Auswirkungen des geänderten Infektionsschutzgesetzes auf Thüringen – wirkungsvoll, verlässlich, rechtssicher?

Ralf Plötner

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 7/3120

 

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, leider ist es eben nicht so einfach, was den Außenbereich angeht. Herr Höcke, leider haben ja zahlreiche Demonstrantinnen und Demonstranten dafür gesorgt, dass Infektionen gestiegen sind, weil sie sich zwar im öffentlichen Raum und im Freien aufgehalten, aber nicht an Infektionsschutzregeln gehalten haben. Und so einfach ist es dann eben nicht.

Zum Herrn Kollegen Kemmerich: Die Bundesgartenschau wird ja unter hohen Auflagen unter freiem Himmel begehbar sein.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das ist auch gut so! Aber Kinder dürfen nicht raus zum Fußball spielen! Auf die BUGA darf ich gehen, aber mein Sohn darf nicht Fußball spielen! – Lesen Sie das Aufgeschriebene vor!)

 

Der Unterschied zu den Schulen und Klassenräumen ist eben der Innenraum, wo Infektionen einfach viel häufiger und intensiver stattfinden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bundeseinheitliche Regelungen waren ständige Forderungen auch der rot-rot-grünen Landesregierung und Fraktionen. Ich möchte daran erinnern, wie sehr in der MPK darauf gedrängt worden ist, einen bundesweit einheitlichen Stufenplan zu haben und einen bundeseinheitlichen Orientierungsrahmen, damit allgemein bekannt ist und auch allgemein akzeptiert ist, welche Schritte unternommen werden müssen, wenn sich das Infektionsgeschehen ausbreitet, und welche Schritte unternommen werden dürfen, wenn sich das Infektionsgeschehen wieder verlangsamt und erfolgreich zurückgedrängt werden kann. Leider ist das nicht gelungen – leider – und diesen verlässlichen Rahmen bietet auch das heute geänderte Infektionsschutzgesetz nicht.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Die Landesregierung hat genug Möglichkeiten, hier vor Ort zu reagieren!)

 

Wir hätten schon viel früher an so einem Punkt von bundesweiter verlässlicher Orientierung sein können – ich denke, wir hätten es sein müssen.

Herr Kemmerich, das ist ja auch immer so eine Sache mit der Wortwahl und der Sprache. Wir reden von Ausgangsbeschränkungen und ich glaube, Sie reden bewusst von Ausgangssperren und das sind sie einfach nicht. Das gehört auch zur Wahrheit dazu.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Was ist das für ein Unsinn? Lassen Sie sich das mal von einem Richter erklären!)

 

(Unruhe AfD)

 

Auch in Thüringen, wenn es Beschränkungen gibt, gibt es zahlreiche begründete Ausnahmen, wo es dann auch nachvollziehbar ist. Man muss auch konstatieren, dass das bisherige Agieren des Freistaats Thüringen mit seinen Landkreisen und kreisfreien Städten viel gehaltvoller war.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Wir haben in Thüringen die höchste Inzidenz! Nennen Sie das gehaltvoller?)

 

Die jetzigen Änderungen, die heute beschlossen worden sind im Infektionsschutzgesetz, bleiben hinter den Eindämmungsmaßnahmen Thüringens zurück.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ergänzungen des § 28b im Absatz 7 sind ein längst überfälliger Schritt gewesen. Die Verpflichtung zu Homeofficeangeboten bedeutet nun endlich einen ausgedehnteren Arbeitsschutz.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Endlich wieder Zentralismus!)

 

Auch die Konkretisierung, dass fehlende IT-Ausstattungen, Veränderungen der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifikationen der jeweiligen Angestellten kein dauerhafter Grund für ein Nichtangebot sind, ist wichtig. Hierbei dürfen auch kleine und mittelständische Unternehmen natürlich nicht alleingelassen werden. Es müssen flächendeckende Kontrollmechanismen und vor allem Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen der Unternehmen gewährleistet sein. Anderenfalls läuft diese Anordnung ins Leere. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass Unternehmen – als Beispiel im Vergleich zum Einzelhandel, der körpernahen Dienstleistungen, Schulen – weiterhin keine verpflichtenden Testregeln haben. Wieso sind diese Regeln wie auch Verordnungen vom Bund geregelt und haben leider keinen Einzug ins Infektionsschutzgesetz gehalten?

Ein weiterer Kritikpunkt der FDP ist ja die alleinige Fixierung auf den Inzidenzwert und das stimmt ja auch. Das haben wir schon mehrfach im Plenum diskutiert, dass das nicht alleiniges Kriterium sein kann,

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Dann stimmen Sie doch dagegen und ändern Sie es! Dann stimmen Sie im Bundesrat doch dagegen!)

 

deswegen hat der Thüringer Orientierungsrahmen auch weitere Indikatoren. Der Präsident der Bundesärztekammer hat noch mal einen konkreten Vorschlag gemacht, welche Parameter man noch hinzuziehen soll, und dass nicht die Tatsache der freien Betten auf Intensivstationen hier das Entscheidende ist, sondern wie die Zunahme der Einweisung in Krankenhäuser und Fachkliniken mit COVID-19-Erkrankten ist. Ich möchte es auch noch mal sagen: Ein Intensivbett allein kann noch keinen Menschen versorgen. Wir brauchen dazu das medizinische Fachpersonal. An dieser Stelle möchte ich auch gern meinen Dank aussprechen an alle, die an vorderster Stelle Menschen helfen, die mit den Folgen von COVID-19 zu kämpfen haben.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP)

 

Halten Sie bitte durch. Das gilt auch für die Long-COVID-Versorgung. Wenn wir in Thüringen bereits jetzt schon über 10.000 Menschen haben, die mit Long-COVID zu kämpfen haben, müssen wir auch diese Kapazitäten stets in den Blick nehmen, das gilt natürlich auch bundesweit.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt ein Ungleichgewicht, dass das Privatleben, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche, Freizeit- und Kulturangebote massiv betroffen sind, aber in Industrie- und Wirtschaftsbereichen gibt es kaum oder geringe Einschränkungen, die dem Schutz vor Infektionen dienen. Dieser Umstand muss tatsächlich geändert werden, damit wir erfolgreicher die Pandemie bekämpfen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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