Aufarbeitung braucht Anknüpfungsorte – Erhalt der BStU-Außenstellen in Erfurt, Gera und Suhl

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1989


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir haben es alle mitbekommen. Erst kürzlich hat die vom Deutschen Bundestag im Juli 2014 eingesetzte Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR dem Bundestagspräsidenten ihren Abschlussbericht übergeben. Die Ergebnisse der Expertenkommission wurden von Vertretern aller im Bundestag vertretenen Parteien als ein richtiger Schritt für zukunftsfähige Strukturen zur weiteren Nutzung der Stasi-Unterlagen und der Aufgaben eines zukünftigen Bundesbeauftragten für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und ihren Folgen begrüßt. Dieser Einschätzung kann ich mich grundsätzlich anschließen. Es geht nun darum, dass diese Empfehlungen zügig und schnell umgesetzt werden. Denn sie sollen ausdrücklich nicht als ein Schlussstrich unter die bisherige Nutzung der Stasi-Unterlagen und der weiterhin notwendigen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit missverstanden werden. Vielmehr bieten sie die Möglichkeit, in Zukunft die Unterlagen über das dann federführende Bundesarchiv professioneller für die Forschung und für die weitere Unterstützung der Opfer bei der Suche nach der Wahrheit nutzbar zu machen. Drei Aufgaben werden hierbei aus unserer Sicht, aus der Thüringer Perspektive im Vordergrund stehen.


Erstens: Die Überführung der Unterlagen in die Hoheit des Bundesarchivs. Hierfür wird wichtig bleiben, dass, wie von der Kommission empfohlen, alle Unterlagen mit eigenem Namen und mit sichtbarer Eigenständigkeit vollständig und bürgernah zugänglich bleiben werden. In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission dafür ausgesprochen, dass in den ostdeutschen Ländern regionale Außenstellen erhalten bleiben, an denen die Nutzung der Unterlagen erfolgen kann. Bisher gibt es – und das wissen wir alle, es ist hier auch schon mehrfach gesagt worden – in Thüringen mit Erfurt, Gera und Suhl drei solcher Standorte. Die Beurteilung, wie diese drei Standorte in die zukünftig vorgesehene Nutzung der Unterlagen als auch in die weitere Forschungs- und Bildungsarbeit einbezogen werden, sollte anhand der von der Kommission vorgegebenen Kriterien und in Zusammenarbeit mit der geplanten gemeinsamen Arbeitsgruppe von BStU und Bundesarchiv in Zusammenarbeit mit den Ländern erfolgen. Auch wir sprechen uns für den Erhalt der drei Standorte aus. Dabei sind aus unserer Sicht zwei Kriterien maßgebend. Die vorhandenen historischen Orte – das hatte auch meine Kollegin Astrid Rothe-Beinlich schon erwähnt – sind hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Bildungsarbeit und die Forschung zu erhalten. Für die dezentrale Nutzung der Akten müssen aber die hohen Standards des Bundesarchivs gelten.


Zweitens: Die Empfehlungen der Kommission zur zukünftigen Forschungsarbeit sind aus meiner Sicht mit der geplanten Forschungsstelle „DDR-Staatssicherheit in vergleichender Perspektive“ zu zentral und zu allgemein gedacht. Hier bleibt es aus unserer regionalen Perspektive wichtig, dass wir mit dem Erhalt der historischen Orte einen wichtigen dezentralen Ansatz für Forschung und Aufarbeitung behalten.


Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf den im Februar vorgelegten Bericht der Landesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen verweisen, welcher mit dem hier etablierten Modell einer dezentralen, zivilgesellschaftlich verfassten Aufarbeitungslandschaft bereits Standards gesetzt hat, die überregional positive Beachtung finden. Dies gilt es auch weiterhin auszubauen. Das ist insbesondere für die nachwachsenden Generationen von Bedeutung, denn historisch authentische Orte sind und bleiben wichtige Bildungsorte.


Auch auf den dritten Punkt ist meine Kollegin Rothe-Beinlich schon eingegangen. Der von der Kommission vorgeschlagene neue Amtszuschnitt des Bundesbeauftragten erlaubt es, den Blick von einer reinen Fixierung auf das MfS hin zur SED-Diktatur in ihrer Gesamtheit zu heben.


Weiter wird der Bundesbeauftragte zukünftig noch umfassender als Ombudsperson für die Opfer von DDR-Unrecht tätig werden und sie gegenüber Bundestag, Bundesregierung und den Bundesbehörden vertreten. Dies ist ein begrüßenswerter Schritt hin zu einer besseren Vertretung der Menschen und ihrer Belange, die auch aus meiner Sicht bei der Weiterentwicklung der Aufgaben des thüringischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur berücksichtigt und stärker Anwendung finden sollte.


Insgesamt hat die Expertenkommission eine solide und kompetente Grundlage für die jetzt notwendige parlamentarische Arbeit des Bundestags zur Zukunft der BStU geschaffen, die wir aus Thüringen im Sinne der im Koalitionsvertrag von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Linke festgeschriebenen Grundsätze zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts konstruktiv und aktiv begleiten werden. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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