Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft des Landes – Unterrichtung des Landtags nach § 31 Abs. 2 der Thüringer Landeshaushaltsordnung (ThürLHO) 1/2

Zur Unterrichtung durch die Finanzministerin – Drucksache 6/515


Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Fiedler, für Ihre Rede, denn die bietet mir Gelegenheit, tatsächlich meine anders zu strukturieren. Ich möchte Ihnen in einem ersten Punkt recht geben. Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, diese neue Landesregierung kann sich natürlich nicht auf ewig darauf zurückziehen, dass sie erst 6 Monate im Amt ist und die Verantwortung für all das, was hier geschieht, in der Vorgängerregierung liegt. Da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht, auch wenn ich anmerken muss, dass Sie mit dem Verweis auf die letzten 40 Jahre 24 Jahre Regierungsverantwortung betrieben haben. Aber, Sie machen deutlich auch in Ihrem Redebeitrag, dass der Verweis auf die Vorgängerregierung hier durchaus richtig und auch wichtig ist, denn so oft, wie Sie hier gefordert haben, dass in dem Bereich etwas nachzubessern ist, in dem Bereich wäre etwas nachzubessern und in dem Bereich wäre etwas zu korrigieren, machen Sie sehr deutlich, dass sehr viele Hausaufgaben übriggeblieben sind, die Ihre Landesregierung in Thüringen hat nicht erfüllen können oder auch wollen.


(Beifall DIE LINKE)


Ich habe heute früh gelernt in der Beratung, dass Sie sich selbst in diesem Haus auch nicht als Opposition verstehen, sondern als Regierung im Wartestand.


(Beifall CDU)


Nun habe ich nicht ganz verstanden, was Sie damit eigentlich zum Ausdruck bringen wollen,


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir wollen ans Ruder!)


und habe noch mal im Internet nachgeguckt, was das eigentlich bedeutet, dieser „Wartestand“. Ich habe zumindest gefunden, dass Wartestand eine Folge einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes ist.


(Beifall DIE LINKE)


Das konnte ich dann natürlich auch sehr viel besser verstehen, als ich mich erinnert habe an die Haushalts- und Finanzausschusssitzung, in der wir den Einzelplan 03 beraten haben. Da hat nämlich der ehemalige Innenminister so viele dezidierte Fragen zum Haushalt des Ministeriums gestellt, das er selbst mehrere Jahre geleitet hat, wo ich sage, ja, jetzt erklärt sich einiges, worin offensichtlich diese Störung in der Wahrnehmung des Dienstes lag, denn offensichtlich sind viele Abläufe aus dem Ministerium und im Haushalt nicht bekannt gewesen. Und im Prinzip war es auch die Unkenntnis darüber, welche Konzepte möglicherweise von der alten Landesregierung in jenem oder einem anderen Bereich hätten vorgelegt werden sollen. Ich werde im Einzelnen auch noch mal darauf zurückkommen.


Wenn ich diese nachhaltige Störung hier angesprochen habe, dann will ich zumindest auch darauf verweisen, dass die bei Ihnen auch noch andauert, denn ich habe Ihre Änderungsanträge zum Einzelplan 03 wirklich erst vor 2 Minuten erhalten. Es fällt mir dadurch natürlich auch etwas schwerer, dezidiert Stellung zu nehmen. Ich werde es an einzelnen Stellen aber dennoch versuchen.


Herr Fiedler, Sie haben ein Schreckgespenst an die Wand gemalt – aber das war auch nicht anders zu erwarten –, dass die innere Sicherheit ausgehöhlt wird. Sie haben ein Beispiel benannt, nämlich die Kürzung bei der Bewachung von Gebäuden des Innenministeriums oder des Landeskriminalamts. Das ist nun wirklich auch Blödsinn. Ich will Ihnen das nur sagen, denn Sie haben es tatsächlich richtig begründet: Diese Kostensenkung im Haushalt kann deshalb dargestellt werden, weil diese Landesregierung darauf verzichtet, auf private Sicherheitsunternehmen zurückzugreifen, sondern im Interesse einer wirklich effektiven Personalbewirtschaftung die Beamten der Thüringer Polizei dort zum Einsatz bringt, die durch ihren gesundheitlichen Zustand nur noch eingeschränkt dienstfähig sind. Das ist doch wirklich auch ein verantwortungsvoller Umgang mit den Bediensteten im Freistaat Thüringen. Das führt darüber hinaus auch zu Kostenersparnissen, die offensichtlich Ihre alte Landesregierung noch als Ausgaben geplant hat.


Natürlich muss man in dem Bereich, wenn man über Bedienstete und Stellensituation redet, auch noch mal darüber sprechen, was wir eigentlich vorgefunden haben und wo die tatsächlichen Hausaufgaben für diese Landesregierung im Bereich der öffentlichen Sicherheit tatsächlich liegen. Der Einzelplan 03 des Innenministeriums stellt 62 Prozent der Ausgaben allein für den Bereich der Polizei dar und 68 Prozent der im Haushalt im Einzelplan 03 ausgewiesenen Stellen fallen auf den Polizeivollzug. Da wird, glaube ich, die Dimension deutlich, über die wir hier reden müssen. Wir haben – und darauf verweisen Sie ja an vielen Stellen auf der einen Seite – eine Polizeistrukturreform in Thüringen gehabt, die auch natürlich Dienstposten bewertet und dargestellt hat. Aber wir haben gleichzeitig einen Stellenabbaupfad Ihrer alten Landesregierung auf dem Tisch liegen, was für den Bereich des Innenministeriums noch einen abzubauenden Stellenanteil von 1.737 Stellen darstellt. Jetzt sage ich mal deutlich, wenn Sie insgesamt 6.338 Polizeibedienstete haben, und da 68 Prozent der Bediensteten im Innenministerium haben, aber das beides in der Vergangenheit mal nicht zusammengebracht haben, nämlich Polizeistrukturreform, nämlich tatsächliche Personalentwicklung in diesem Bereich, aber sich hier vorn einerseits hinstellen als innenpolitischer Sprecher für die Bediensteten der Polizei einzutreten, mehr Stellen zu fordern. Und als haushaltspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion wird kritisiert, wenn man allein nur in dieser Landesregierung auf die Idee kommt, mal das Stellenabbaukonzept der alten Landesregierung auszusetzen, zu überprüfen und dann eben zu evaluieren und zu novellieren. Das hat sich diese Landesregierung vorgenommen, weil Sie genau diese Differenz, die Sie immer darstellen, in der Polizeistruktur einerseits und im Stellenabbaupfad andererseits nicht lösen wollten, sondern ausgesessen haben – komme, was da wolle. Wir versuchen jetzt, hier ein Stückweit Licht ins Dunkel zu bringen, und natürlich auch konzeptionell voranzugehen.


Wenn ich gesagt habe, dass es natürlich nicht ausreicht, hier immer Sonntagsreden zu halten, dann will ich doch durchaus auch noch mal auf den Toilettenwagen zu sprechen kommen, der keinesfalls dazu bestimmt ist, dass Frau König oder ich auf Toilette gehen.


(Unruhe CDU)


Aber, es gibt Situationen im Leben, Herr Fiedler, da gibt es zwischen Menschen keine Unterschiede, und der Toilettenwagen stellt eine solche Situation – denke ich – dar. Aber ich will Ihnen auch deutlich sagen, Sie stellen sich hier seit vielen Jahren immer hin als der Verbündete der Thüringer Polizei – seit acht Jahren wird dieser Toilettenwagen gefordert. Sie haben das nicht vermocht, den tatsächlich auch im Haushalt darzustellen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sage ich Ihnen auch ganz ehrlich, Schaufensterreden in Richtung Polizei helfen den Bediensteten der Thüringer Polizei nicht. Wichtig ist und richtig ist, was hinten rauskommt, und dafür haben wir gesorgt. Der Toilettenwagen wird angeschafft.


(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)


Das ist durchaus auch ein richtiges Signal, was wir der Thüringer Polizei setzen wollen. Natürlich wollen wir auch mit den Bediensteten bei der Polizei über ihre Amtsausübung diskutieren. Wir wollen, dass sie angemessen und verhältnismäßig ist und wir wollen dort in den kritischen Dialog treten, wenn wir der Auffassung sind, dass da vielleicht – wie am 1. Mai in Saalfeld – Fehler geschehen sind. Aber umgekehrt dürfen die Bediensteten natürlich auch von der Landesregierung und vom Landtag erwarten dürfen, dass wir die Voraussetzungen auch für eine angemessene und verhältnismäßige Dienstausübung schaffen, und dass ist sicherlich ein Teil, der auch dazu mit beiträgt. Das ist ein sehr kleiner Teil, aber er trägt in jedem Fall auch dazu bei, eine gemeinsame Basis herzustellen.


Herr Fiedler, Sie haben an einigen Stellen auf Vorhaben der Landesregierung sehr kritisch hingewiesen. Ich sage Ihnen, auch fünf Jahre oder viereinhalb Jahre nach der Selbstenttarnung des neonazistischen Terrornetzwerks NSU ist es eigentlich nicht angebracht, sich in Thüringen hinzustellen und zu sagen, wir sind es über, jeden Tag darüber zu reden.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist richtig, wir müssen über das Reden auch zum Handeln kommen und die Konsequenzen ziehen. Das hat der NSU-Untersuchungsausschuss mit seinem Abschlussbericht getan. Aber wir müssen dann auch den nächsten Schritt gehen, wir müssen diese Konsequenzen, die wir gezogen haben, auch tatsächlich zur Anwendung bringen und umsetzen. Das tun wir eben auch damit, dass wir die polizeiliche Ausbildung evaluieren und dort nachsteuern, um die Erkenntnisse, die wir gerade aus dieser mehrjährigen Arbeit im Untersuchungsausschuss gezogen haben, tatsächlich dort auch mit einfließen zu lassen. Ich denke, das ist eine richtige Investition, eine gute Investition in die Zukunft. Wir ziehen Konsequenzen und reden nicht nur, sondern wir handeln.


Wir handeln auch an einer anderen Stelle, Herr Fiedler, und da geht es gar nicht um Misstrauen oder um eine De-facto-Abschaffung. Da sind wir auch kein Einzelfall als rot-rot-grüne Landesregierung. Sie haben es angesprochen: Wir stellen Gelder in diesen Landeshaushalt ein, um die Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der Speicherung von personenbezogenen Daten zu überprüfen.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da geht es schon mal los mit Ihrer Doppelzüngigkeit, gerade!)


Ja, natürlich. Ich habe beide Sachverhalte dargestellt. Wenn ich von Anfang an davon ausgehen würde, dass alles rechtswidrig ist, müsste ich nichts prüfen, ich müsste aber auch nichts prüfen, wenn nicht alle unterstellen würden, dass alle Speicherungen und auch dauerhafte Speicherung rechtskonform wäre. Das Bundesland Niedersachsen hat eine solche Überprüfung vorgenommen und kommt zu dem Ergebnis, dass 30 Prozent der personenbezogenen Daten, die beim Landesamt dort gespeichert sind, entweder rechtswidrig erhoben oder noch rechtwidrig gespeichert sind, also rechtswidrig nicht gelöscht worden sind. Ich glaube, eine solche Überprüfung dient nicht nur dazu, tatsächlich rechtswidriges Handeln aufzudecken, wenn es denn vorhanden ist, es dient auch dazu, ein Stück weit nach außen darzustellen, dass wir es ernst meinen mit der Aufklärung auch um die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden in Thüringen. Wenn sich am Ende bestätigen wird, Herr Fiedler, was Sie hier darstellen, dass es dort kein rechtswidriges Handeln gab, dann werde ich mich auch hier vorn hinstellen und werde das entsprechend darstellen und auch auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse/Überprüfungsergebnisse prüfen. Wichtig ist nur, dass die Betroffenen jederzeit tatsächlich in der Lage sind, über ihre Daten dann informiert zu werden, wenn diese tatsächlich rechtswidrig erhoben und rechtswidrig andauernd gespeichert wurden.


(Beifall DIE LINKE)


Wir stellen natürlich auch nicht nur für diese Bereiche, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Geld in diesen Haushalt ein, sondern auch für andere Bereiche, weil wir glauben, dass damit natürlich auch Transparenz, Bürgernähe gestärkt werden kann. Gerade im Zusammenspiel mit den Polizeibediensteten, nämlich für die konzeptionelle Erarbeitung oder konzeptionelle Vorbereitung einer Polizeivertrauensstelle oder Polizeiombudsstelle, weil nicht nur Menschen die Möglichkeit haben sollen, jenseits des Verwaltungsgerichtsverfahrens, jenseits der Strafanzeige sich über polizeiliches Verhalten zu beschweren und das aufzuklären, sondern auch Polizeibedienstete die Möglichkeit haben müssen, sich möglicherweise über Abläufe zu beschweren, die zur Klärung beizubringen. Da ist dieser Polizeiapparat, wie wir ihn derzeit vorfinden – und wir kennen in allen Fraktionen die Vielzahl anonymer Schreiben von Polizeibeamten – durchaus einer, wo es sich lohnt, auch darüber nachzudenken, wie mehr Vertrauen wieder in diese Arbeit, auch der Beamten untereinander, mitentwickelt werden kann. Wir glauben, das ist ein Weg dazu, aber eben in dem Fall auch nur ein Weg.


Verfassungsschutz will ich ganz kurz ansprechen. Sie haben jetzt mitbekommen, dass wir tatsächlich mehr machen, als nur V-Leute abzuschaffen. Das haben wir im Haushalt auch haushalterisch untersetzt. Ich denke, das ist ein richtiger Schritt, den wir da gehen. Wir werden natürlich auch darstellen, dass damit nicht der Verlust von Sicherheit verbunden ist, sondern ein Zugewinn an Demokratie und Transparenz, ohne dabei tatsächlich Sicherheit zu verlieren.


(Beifall DIE LINKE)


Meine Damen und Herren, ich würde gern noch einige Sachen zum Digitalfunk sagen. Sie haben da einen Antrag eingebracht. Da sage ich nur: Wie konzeptionslos ist tatsächlich in diesem Bereich Ihr Vorgehen? Erst versuchen Sie, uns weiszumachen, dass Sie da konzeptionell die letzten Jahre etwas getan haben, aber nichts ist passiert. Dann fordern Sie die Landesregierung auf, innerhalb von sechs Monaten das zu machen, was Sie fünf Jahre nicht gemacht haben. Dann sagen Sie im Innenausschuss, dass es gut ist, dass das Innenministerium an einem Konzept zur Umsetzung arbeitet, und jetzt bringen Sie einen Haushaltsantrag ein, wo das schon untersetzt ist. Was wollen Sie denn eigentlich? Wenn Sie den Innenminister und die Landesregierung in diesem wichtigen Bereich unterstützen wollen, dann begleiten Sie diesen Prozess kritisch,


(Beifall SPD)


aber beenden Sie endlich Ihr konzeptionsloses Agieren in diesem Bereich. Dafür möchte ich Sie einladen, sich hier weiter zu beteiligen. An dieser Stelle herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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