Attraktivität des Nahverkehrs in Thüringen steigern – 9-Euro-Nachfolgeticket einführen

Dr. Gudrun Lukin

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/6331

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, dem letzten Satz, es gibt noch viel zu tun, möchte ich nicht widersprechen. Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei den Verkehrsunternehmen, die eine große organisatorische Leistung vollbracht haben. Sie mussten zahlreiche Probleme lösen, finanziell in Vorleistung gehen, die reibungslose Bereitstellung des Tickets garantieren, Regelungen mit Abos finden, Lösungen für einzelne Nutzergruppen, sie hatten eine sehr große Belastung der Mitarbeiter und kaum Möglichkeiten von zusätzlicher Bereitstellung von Bahnen und Bussen. Wir alle erinnern uns noch an die heftigen Diskussionen im Vorfeld, nutzt es für den ländlichen Raum, ist es ein Angebot, wie sieht es mit der Qualität aus. Entschieden haben es die Bürgerinnen und Bürger. Die positive Resonanz von 52 Millionen verkauften Tickets spricht ja wohl Bände.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Natürlich wurden die Probleme nicht unter den Tisch gekehrt. Die eigentliche Evaluierung steht noch aus, die Ergebnisse sollen laut Parlamentarischem Staatssekretär und Beauftragten für den Schienenverkehr Michael Teurer Anfang Oktober vorliegen.

Ich möchte an dieser Stelle noch mal ein Beispiel erwähnen: Wir haben bei einer Veranstaltung im ländlichen Raum – Bad Lobenstein und Umgebung gehören dazu – die Frage gestellt: Wer von Ihnen hat ein 9-Euro-Ticket gekauft? Es gingen alle Hände hoch und es waren viele Bürgerinnen und Bürger bei dieser Veranstaltung. Einfach deswegen: Sie haben die Bahn nutzen können. Sie sind zum Bahnhof gefahren, auch wenn das Busangebot nicht so reichhaltig war, es wurde zum Teil kritisiert, es wurden gute Vorschläge gemacht, aber sie haben dieses Ticket genutzt. Das unterstreicht auch die Ergebnisse einer KfW-Studien, dass drei von vier Haushalten anstelle eines Autos durchaus bereit wären, häufiger öffentliche Verkehrsmittel oder das Rad zu nutzen, wenn entsprechende Infrastruktur und das Angebot ausgebaut würden. Dabei wurde diese Untersuchung vor der Einführung des 9-Euro-Tickets gemacht. Interessant ist auch, es wünschen sich 63 Prozent der Befragten eine bessere Anbindung, 49 Prozent – und das ist keine kleine Zahl – votieren für geringere Kosten und 19 Prozent für besseren Komfort als Voraussetzung für eine Nutzung. Was bleibt von dem 9-Euro-Ticket? Es ist eine große sozialpolitische Leistung für Familien und Menschen mit schmalem Geldbeutel, die Möglichkeit Urlaub zu machen, Veranstaltungen in naher und weiter Umgebung zu besuchen, Ausflüge in die Natur zu machen, Freunde zu besuchen. Mit diesem Ticket wurden die Hürden beim Einstieg in Bus und Bahn beseitigt, ein Ticket für alles, kein Verbund, keine Kreisgrenzen, keine Tarifgrenzen, es war einfach zu erwerben, ein positiv besetztes Signal für einen möglichen Umstieg auf umweltfreundliche Mobilitätsangebote, kombiniert mit Fahrradfahren und Wandern.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das Fahrrad konnte man gar nicht mitnehmen!)

 

Es war ein effektiver Beitrag für den Klimaschutz, aber es gibt auch eine Erwartung an die Politik allgemein, die Voraussetzung für einfache, leicht zugängliche, bundesweit günstige Tarifstrukturen zu schaffen, aber auch den ÖPNV zu stärken, wesentlich das Angebot zu erhöhen, die Probleme zu beseitigen. Und, Frau Tasch, diese Probleme sind nicht durch das 9-Euro-Ticket entstanden. Sie sind seit Jahren hausgemacht bei der Politik im Bund und auch im Land.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Seit Jahren. Negativ: Keine Anschlussregelung ist im Moment bekannt. Wir haben bald Oktober, und es soll spätestens ab 1. Januar des Folgejahres eine Lösung geben. Es ist auch noch keine Aussage möglich, ob die bisher aufgewandten Bundesmittel für die Refinanzierung dieses Tickets auskömmlich sind, denn die Nachweisführung der Länder über die zweckentsprechende Verwendung der zusätzlichen Regionalisierungsmittel für das 9-Euro-Ticket – die liegt erst am 30. Juni 2024 vor.

 

Aber es wurde auch das Augenmerk – ich hatte es vorhin schon gesagt – auf die unzureichende Förderung des ÖPNV generell gelenkt. Wir haben alle den Brief bekommen – er ist von Frau Wahl schon erwähnt worden – und es gibt noch keine Aussage des Bundes zur erforderlichen Erhöhung der Regionalisierungsmittel, um eben diese Probleme systematisch anzugehen. Es kann bisher mit den vorhandenen Mitteln lediglich der Status quo – und auch der nicht flächendeckend – realisiert werden. Deswegen haben die Länder übereinstimmend vom Bund für 2022 und 2023 zusätzliche 1,65 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel gefordert. Aber ich finde es auch sehr gut, dass durch dieses Ticket eine Diskussion in Gang gesetzt wurde und dass Sie begonnen haben, dem ÖPNV den Platz einzuräumen, den er auch verdient, als klimafreundliches, in der Perspektive flächendeckendes Verkehrsmittel, ein Landesnetz von Bussen. Ein gut ausgebautes Infrastrukturnetz muss einfach unser Ziel sein, unser gemeinsames Ziel.

 

(Beifall Gruppe der BfTh)

 

Wir sagen Ja zu einer einfachen, übersichtlichen, günstigen bundesweiten Ticketstruktur, und wir sagen, es darf aber nicht zulasten der Beschäftigten gehen, und eine Verschlechterung des Angebots darf nicht in Kauf genommen werden.

 

Noch eine letzte Bemerkung.

 

Vizepräsidentin Henfling:

 

Ihre Redezeit ist zu Ende, Frau Lukin.

 

Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE:

 

Die kann ich mir auch klemmen. Ich mache sie dann im Ausschuss. Schönen Dank. Wir wollen das Ticket noch evaluieren.

 

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien