Begabtenförderung an Thüringer Spezialgymnasien attraktiv, zukunftsorientiert und sozial verantwortlich gestalten

Zum Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/1405


Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt zur Mittagszeit diskutieren wir einen Antrag der CDU-Fraktion.


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das sagt ein Gewerkschafter, der keine Mittagspause macht!)


Es ist schon viel dazu gesagt worden. – Ach, Herr Emde, seien Sie ruhig! – Ich bin jetzt, denke ich, der letzte Redner.


Ja, Herr Bühl, wir sind ein Land der Talente, aber nein, Herr Bühl, es geht hier nicht um Elitenförderung, es geht um Begabtenförderung.


(Beifall DIE LINKE)


Das ist ein großer Unterschied.


(Unruhe CDU)


Frau Astrid Rothe-Beinlich hat es noch mal ausgeführt: Es macht uns stark, dass wir diese Schulen haben. Aber es macht uns eben auch stark, dass es dort keine Trennung gibt, dass wir jedem Kind, das die Befähigung mitbringt, dort auch den Zugang zu dieser Bildungseinrichtung ermöglichen.


(Beifall DIE LINKE)


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Den Zugang zu Bildung ermöglichen!)


Ich sage es hier auch schon von vornherein ganz klar: Es geht nicht darum, dass Bildung etwas kostet. Es geht darum, dass Unterbringung und die Bedingungen dort etwas kosten. Das war schon immer so. Jetzt geht es darum, es anzupassen und darüber kann man sich unterhalten – und ich finde, dass manche Elternkritik dort auch auf richtige Punkte hinweist. Frau Rothe-Beinlich hat es ja schon gesagt, wir werden uns das sicherlich auch noch mal ansehen. Sie haben sich das ja auch angesehen. Aber es geht hier nicht darum, Kinder über diese Schulform von dieser Bildungseinrichtung fernzuhalten.


Ich sage das auch mal so weit: Herr Tischner, Sie haben hier Kosten dargestellt überwiegend für Trainingslager oder auch für sonstige Reisen, Kosten für Ausrüstung etc., da frage ich mich: Diese Kosten gab es schon immer. Das ist inkludiert zu dieser spezifischen Form. Wir bekennen uns natürlich ausdrücklich und wir haben da auch eine hohe – also gerade das Land Thüringen hat sich auch unter Ihrer Führung, unter CDU-geführter Landesregierung ausdrücklich dazu bekannt, also zu den Gymnasien und zu den Kosten dort. Jetzt müssen wir eben auch – und dazu sage ich auch noch was – eine Kostenanpassung vornehmen.


Ich sage mal, Herr Tischner, heute Morgen haben wir uns ja beim Frühstück gesehen. Wir hatten offensichtlich – weil Sie mich persönlich vorhin noch mal angesprochen haben –auch ein vergleichbares Frühstück. Aber wahrscheinlich habe ich es auch irgendwie besser verdaut. Ich musste jetzt zumindest nicht noch mal irgendwelche Floskeln herausholen und persönlich werden. Sie können ja offensichtlich nicht mit Kritik umgehen, wenn sie geäußert wird, auch von der Frau Ministerin, was die Zusammenarbeit anbetrifft. Ja, wir haben uns im Ausschuss darüber schon verständigt und wir werden es sicherlich hier auch noch in der Diskussion, auch auf den Fluren oder insgesamt weitertragen, denn es ist ein wichtiges Thema.


Lassen Sie mich aber kurz zur Bedeutung dieser Frage für die Thüringer Bildungspolitik etwas sagen. Wir alle wissen, dass die Kinder und Jugendlichen an diesen Gymnasien viel leisten und leisten müssen. Dass diese Gymnasien aber auch für viele von ihnen zu hervorragenden Sprungbrettern in ein Leben werden, indem sie ihre Fähigkeiten und Begabungen zu ihrem Besten und zum Besten der Gesellschaft entwickeln und zur Geltung bringen können. Für uns als Land Thüringen sind die Spezialgymnasien ein wichtiger, ein unverzichtbarer Bestandteil der Bildungslandschaft, der jungen Menschen für ihre individuelle Entwicklung einen Raum gibt, die sie andernorts so nicht finden würden. Herr Tischner, Sie haben ja darauf hingewiesen, dass viele Gastschüler auch an unseren Spezialgymnasien sind. Das ist auch gut so. Dabei ist uns wichtig, dass jedes Mädchen und jeder Junge, der oder die über die entsprechenden Voraussetzungen und Interessen verfügt, diese Schulen besuchen kann. Es ist ein wichtiges zusätzliches Element der Bildungspolitik dieser Koalition. Daran werden wir auch bei den personellen und sächlichen Ausstattungen der Spezialgymnasien keine Abstriche machen.


Die Arbeit dieser Schulen hat nicht nur eine spezifisch-pädagogische Seite, sondern auch eine materielle. Zu dieser gehört nicht nur die Anstellung der Pädagogen und Pädagoginnen und die Unterhaltung der Gebäude, sondern auch das Betreiben dieser Internate und die essensmäßige Versorgung der Schülerinnen und Schüler.


Die dafür notwendigen Gebührensätze werden nach Haushaltsbeschluss den Kostenentwicklungen nun angepasst. Herr Tischner hat das ja vorhin auch so gesagt, wir Linke oder ich persönlich hätten wohl kein Herz für diese Gymnasien oder insgesamt für Gymnasien. Ich sage mal, aus meinem persönlichen Umfeld, Freunde von mir, sie, Leitende Oberärztin in Jena, er, niedergelassener Arzt, das mittlere Kind hat sich selbst Schnepfental ausgesucht. Für diese Familie ist es, denke ich, kein Problem, die Kostenanpassung mitzugehen. Aber es gibt Familien, für die ist es ein Problem, und das müssen wir uns genau ansehen. Ich sagte es hier auch schon, ich bin Ministerin Klaubert dankbar, dass sie ihre Bereitschaft signalisiert hat, dort mit uns noch mal ins Gespräch zu kommen, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen, um das auch in den Blick zu nehmen.


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, seit dem Jahr 2008 wurde die Höhe der Gebühren für Internat und Verpflegung an den Spezialschulen, Spezialgymnasien in Landesträgerschaft nicht mehr geändert. Das dies so war, lag auch an einer langen Reihe von Baumaßnahmen, die in dieser Zeit an den Schulen realisiert wurden und die die Wohnqualität in den Internaten beeinträchtigten. Diese Zeit ist nun vorbei. Die Wohnqualität hat sich deutlich verbessert. Wir alle wissen auch, dass es in dieser Zeit seit 2008 eine Kostenentwicklung gegeben hat und dass die Nichtanhebung der Gebühren, auch wenn das Land weiterhin seine Spezialgymnasien stark unterstützt, nicht endlos weitergehen kann.



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Wolf, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Schulze?



Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Können wir das bitte am Ende machen? Danke schön.


Hier hat, sehr geehrter Herr Tischner, die CDU als Partei zumindest beim Anspruch auf langfristige Haushaltsführung wohl etwas Nachhilfe nötig. Denn auch die Fraktion der CDU sollte wissen, dass das Thüringer Verwaltungskostengesetz an allen Thüringer Ministerin alle drei Jahre eine Überprüfung der Gebührenordnungen auf Kostendeckung vorschreibt. Ebenso weiß die CDU hoffentlich auch noch, dass die in den letzten Jahren gestiegenen Unterhaltungskosten, Lohnkosten und Beschaffungskosten sowohl bei den Internaten als auch bei den Küchen, bei den Essenanbietern eine Neufeststellung der Gebühren notwendig macht. Dass es überhaupt nach so vielen Jahren eine Gebührenerhöhung geben muss, wird im Übrigen von den allermeisten Eltern kaum bestritten.


Die Kritik richtet sich allerdings gegen den Umfang der Erhöhung, vor allen Dingen werden unverhältnismäßige Belastungen für bestimmte Gruppen in der Elternschaft befürchtet, etwa für die Einkommensgruppen, die knapp über der Berechnungsgrenze für Sozialleistungen liegen, für alleinerziehende Mütter und Väter, Kollegin Rothe-Beinlich hat es schon ausgeführt, und für geringverdienende Eltern an solchen Schulen, wo auf die Elternhäuser auch erhebliche Beiträge für die schulmäßige Ausrüstung ihrer Kinder, für Sportgeräte, spezielle Bekleidung und ähnliche Bedarfe zukommen. Diese Besorgnisse, meine sehr geehrten Damen und Herren, nimmt unsere Fraktion Die Linke, meine Fraktion, und nehmen auch die Koalitionsfraktionen ausdrücklich sehr ernst. Wir haben deswegen bereits mit der Ministerin gesprochen. Wir werden uns gemeinsam, denke ich, noch einmal die Verwaltungsvorschrift ansehen und eventuell zu einer Veränderung auch in Absprache mit den Eltern kommen.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Eventuell!)


Natürlich eventuell, man muss ja das Gespräch auch mit den Eltern finden und auch praktikable Vorschläge im entsprechenden Haushaltsrahmen umsetzen können.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das muss selbstverständlich sein!)


Aber das ist Exekutivhandeln. Wir können da als Abgeordnete, darauf ist auch schon von Kollegin Rosin hingewiesen worden, als Landtag, als Landtagsabgeordnete auch nur das Gespräch suchen und da auch unsere Meinung äußern.


Hier steht jetzt die Aufgabe, auf die ich nun zu sprechen kommen will, nämlich zu erreichen, dass eine soziale Staffelung und Ermäßigungsregelungen geschaffen werden, welche die Belastung sozial gerecht verteilt, sodass tatsächlich kein Kind aus finanziellen Gründen gehindert wird, eine Spezialschule zu besuchen. Ich kann bereits sagen, dass mir Einzelfälle bekannt geworden sind, die die Notwendigkeit dieser Überprüfung aufzeigen. Wir werden uns gemeinsam mit dem Ministerium dieser Aufgabe stellen, sodass die neuen Gebühren mit Beginn des nächsten Schuljahres in Kraft treten, ohne dabei den sozialen Anspruch der Thüringer Bildungspolitik zu beschädigen. Dies ist unser Ziel und darauf können sich die Eltern und Kinder verlassen.


Nun zu Ihrem Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren der CDU.


Zu Punkt I: Der Bericht zur Situation und zur Entwicklung der Spezialgymnasien wurde umfänglich gegeben – hier meinen ausdrücklichen Dank auch an Frau Ministerin Dr. Klaubert.


Zu Punkt II: Sie beantragen die Ablehnung einer Kommunalisierung der Thüringer Spezialgymnasien. Ich denke, dazu hat Frau Rothe-Beinlich schon ausführlich darauf hingewiesen, was konsistentes Denken und Handeln der CDU-Fraktion in Regierungsverantwortung oder dann in Opposition ist.


Zu Punkt III: Sie wollen eine Welle von Gesprächen über das Ziel einer Neuorientierung der Spezialgymnasien in Gang setzen. Das lehnen wir ab. Alle fünf Schulen arbeiten inhaltlich erfolgreich, sie sind ungeachtet kleinerer Probleme, die es hier und dort immer gibt, auf dem richtigen Weg. Jetzt eine solche breite Debatte zu entfachen, würde große Unruhe und Verunsicherung hervorrufen und ist absolut unnötig. Wir haben eine funktionierende Mitbestimmungsstruktur an den Schulen, wie auch die Aktionsfähigkeit der Elternschaft in der Gebührenfrage zeigt. Im Schulprofil wird an allen fünf Schulen gemeinsam mit Partnern laufend gearbeitet. Diese selbstständigen, örtlich verankerten Prozesse zu unterbrechen und einen neuen, erweiterten, ergebnisoffenen Diskussionsprozess vom Zaun zu brechen, der alles in Frage stellt, wäre äußerst unklug und kontraproduktiv.


Zu Punkt IV: Die Gebührenerhöhung sozial verantwortlich zu gestalten, ist eine berechtigte Forderung. Ganz auf sie zu verzichten, wie Sie beantragen, ist überzogen. Wenn Sie das gewollt hätten – Entschuldigen Sie hier auch noch einmal diesen Hinweis, aber so ist das nun mal jetzt, das werden Sie sich geduldig anhören müssen, wir mussten ja auch geduldig ertragen, dass Sie eben nichts, und zwar gar nichts an Änderungsvorschlägen in der Haushaltsdebatte eingebracht haben. Das gehört eben auch zum Teil der Wahrheit, der hier auch mal den Eltern und den Kindern gesagt werden muss. Wenn gesagt wird, es war ja in der Haushaltsdebatte bekannt, dann muss natürlich auch gesagt werden, ja, aber wir hatten eben nichts, und zwar gar nichts zur Gestaltung und zur Entwicklung des Landes Thüringen und speziell eben auch der Spezialgymnasien beizutragen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage zusammenfassend noch einmal ausdrücklich, eine Gebührenerhöhung im Bereich der Spezialgymnasien ergibt sich notwendig aus den Grundsätzen der Verwaltung, wie ich sie dargelegt habe. Aber ich sage auch genauso ausdrücklich, es führt kein Weg – für uns zumindest – vorbei an einer Regelung, die sichert, dass jedes Kind die Schule besuchen kann, für die es Interesse und persönliche Eignung mitbringt, ungeachtet der finanziellen Verhältnisse der Eltern. Das werden wir umsetzen. Da es seitens des Landtags keine Regelungskompetenz gibt,


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


wohl aber Regelungsbedarf, kann dem Antrag der CDU – zu dem der Rechtspopulisten will ich hier nichts weiter sagen – nicht zugestimmt werden.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Schade!)


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Wolf, Sie hatten eine Anfrage der Abgeordneten Schulze gestattet. Bitte.



Abgeordnete Schulze, CDU:


Vielen Dank. Herr Wolf, Sie haben begründet, dass diese Erhöhung der Gebühren auch auf die erhöhten Lebensmittelausgaben zurückzuführen ist. Im Haushalt 2015 und 2016/2017 sind für die Spezialgymnasien je die gleichen Haushaltsansätze gewählt worden. Im Vergleich zum Ansatz 2015, ich nehme jetzt mal das Sportgymnasium Oberhof, sind im Haushaltsansatz 240.000 Euro für diese Lebensmittel gewesen und in der Ist-Ausgabe 2014 waren es knapp 230.000 Euro. Dieses Prozedere zieht sich fort für das Spezialgymnasium in Jena.



Vizepräsidentin Jung:


Ich würde Sie bitten eine Frage zu stellen.



Abgeordnete Schulze, CDU:


Wie begründen Sie die Gebührenerhöhungen gerade im Bereich Lebensmittel? Wenn Sie den Part jetzt rausnehmen würden, müssten es ja geringere Gebühren sein. Es hat sich nicht bestätigt, dass die Lebensmittelkosten in dem Bereich erhöht worden sind.



Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Vielen Dank für die Anfrage, sehr geehrte Kollegin. Punkt 1: Ich gehe davon aus – ich bin nicht Teil der Executive,


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wären Sie aber gern!)


sondern der Legislative wie Sie auch –, dass das Ministerium auch nach Verbraucherpreisindexen gerechnet hat, und zwar – das ist der Punkt zwei, habe ich noch Ihre Aufmerksamkeit, danke –


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Gern!)


auch, was die Steigerung – Sie haben sich jetzt explizit auf die Zahlen von 2015, 2016, 2017 bezogen – der letzten acht Jahre anbetrifft. Es geht erst mal darum, dass wir in den Blick nehmen müssen, dass wir Kostensteigerungen hatten.


(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: wenn Sie es wissen, sagen Sie es doch gleich!)


Da sind jetzt Ansätze gefunden worden, um diese Kostensteigerungen aufzunehmen. Ich habe auch aufgeführt – das ist eigentlich eine Daueraufgabe –, dass wir das jetzt machen müssen, dass Frau Dr. Klaubert das jetzt machen muss; das haben wir uns nicht ausgewählt, das haben wir so übernommen und das gehört dann auch zum normalen Verwaltungs- und normalen Exekutivhandeln dazu, dass man sich dieser Aufgabe stellt, der sich die CDU nicht gestellt hat, und dort auch die entsprechenden Kostenansätze anpasst. Was die einzelnen Aufgaben anbetrifft, das können Sie sicherlich mit Frau Klaubert besser klären. Danke.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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