Auswirkungen von Finanzproblemen bei einem privaten Anbieter im Schienenpersonennahverkehr in Thüringen – Herausforderungen und Perspektiven

Dr. Gudrun Lukin

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 7/3618

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben es schon gehört, Frau Tasch hat es erwähnt, dass wir im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten einen Sachstandsbericht zu dem Thema gehört haben. Und wenn wir uns damit auseinandersetzen wollen, müssen wir eigentlich noch ein bisschen früher anfangen. Wer Finanzprobleme bei Schienenverkehrsunternehmen beklagt, der kommt um eine Betrachtung der Gesamtsituation bei der Förderung SPNV/ÖPNV – wie von den Vorrednern dargelegt – nicht herum. Wir alle wissen, das Land bestellt den Nahverkehr. Das ist Ländersache, aber der Bund finanziert es durch die Regionalisierungsmittel. Wenn wir uns die Situation einmal ansehen: Seit 1996 – wir kommen in die Zeit, wo die Verkehrsverträge dann 2011 ausgeschrieben wurden – wurden die Regionalisierungsmittel nur um 13 Prozent gesteigert, die Fahrleistungen aber um 38 Prozent. Das heißt, es stehen immer relativ weniger Mittel zur Verfügung, als die Länder in Nahverkehrsleistungen gern umsetzen möchten. Abellio hat die Ausschreibung gewonnen und hat ab Dezember 2012 bzw. dann 2018 die Verträge übernommen. Es gab damals schon im Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr eine Diskussion zu diesem Thema, weil sowohl die GDL als auch die EVG Briefe an die Landtagsabgeordneten geschrieben und auf die Problemsituation der Wettbewerbsbedingungen aufmerksam gemacht haben. Der Wettbewerb ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine einheitlichen Sozialstandards gibt. Betriebsübergänge sind nicht immer geregelt gewesen. Natürlich hat auch Abellio diesen Wettbewerb gewonnen, einmal durch höheren Komfort, der gefordert und angeboten wurde, zum anderen aber auch durch das wirtschaftlichste Angebot. Herr Bergner hat es schon erwähnt.

 

Wir haben uns mit dem Thema beschäftigt, auch mit der Frage, die noch hinter solchen Wettbewerbsideen steht: 15 Jahre Laufzeit, Fahrzeuge allein halten 30 Jahre. Es gibt keinen Pool für Gebrauchtfahrzeuge. Abellio hat ein eigenes Werk in Sangerhausen gebaut. Es gab auch keine extra Finanzierung für bestimmte Neuanschaffungen von Verkehrsmitteln, sondern diese ist im Vertrag pro gefahrenem Zugkilometer schon enthalten. Zwar sind die Regionalisierungsmittel für Thüringen ab 2016 gesteigert worden, aber die Gesamtsituation hat sich nicht viel verbessert, sie reichen nicht. Wenn wir uns die Situation ansehen – es wurde schon vielfach erwähnt –, so ist natürlich die Situation der Infrastruktur auch maßgebend für die Verkehrsunternehmen, die sie nutzen. Die baubedingten zusätzlichen Kosten werden schon in verschiedenen Verhandlungen mitberücksichtigt. Es werden Überlegungen, Gutachten angefertigt zu den Bedingungen, die die Verkehrsunternehmen und speziell auch Abellio vorfinden. Auf Staatssekretärsebene laufen Verhandlungen über diese Situation.

 

In der Begründung der vorliegenden Aktuellen Stunde wurde angesprochen, dass Corona eine Ursache sein könnte für diese Vorkommnisse, die Abellio und die niederländische Regierung dazu bewogen haben, sich an die Bundesländer und die Aufgabenträger zu wenden. Hier kann man eigentlich sagen, dass das nicht die Ursache sein kann, denn die entsprechenden Fahrgastverluste wurden durch Bund und Land ausgeglichen. Es ist mehr das generelle Problem, dass hier eine Situation eingetreten ist, die berücksichtigt wird und die auch in den gemeinsamen Verhandlungen Gegenstand ist. Die von Abellio angesprochenen Probleme wie ein schlechter Zustand der Infrastruktur, Bauzeiten der DB, Wetterverhältnisse und Arbeitskräftemangel betreffen alle Verkehrsunternehmen. Ich denke, wir sollten hier darauf drängen, dass dieses Unternehmen nicht zulasten der Fahrgäste bzw. auch der Mitarbeiter hier aus den Verkehrsverträgen aussteigt, sondern dass entweder ein geordneter Übergang oder eine gemeinsame Lösung der Bundesländer dort gegeben ist. Hier ist die Landesregierung in ständiger Absprache, in ständiger Verhandlung. Wir können einfach auch darauf orientieren, dass wir als Abgeordnete ständig über den Fortgang der Verhandlungen informiert werden. Ich denke, wir sollten sie jetzt abwarten und uns gemeinsam mit der Landesregierung und den anderen Bundesländern dafür einsetzen, wie es hier von vielen Vorrednern schon angesprochen wurde, dass keine Verluste entstehen und keine Konflikte auf dem Rücken der Fahrgäste oder der geplanten Verkehrswende ausgetragen werden. Danke.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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