Berufliche Bildung durch mehr Eigenverantwortung stärken – Modellprojekt „Eigenverantwortliche Berufsschule“ starten

Torsten Wolf

Zum Antrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/8915

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch Gäste hier im Hohen Haus und an den zugeschalteten Geräten! Wir reden über ein Thema, was uns, denke ich, allen wichtig ist, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung.

 

(Unruhe CDU)

 

Die Koalition hat ein Schulgesetz eingebracht – Herr Tischner, sein Sie mal ruhig, Sie können danach noch reden oder stellen Sie sich hin und stellen eine Frage, aber ist egal –, mit dem wir die Berufsorientierung stärken, indem wir die Tage in der Praxis explizit mit aufnehmen, also sprich das praxisorientierte Lernen stärken. Seitdem wir das gemacht haben, werden die CDU und jetzt auch mal die FDP wach und sagen, wir müssen irgendwas machen, weil wir auch irgendwie für Fachkräfte sorgen müssen. Alles gut, kann man machen.

 

Es gehört natürlich auch dazu, dass man einen eigenen Vorschlag vorlegt, wie man sich das Ganze vorstellt. Kollegin Baum hat das jetzt eben auch ziemlich treffend gesagt, Sie wollen quasi unsere Berufsschulen zu kleinen Unternehmen machen. Kollegin Baum, wenn Sie sich mal mit dem tatsächlichen Ansatz, der am 21.03. in Nordthüringen vertreten worden ist, beschäftigt hätten – da ist überhaupt nicht die Rede davon, was sie wollen – ich werde dazu nachher noch ausführen –, sondern die Berufsschulen wünschen sich natürlich mehr Aufmerksamkeit, sie wünschen sich mehr Digitalität, sie wünschen sich auch eine Teilselbständigkeit. Aber das, was Sie wollen, Berufsschulen quasi wie Hochschulen zu führen, wünscht sich keine einzige Berufsschule, müssten Sie mir mal sagen. Also Sie sind völlig neben dem, was im Land diskutiert wird, was von den Schulleitungen diskutiert wird und was sicherlich auch gut und richtig ist, um das Berufsbildungssystem weiterzubringen.

 

Ja, es gibt andere Länder, die es anders machen. Schleswig-Holstein hat aber insgesamt eine andere Steuerung. Die steuern nämlich insgesamt über Budgets, kann man machen, wir in Thüringen machen das nicht. Das wäre eine komplette Umstellung. Das kann man aber auch nicht anhand eines, wie Sie es nennen, Projekts machen, sondern nur auf gesetzlicher Basis. Die gesetzliche Basis für Schulversuche ist nach meiner Kenntnis immer noch § 12 des Thüringer Schulgesetzes. Da lesen wir mal: Schulversuche sind zulässig, und zwar ausschließlich, wenn Inhalt und Durchführung geeignet sind, neue Erkenntnisse über die Organisation des Unterrichts und über die Erziehung in den Schulen zu gewährleisten. Das wird auch gemacht, darüber haben wir auch viele Erkenntnisse gesammelt. Das, was Sie wollen, ist eine komplette organisatorische Umstellung und eine Schwerpunktverlagerung an den Berufsschulen.

 

Wie gesagt, alles in Ordnung, Sie positionieren sich hier damit, aber dann gucken Sie doch bitte mal ins Gesetz, denn das fehlt völlig bei Ihnen. Wenn ich ein Thüringer Schulgesetz habe, an das sich auch ein Schulleiter halten muss, und Sie sagen, na ja, dann sollen die Berufsschulen irgendwie die Lehrpläne besser abstimmen – okay. Die Lehrpläne sind in § 43 erfasst, werden durch das Ministerium in Abstimmung mit dem ThILLM festgelegt. Wie stellen Sie sich das denn vor? Denn die Einheitlichkeit des Abschlusses muss doch gewährleistet sein – Brachland. Genauso die Schulnetzplanung. Jetzt kann man über die Berufsschulnetzplanung streiten, aber mir ist nur bekannt, dass es in Südthüringen noch Abstimmungsprobleme in der Region gab. Nordthüringen hat sich geeinigt und hat gesagt, das sind die Schwerpunkte, zusammen mit dem Ministerium, zusammen mit den Schulträgern, die immer noch die Landkreise sind. Bei Ihnen keine Rede davon, dass wir damit die Schulnetzplanung erledigen würden, die Berufsschulnetzplanung. Wie haben Sie sich das denn vorgestellt?

 

Genauso die Schulgremien: Da sagen Sie, das sollten irgendwelche Verwaltungsräte sein. Nein. Wir haben verfasste Institutionen bei uns. Also, wenn ich das richtig sehe – auch da Brachland, mal ganz davon abgesehen, dass wir auch andere Gesetze haben, die wir beachten müssen, das Besoldungsgesetz zum Beispiel, was Funktionsstellen anbetrifft. Da gibt es an den Berufsschulen neben den üblichen Funktionsstellen Abteilungsleiter. Da kann man jetzt – und das sagen auch die Nordthüringer: Na ja, ist die Wahl mit den 200 Schülern dann erst ein Abteilungsleiterposten, ist das richtig? Da kann man diskutieren, ob das richtig gewählt ist. Aber tatsächlich braucht es für Funktionsstellen irgendein Maß. Das kann nicht eine Schulleitung festlegen, genauso wenig, wie eine Schulleitung einfach so einstellen kann, weil das Rechtsverträge sind, die wir übernehmen müssen. Wir müssen die im Übrigen auch in den Haushalt übernehmen. Ich weiß überhaupt nicht, wie das gehen sollen, wenn wir nicht mit Budgets steuern, wie wir das zum Beispiel an den Hochschulen machen. Aber da haben wir eine ganz andere Grundlage.

 

Wenn man jetzt davon ausgeht, wir haben Herausforderungen auch an den berufsbildenden Schulen. Die sind anders gelagert als zum Beispiel an den Regelschulen, aber natürlich sagen auch die berufsbildenden Schulen: Wie ist das denn bei uns mit der Personalversorgung? Also wenn ich jetzt zum Beispiel mal die Schule, wo Sie waren, in Mühlhausen nehme und dort den Schulleiter mal wiedergeben darf. Der hat ausdrücklich zu uns gesagt, als wir dort waren als Arbeitskreis der Fraktion Die Linke, sie sind sehr dankbar dafür, dass in den letzten fünf Jahren ein Drittel aller Kolleginnen und Kollegen, aller Lehrerinnen und Lehrer mit neuen Lehrern, mit jungen Lehrern ersetzt werden konnte. Es sind nicht immer ausgebildete Berufsschullehrer, es sind viele Seiteneinsteiger, die dann in der Nachqualifizierung sind. Aber er hat gesagt: Das klappt, Herr Wolf, ich bin zufrieden.

 

Na klar, kann man da immer noch sagen, es gibt da Luft nach oben. Und da ist das Ministerium und da sind wir ja auch als Ausschuss immer dran, dort bessere Vorschläge zu bringen. Aber zu sagen, weil der Reifen platt ist am Auto, wechsele ich den Motor aus, das leuchtet mir nicht ein. Tut mir leid.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Bergner, Gruppe der FDP: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

 

Tut mir leid, das leuchtet mir nicht ein.

 

Die Kolleginnen und Kollegen in Nordthüringen haben am 21.09. eine Veranstaltung an der Berufsschule in Mühlhausen gemacht, wo sie – und das haben sie auch dem Ministerium vorgetragen – zusammen mit dem Schulamt verschiedene Vorschläge gemacht haben. Da geht es zum Beispiel und schwerpunktmäßig um die Digitalität, ein wichtiges Thema in unseren Schulen, indem Sie eine einheitliche Schulverwaltungssoftware fordern bzw. sich diese wünschen. Die gibt es. Da kann man natürlich sagen, funktioniert die richtig etc. Das können wir uns alles ansehen, aber die gibt es.

 

Sie wünschen sich die Verortung von Systemadministratoren auch an den berufsbildenden Schulen. Ja, das ist eine Aufgabe, der müssen wir uns stellen. Wie begleiten wir das? Wie begleiten wir dort die Schulträger? Weil es ist ihre Aufgabe, aber wie begleiten wir dort die Schulträger, damit Digitalität gut funktioniert? Sie wünschen sich Multiplikatoren für digitalen Unterricht. Ja, darüber können wir reden. Aber das ist vor allen Dingen eine Frage der Fort- und Weiterbildung. Sie wünschen sich die Etablierung eines Thüringer Berufsschulnetzes. Dafür können die Schulträger zusammen mit ihren Berufsschulen nach meiner Kenntnis selber sorgen, können sich dort abstimmen und können – und das ist ja auch passiert – im Berufsschulnetzplan dann dem Ministerium Vorschläge unterbreiten. Und sie wünschen sich – und jetzt wird es interessant – eine Gestaltung der Teilrechtsfähigkeit, aber nicht, wie Sie es sich vorstellen, sondern sie wollen die Möglichkeit haben, Verträge und Kooperationsvereinbarungen zu gestalten und zu schließen, aber eben auch, dass sie das im Rahmen der entsprechenden Gesetze machen.

 

Sie wollen ein Haushaltsbudget des Schulträgers – des Schulträgers! – für die jeweilige berufsbildende Schule – da sind wir völlig raus, da geht es um etwas völlig anderes, das richtet sich sozusagen an den Schulträger – und Handkassen der Schulleitungen für das Haushaltsbudget des Schulträgers. Ja, das können die in der Region selber regeln, wir haben dort auch Schulkonten eingerichtet bzw. die gesetzlichen Grundlagen sind da. Und sie wünschen sich ein Herauslösen des Schulbudgets, unseres Schulbudgets, und die Übertragung in die Modellregion. Das wird derzeit gerade mit dem Ministerium diskutiert, ob das möglich ist, nach meiner Kenntnis. Aber das geht bei Weitem nicht in die Richtung, die Sie fordern.

 

Sie wollen für die Lehrergewinnung eine eigene Kampagne – richtet sich sozusagen an die Lehrergewinnungskampagne für die berufsbildenden Schulen – und die Attraktivität des Lehrerberufs steigern, zum Beispiel durch Schaffung von Funktionsstellen, die noch zusätzlich sind. Ja, das ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber.

 

Präsidentin Pommer:

 

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

 

Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:

 

Ich komme zum Ende. Ich sehe an Ihrem Ansatz nichts, aber wirklich gar nichts, was ich unterstützen kann. Ich sehe in Ihrem Ansatz eine Zerstörung unseres etablierten Systems und ein Abschreiben aus anderen Bundesländern ist, denke ich mir, keine Lösung für Thüringer Probleme und Verhältnisse. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien