren. Und natürlich – da haben Sie recht –, es gibt auch eine politische Dimension der Frage des Einsatzes von V-Leuten, nämlich die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Und meine Antwort darauf ist: Ich möchte in einer geheimdienstfreien Gesellschaft leben.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Unruhe CDU, AfD)


(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Verfassungsschutz, der schützt die Verfassung!)


Nun geht es ja in Ihrer Aktuellen Stunde gar nicht so sehr um die V-Leute, sondern darum, dass Rot-Rot-Grün das Ansehen beschädigt von Herrn Kramer. Herr Fiedler, ich will Ihnen eins sagen: Hätte die Linke oder die PDS in den letzten 20 Jahren jedes Mal eine Aktuelle Stunde beantragt, wenn Sie mit Ihren Presseerklärungen und öffentlichen Darstellungen das Ansehen auch Politiker Ihrer Landesregierung beschädigt haben, wir hätten keine anderen Tagesordnungspunkte mehr für die Aktuelle Stunde gefunden.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will Ihnen auch deutlich sagen, weil Sie darauf verwiesen haben, dass das Anwendungsfehler, Handlungsfehler waren im Zusammenhang mit dem NSU: Wenn es einen innenpolitischen Sprecher einer Regierungsfraktion in den letzten 20 Jahren gegeben hätte, der auch mal einen Amtschef dafür kritisiert, wäre uns in Thüringen einiges erspart geblieben. Das hätte ich von Ihnen erwartet. Aber ich will ausdrücklich sagen, Herr Fiedler,


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist wohl ein Witz!)


Herr Kramer ist da über jeden Verdacht erhaben, dass man ihn da in irgendeiner Form vergleichen kann.



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Dittes, Ihre Redezeit ist zu Ende.



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Aber er äußert sich öffentlich, und auch ein Präsident eines Amts für Verfassungsschutz ist nicht der öffentlichen Meinungsauseinandersetzung entzogen, auch nicht der öffentlichen Kritik, auch nicht dann, wenn er durch Rot-Rot-Grün ins Amt gekommen ist und erst recht nicht durch rot-rot-grüne Abgeordnete. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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