Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2022

Anja Müller

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/8342

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Die Mitglieder des Petitionsausschusses nutzen heute die Gelegenheit, Ihnen die Arbeit des Petitionsausschusses über das vergangene Jahr näherzubringen. Damit wird dem Petitionsausschuss, dem Bürgerausschuss eine ganz besondere Stellung und Würdigung heute im Plenarsaal zuteil.

 

Frau Präsidentin Pommer sagte bei der am Dienstag stattgefundenen Übergabe – ich darf zitieren: „Wo Demokratie sich nicht erklärt und zur Teilhabe motiviert, gerät sie unter Druck.“ Das sehen wir in den letzten Monaten sehr deutlich. Weiter betonte Frau Präsidentin: „Politische Entscheidungen müssen verständlich vermittelt werden. Der Petitionsausschuss ist dafür die Schnittstelle zwischen den Einwohnerinnen und Einwohnern und der Politik.“ Das unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Ausschusses.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Lassen Sie uns ergänzen und darauf hinweisen: Eine Petition ist viel mehr als ein Anliegen, als eine Bitte oder eine Beschwerde. Petitionen sind ein Ausdruck von Protest, ein Ausdruck eines Konflikts und das Petitionsverfahren ist ein zentrales Instrument der Konfliktregelung. Insbesondere Petitionen, zu denen eine öffentliche Anhörung stattfindet, machen deutlich, wie diese Konfliktregelung funktioniert. Denn hier treffen alle Beteiligten – Petenten, Regierung und Parlament – aufeinander. Mit dem Vortrag der Petenten im Thüringer Landtag stellen diese nicht nur ihr Anliegen dar, sie artikulieren auch öffentlich ihren Protest und machen somit ihrem Ärger und ihren Sorgen Luft. Andererseits werden die Gesetzeslage und die Positionen und Argumente vorgetragen, die dem Petitionsanliegen womöglich entgegenstehen. Im Idealfall wird somit bei einer öffentlichen Anhörung nicht nur der Sachverhalt für alle umfassend dargelegt, mitunter wird auch bereits eine Lösung des Konflikts vorgezeichnet. In jedem Fall kommt bei öffentlichen Petitionen nicht nur der Protest der Bürger öffentlich zum Ausdruck, sondern auch die Anerkennung dieses Protestes durch Parlament und Regierung. Das ist es, was das öffentliche Petitionsverfahren so attraktiv macht. Und lassen Sie mich an dieser Stelle auch ergänzen: Thüringen hat das bürgerfreundlichste Petitionsgesetz bundesweit. Ich glaube, darauf können wir stolz sein.

 

(Beifall DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Nun darf ich einen intensiven Einblick auf den Arbeitsbericht des Petitionsausschusses geben. Neben statistischen Angaben zum Petitionsgeschehen im Jahr 2022 finden sich im Petitionsbericht – und das halte ich gern noch einmal hoch – insbesondere zahlreiche Beispielfälle, die einen Eindruck von der Bandbreite der an den Landtag gerichteten Eingaben verschaffen soll. Zudem enthält der Bericht allgemeine Informationen zum Ablauf des Petitionsverfahrens und zum Petitionswesen in Thüringen.

 

Die besondere Stellung des Petitionsausschusses im Thüringer Landtag möchte ich ebenfalls noch einmal hervorheben. Anders als die Fachausschüsse, die der Landtag in jeder Wahlperiode nach freiem Ermessen neu bilden kann, ist der Petitionsausschuss der einzige in der Landesverfassung vorgesehene Pflichtausschuss.

 

Nach Artikel 65 bestellt der Landtag einen Petitionsausschuss, dem – auch das ist eine Besonderheit – die Entscheidung über die an den Landtag gerichteten Eingaben obliegt. Damit wird deutlich, dass im Bereich der parlamentarischen Eingaben eine ausschließliche Zuständigkeit des Petitionsausschusses besteht und dieser dabei auch selbstständig die Entscheidungen über die Petitionsangelegenheiten trifft.

 

Das Petitionsgrundrecht steht nach Artikel 14 der Thüringer Verfassung allen zu. Dort heißt es: „Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich oder mündlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Damit ist noch einmal klargestellt, dass tatsächlich jeder das Petitionsrecht in Anspruch nehmen kann, ganz unabhängig von Fragen der Staatsangehörigkeit, des Alters, des Geschlechts oder seiner gesundheitlichen Verfassung. Jeder, der in der Lage ist, sein Anliegen zu formulieren, kann sich vertrauensvoll an den Landtag mit Bitte um Unterstützung wenden. Dabei ist es auch unerheblich, ob es sich um politisch große Themen, wie beispielsweise die Etablierung eines Härtefonds nach der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, oder ein ganz persönliches Thema, wie die Sicherstellung der Kinderbetreuung der eigenen Tochter, handelt.

 

Der Petitionsausschuss prüft unabhängig und in der Regel losgelöst von parteipolitischen Fragestellungen, wie in einzelnen Fällen eine Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger realisiert werden kann. Dies ist insbesondere in den Fällen relevant, in denen die zuständigen Behörden bei ihren Entscheidungen ein Ermessensspielraum haben. In diesen Fällen kann der Petitionsausschuss ganz konkrete Anregungen geben, wie eine Verwaltungsentscheidung sich bürgerfreundlicher gestalten lässt.

Wenn wir nun zunächst einen ersten Blick auf die Eingangszahlen im Jahr 2022 werfen, dann setzt sich ein bereits in den Vorjahren erkennbarer Trend fort. Während die Gesamtanzahl von neu eingegangenen Petitionen mit 626 im Verhältnis zu den Vorjahren weiter rückläufig ist, werden über die Petitionsplattformen des Landtags vermehrt Petitionen von allgemeinem Interesse an den Landtag herangetragen, die dann nach ihrer Veröffentlichung erhebliche Resonanz erfahren.

 

Zur Erinnerung: Bereits seit zehn Jahren besteht die Möglichkeit, Petitionen von allgemeinem Interesse auf Antrag auf der Petitionsplattform des Landtags im Internet zu veröffentlichen. Erhält dort eine Petition im sechswöchigen Mitzeichnungszeitraum mindestens 1.500 Unterschriften, führt der Petitionsausschuss eine öffentliche Anhörung der Initiatoren durch. Von 83 Anträgen auf Veröffentlichung erfüllten im vergangenen Jahr 44 Petitionen die formalen Anforderungen des Petitionsgesetzes für eine Veröffentlichung. Fünf Petitionen haben im Mitzeichnungszeitraum die Schwelle von 1.500 Mitzeichnungen überschritten. Die meisten Mitzeichnungen konnte dabei die Petition für den Erhalt der Frühchenstation Level 1 in Suhl verzeichnen. Diese hat im sechswöchigen Mitzeichnungszeitraum knapp 13.500 Unterschriften erzielen können und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Zu dieser Petition befinden wir uns nach der durchgeführten öffentlichen Anhörung im Januar dieses Jahr weiter im intensiven Austausch und haben jüngst in der vorvergangenen Woche eine informative Sachverständigenanhörung durchgeführt.

 

Um auf die Bedeutung der öffentlichen Petitionen und der Petitionsplattform zurückzukommen, ist eine weitere Zahl von ganz erheblicher Bedeutung. Insgesamt wurden im Jahr 2022 die auf der Petitionsplattform veröffentlichten Petitionen durch 37.946 Mitzeichnungen unterstützt. 37.946 Unterschriften – das ist eine sehr beeindruckende Zahl von Menschen, die sich über den Petitionsausschuss aktiv am politischen Geschehen im Freistaat beteiligen, ihren Standpunkt in die politische Debatte einbringen und damit für uns als Abgeordnete auch als deutlicher Indikator für unser politisches Handeln dienen.

 

Ziel der Veröffentlichung einer Petition auf der Plattform ist das Erreichen des Quorums von 1.500 Mitzeichnungen, um eine öffentliche Anhörung vor dem Petitionsausschuss durchzuführen. Nach 11 öffentlichen Anhörungen im Jahr 2021 haben wir im Jahr 2022 sogar 13 öffentliche Anhörungen durchgeführt und damit auch, was die Anzahl der öffentlichen Anhörungen in einem Jahr betrifft, einen neuen Rekord aufgestellt.

Bevor ich nun ein paar konkrete Fallbeispiele vorstellen möchte, möchte ich jedoch betonen, dass neben diesen Petitionen von allgemeinem Interesse der Petitionsausschuss auch weiterhin für Einzelanliegen der Bürgerinnen und Bürger als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht. Inhaltliche Schwerpunkte unserer Arbeit waren dabei im vergangenen Jahr einmal mehr der Bereich „Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie“ mit 122 neuen Petitionen sowie der Bereich „Migration, Justiz und Verbraucherschutz“ mit 120 neuen Petitionen. Bei letzterem Sachbereich spielten die Petitionen aus dem Strafvollzug mit 75 Eingängen die wesentliche Rolle. Hier müssen aber wohl auch noch Nachholeffekte bedacht werden. Nachdem die Strafvollzugskommission in den Jahren 2020 und 2021 pandemiebedingt im Wesentlichen von auswärtigen Sitzungen in den Strafvollzugsanstalten abgesehen hat, hat die Kommission im vergangenen Jahr wieder vier Thüringer Strafanstalten besucht. Im Rahmen dieser Besuche hatten die Gefangenen dann auch wieder unmittelbar die Gelegenheit, Petitionsanliegen vorzutragen, die dann anschließend im Petitionsausschuss bearbeitet wurden.

 

Generell steht den Bürgerinnen und Bürgern eine Reihe von Schnittstellen für die Einreichung einer Petition zur Verfügung. Neben dem klassischen Brief oder der Verwendung des Petitionsformulars im Internet können Petitionen mittlerweile nach der letzten Änderung des Petitionsgesetzes im Jahr 2021 auch per einfacher E-Mail an den Petitionsausschuss gerichtet werden, wobei hierbei Voraussetzung ist, dass zwingend Name und Anschrift der Petenten erkennbar sind. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Petitionen mündlich vorzutragen. Dies kann beispielsweise zur Niederschrift bei der Landtagsverwaltung geschehen, wo die dortigen Mitarbeitenden des Petitionsreferats als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

 

Ein weiterer Weg ist jedoch auch der unmittelbare Austausch mit uns Mitgliedern des Petitionsausschusses in einer unserer angebotenen Bürgersprechstunden. Diese Möglichkeit halte ich für besonders wertvoll, weil die Petentinnen und Petenten in diesem Zuge unmittelbar die Möglichkeit haben, ganz gezielt uns Abgeordnete auf eine Problemstellung aufmerksam zu machen. Dabei kommen wir den Bürgerinnen und Bürgern auch räumlich entgegen, indem wir unsere Bürgersprechstunden abwechselnd in Landratsämtern und den Verwaltungen der kreisfreien Städte des Freistaats durchführen. So sind wir nach der parlamentarischen Sommerpause noch am 29. August in Gera, am 17. Oktober in Ilmenau und am 21. November in Heilbad Heiligenstadt als Petitionsausschuss unmittelbar ansprechbar.

 

Nun möchte ich Ihnen jedoch auch gern ein paar inhaltliche Einblicke in unsere Arbeit des letzten Jahres geben. Erwähnt hatte ich bereits das große Anliegen „Straßenausbaubeiträge“. In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst betonen, dass dieses Thema immer schon ein Klassiker unter den eingegangenen Petitionen gewesen ist. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und die damit teilweise erheblichen Belastungen von Grundstückseigentümern haben immer wieder Anlass gegeben, sich an den Petitionsausschuss mit der Bitte um Unterstützung zu wenden.

 

Mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum Stichtag 1. Januar 2019 wurde dieses Thema zwar grundlegend im Sinne der Bürgerinnen und Bürger entschärft, gleichzeitig sorgt die Stichtagsregelung jedoch bei denjenigen für Verdruss, die rückwirkend noch für Straßenausbaumaßnahmen, die vor dem Stichtag durchgeführt wurden, in Anspruch genommen werden sollen. Genau dieser Umstand hat mehrere Anwohner eines Ortsteils bewogen, sich mit gleichlautenden Petitionen gegen die Erhebung solcher nachträglichen Straßenausbaubeiträge zu wenden und eine Härtefallregelung zu fordern.

 

Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes wurden in Thüringen die Straßenausbaubeiträge – wie dargelegt – rückwirkend zum Stichtag 1. Januar 2019 abgeschafft. Daraus folgt, dass für die Straßenbaumaßnahmen, die erst nach dem 31. Dezember 2018 abgeschlossen wurden, keine Beiträge mehr von den Grundstückeigentümern erhoben werden.

 

Für zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene Ausbaumaßnahmen werden jedoch weiterhin Beiträge fällig, auch wenn die Beitragsbescheide noch nicht ergangen sind. Diese Stichtagsregelung wurde von vielen als ungerecht kritisiert, da es vom Zufall abhänge, ob eine Straßenbaumaßnahme bis zum genannten Stichtag komplett abgeschlossen wurde oder eben nicht.

 

Das dargestellte Anliegen wurde antragsgemäß auf der Petitionsplattform veröffentlicht und dort von rund 3.000 Mitzeichnern unterstützt. Da somit das erforderliche Quorum von 1.500 Mitzeichnungen erreicht war, hat der Petitionsausschuss in der Angelegenheit eine öffentliche Anhörung durchgeführt, in deren Rahmen die Petenten noch einmal öffentlichkeits- und medienwirksam ihr Anliegen erläutern konnten und die Abgeordneten Gelegenheit hatten, noch einmal gezielt Nachfragen an die Petenten zu stellen.

Nach einer Mitberatung der Angelegenheit durch den Innen- und Kommunalausschuss als zuständigem Fachausschuss hat der Petitionsausschuss schließlich beschlossen, die Petitionen den Fraktionen sowie der parlamentarischen Gruppe der FDP zur Kenntnis zu geben. Damit werden die Fraktionen grundsätzlich in die Lage versetzt, mit entsprechenden parlamentarischen Initiativen das Anliegen der Petenten aufzugreifen.

Und was soll ich sagen – nach einem langen Ringen um eine mögliche Lösung haben die Koalitionsfraktionen zwischenzeitlich Ende Mai dieses Jahres das Elfte Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes, Härtefallfondsfonds für Straßenausbaubeiträge in den Landtag eingebracht.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dieser Gesetzentwurf steht in der laufenden Plenarwoche zur erstmaligen Beratung an und zeigt exemplarisch, wie Petitionen im Landtag ganz konkreten politischen Widerhall finden können.

 

Petitionen sind Bitten, Anliegen, Beschwerden und Protest, und erstmalig im Jahr 2022 auch Gesetzesvorschläge. Ralf-Uwe Beck hat für den Verein „Mehr Demokratie Thüringen e. V.“ die Petition „Kommunen als Wahllabore“ eingereicht. Unabhängig davon, wie man den Vorschlag inhaltlich bewertet, verdient das Engagement von ehrenamtlich Aktiven, die sich für eine Stärkung unserer Demokratie einsetzen, Respekt und Anerkennung.

 

Diese Petition wurde bereits Ende des Jahres 2021 veröffentlicht. In dem vorgeschriebenen sechswöchigen Mitzeichnungszeitraum erhielt die Petition 1.547 Unterschriften und hatte damit das erforderlich Quorum für eine öffentliche Anhörung erfüllt. Die Anhörung fand im Mai 2022 statt. In der Petition heißt es: Die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen in Thüringen liegt regelmäßig bei nur 35 bis 50 Prozent. Eine so niedrige Wahlbeteiligung schwächt die Demokratie und die Legitimation der gewählten Gemeinderäte und Mandatsträger.

 

Des Weiteren kommt die Funktion der Wahl, Kandidatinnen und Kandidaten zu kontrollieren und auszuwählen, nur mangelhaft zur Geltung und die politischen Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger werden nur lückenhaft abgebildet.

Der Verein „Mehr Demokratie e. V. Thüringen“ schlägt daher vor, eine Experimentierklausel und sieben Instrumente in das Thüringer Kommunalwahlrecht einzubauen, um Kommunalwahlen attraktiver zu gestalten und damit die Wahlbeteiligung zu steigern. Als mögliche Instrumente werden vorgeschlagen, zusätzliche Wahlorte und Wahltermine anzubieten, offizielle Informationen über Kandidierende an alle Wahlberechtigten zu versenden, Briefwahlunterlagen obligatorisch zuzustellen, Proteststimmen und Stimmenthaltungen auf dem Stimmzettel zu ermöglichen, eine integrierte Stichwahl durchzuführen, das Wahlalter abzusenken und eine Wahlpflicht einzuführen. Die Kommunen könnten mit diesen Instrumenten die Kommunalwahlen flexibel gestalten. Sie können auch nur eines dieser Instrumente auswählen oder aber auch alle sieben gleichzeitig, ganz freiwillig, verpflichtend wären sie nicht. Einige, vielleicht auch alle diese Vorschläge stoßen sowohl bei Parteien als auch in der Bevölkerung oft auf Skepsis. Die Petenten sind sich dieser Vorbehalte bewusst. Daher möchte der Verein die Vorschläge zunächst auf kommunaler Ebene freiwillig ausprobieren lassen und Kommunen zu Laboren für ein modernes Wahlrecht machen. Es könnte so ermittelt werden, ob die vorgeschlagenen Instrumente tatsächlich wirken. Parteien und die Bürgerinnen und Bürger könnten sich von den Instrumenten überzeugen und eine Weiterentwicklung des Wahlrechts anstreben.

 

Die Petition wurde zur Mitberatung an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen, von dem zwischenzeitlich auch eine Stellungnahme vorliegt. Ich gehe daher davon aus, dass sich der Petitionsausschuss in einer seiner nächsten Sitzungen erneut mit der Angelegenheit beschäftigen wird.

 

Eine Petition, mit der sich nicht nur der Petitionsausschuss, sondern auch der Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz sowie die Landesregierung sehr ausgiebig beschäftigt haben, ist die Petition der Bürgerinitiative Apfelstädt. Zur Petition haben wir bereits zu Beginn des Jahres 2022 eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Die Bürgerinitiative sowie die Anliegergemeinden der Apfelstädt haben sich mit der Petition gegen die Umleitung von Wasser aus dem Fluss über die sogenannte Westringkaskade nach Erfurt gewandt. Es wurde vorgetragen: „Seitdem über die Westringkaskade von den Talsperren im Oberlauf der Apfelstädt bis in den Raum Erfurt Wasser zur Betreibung eines dortigen Wasserkraftwerkes geleitet werde, habe der Fluss Apfelstädt mit niedrigen Wasserständen bis hin zum Trockenfallen zu kämpfen.“ Die Petition erhielt im Mitzeichnungszeitraum auf unserer Plattform 1.682 Unterschriften. Im Vorfeld der Einreichung der Petition hatten die Petenten über ein privates Petitionsportal Unterschriften gesammelt.

 

An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen kleinen Sprung zu dem Verhältnis von privaten Petitionsportalen im Internet und den bei den Parlamenten ansässigen Petitionsausschüssen machen. Aus meiner Sicht nutzen leider viele Bürgerinnen und Bürger für ihre Petitionen und Kampagnen zunächst private Petitionsportale im Internet, um dort für Unterstützung zu werben. Das hat den klaren Nachteil, dass die Unterstützerinnen und Unterstützer solcher Petitionen darauf vertrauen müssen, dass der Initiator das Anliegen tatsächlich weiter betreibt und ein Thema tatsächlich auch an die Verantwortlichen heranträgt. Die Erfahrung zeigt leider, dass dies nicht immer der Fall ist. Im Zusammenspiel mit den privaten Petitionsportalen gilt daher seit der Änderung des Petitionsgesetzes im Jahr 2021 Folgendes: Der Petitionsausschuss nimmt sich selbstverständlich jeder Petition an, die an ihn herangetragen wird. Das gilt natürlich auch für Petitionen, die zunächst auf privaten Petitionsportalen veröffentlicht wurden. Wenn es jedoch um das Ziel einer öffentlichen Anhörung geht, dann ist im Petitionsgesetz klar geregelt, dass das erforderliche Quorum von 1.500 Unterschriften während des sechswöchigen Mitzeichnungszeitraums auf der Petitionsplattform des Landtags erzielt werden muss.

 

Seit der Gesetzesänderung ist es in diesem Zeitraum auch möglich, die vom Landtag zur Verfügung gestellten Listen zu nutzen und handschriftliche Unterschriften zur Verfügung eines Anliegens zu sammeln. Vor diesem Hintergrund können wir allen Petentinnen und Petenten nur empfehlen, sich den Umweg über die privaten Portale zu ersparen, und sich gleich auch mit ihrer Petition von öffentlichem Interesse an den Petitionsausschuss des Landtags zu wenden.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Dies hat weiterhin den Vorteil, dass auch schon während der laufenden Unterschriftenphase von unserer Seite aus angefangen wird, den Sachverhalt zu ermitteln, fachliche Stellungnahmen von den zuständigen Ministerien und Landesbehörden einzuholen und so bestenfalls schon ein ganzes Stück in der Thematik voranzukommen.

Nach diesem kleinen Einschub möchte ich gern wieder zur Situation an der Apfelstädt, die natürlich auch bereits Gegenstand der medialen Berichterstattung gewesen ist, zurückkommen. Die Landesregierung hatte in dem Petitionsverfahren erläutert, dass nicht nur die Talsperren im Oberlauf der Apfelstädt, die im betrieblichen Zusammenhang mit der Westringkaskade stünden, das Gewässer und sein Abflussverhalten prägen würden. Vielmehr falle die Apfelstädt seit jeher zwischen der Einmündung der Ohra bis unterhalb der Ortslage Wechmar periodisch im Sommer trocken. Bei diesem natürlichen Vorgang versickere in Zeiten besonders niedriger Abflüsse das gesamte Flusswasser in den Flussschotter und in den tieferen Untergrund des Muschelkalks. Es wurde darauf hingewiesen, dass beispielsweise während des mehrmonatigen Trockenfalls des Flusses im Jahr 2018 die Westringkaskade noch gar nicht in Betrieb war.

 

Nach der erfolgreichen Anhörung in der Angelegenheit, in deren Rahmen auch noch einmal ein unmittelbarer Gedankenaustausch zwischen dem federführenden Umweltministerium und den Vertretern der BI realisiert werden konnte, hat sich zunächst der fachlich zuständige Umweltausschuss mit der Angelegenheit weiter im Rahmen einer Mitberatung befasst. Aufgrund der maßgeblichen Empfehlungen des Umweltausschusses hat der Petitionsausschuss schließlich im Januar dieses Jahres beschlossen, die Petition der Landesregierung zu überweisen. Der Ausschuss begrüßte, dass das zuständige Umweltministerium im Rahmen des Petitionsverfahrens schließlich zugesagt hat, die Energiegewinnung über die Westringkaskade im Rahmen eines fünfjährigen Probebetriebs zu überprüfen und zu evaluieren, um so einen angemessenen Ausgleich von Wasserentnahme für Wasserkraft und einer ausreichenden Abgabe in die Apfelstädt zu erreichen. Weiterhin empfahl der Petitionsausschuss der Landesregierung, organisatorisch und verwaltungstechnisch dafür zu sorgen, diese Evaluierung im Begleitarbeitskreis in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Kommunen, insbesondere dem Landkreis Gotha und den Anliegergemeinden der Apfelstädt ergebnisoffen vorzunehmen.

 

(Beifall SPD)

 

Es fiel Gotha – okay.

Im Februar dieses Jahres hat darüber hinaus das Plenum des Landtags in der Angelegenheit einen weiteren Beschluss gefasst, der der Landesregierung im Übrigen auch noch eine Klärung von im Rahmen des Petitionsverfahrens aufgeworfenen Rechtsfragen aufgibt. Auch hier zeigt sich also, wie Petitionen wirken können und wie es möglich ist, in einem solchen parlamentarischen Verfahren Brücken zu schlagen und auch Gesprächskanäle zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite sowie der Verwaltung auf der anderen Seite zu öffnen.

 

Schlagwortartig aufmerksam machen möchte ich auch darauf, dass im Rahmen der öffentlichen Anhörungen zu Petitionen, also zu den Petitionen, die erhebliche Unterschriften auf der Plattform erfahren haben, auch bildungspolitische Themen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Im Juni 2022 befassten wir uns in einer Anhörung mit einer Beschwerde über massiven Unterrichtsausfall an den Regelschulen in Auma-Weidatal und Münchenbernsdorf. Im September haben wir uns dann weiterhin mit einer drohenden Schließung des Gymnasiums in Meuselwitz befasst. Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass auch bei diesen Angelegenheiten im Rahmen der Petitionsverfahren Bewegung in die Sache gekommen ist. Weitere Lehrkräfte konnten zur Absicherung des Unterrichts gewonnen werden, und durch eine Verwaltungsvorschrift hat das Bildungsministerium weiterhin ermöglicht, dass für Schulen in Randregionen zusätzliche Zulagen ausgezahlt werden können. Weiterhin strebt das Ministerium an, Referendare frühzeitig in die Schulen in den Bedarfsregionen zu lenken, um eine Bindung herzustellen. Die originäre Schulnetzplanung verbleibt jedoch als Aufgabe bei den zuständigen Schulträgern, also den Landkreisen und kreisfreien Städten.

 

Eine ganz persönliche Problematik – ich hatte es eingangs schon erwähnt – hat hingegen eine junge Mutter an den Petitionsausschuss herangetragen. Diese hatte beim zuständigen Landkreis einen Antrag auf eine Eins-zu-eins-Betreuung ihrer schwerbehinderten kleinen Tochter in einer integrativen Kindertagesstätte gestellt. Da weder sie noch die Kindereinrichtung ein knappes halbes Jahr nach der Antragstellung eine Zusage erhalten hatten und nunmehr unmittelbar der avisierte Betreuungsbeginn nahte, bat die Mutter den Petitionsausschuss um Unterstützung. Erste Prüfungen im Petitionsverfahren ergaben, dass das Landesverwaltungsamt schließlich im Vormonat des geplanten Betreuungsbeginns das Einvernehmen für eine Betreuung des Kindes für 15 Stunden pro Woche erteilt hatte. Allerdings blieben in diesem Zusammenhang die Fragen hinsichtlich der Beförderung des Kindes zur Einrichtung und wieder zurück noch ungeklärt. Trotz eines vorliegenden Angebots eines Beförderungsunternehmens zog sich die Prüfung des Landesverwaltungsamts in die Länge. Daher blieb der jungen Mutter nichts anderes übrig, als selbst täglich den Transport in die circa 44 Kilometer entfernte Kindereinrichtung zu gewährleisten. Dies war natürlich aus nachvollziehbaren Gründen auf Dauer unzumutbar.

 

Daher hat der Petitionsausschuss den Thüringer Beauftragten für Menschen mit Behinderungen um Unterstützung gebeten, der seinerseits Kontakt mit den vor Ort zuständigen Behörden und dem dort ansässigen kommunalen Behindertenbeauftragten aufgenommen hatte. Dabei stellte sich heraus, dass das zunächst für die Fahrleistung ins Auge gefasste Taxiunternehmen sich aus versicherungstechnischen Gründen nicht in der Lage sah, täglich den speziellen Kindersitz und den Rehabuggy des Kindes ein- und auszuladen. Die in der Region ansässigen spezialisierten Behindertenfahrdienste waren jedoch zunächst ausgelastet und konnten keine Unterstützung zusagen. Erst nach drei Monaten der laufenden Betreuung gelang es dem zuständigen Landratsamt nach intensiver Suche, ein Transportunternehmen für die Fahrten zu gewinnen.

Aus Sicht des Petitionsausschusses musste nur noch geklärt werden, wie mit der dreimonatigen Übergangszeit umgegangen wird, in der die Petentin trotz eines vorhandenen sozialrechtlichen Anspruchs auf Beförderung die Fahrten in die Kindertageseinrichtung selbst übernehmen musste. Hier konnte schließlich über das Landratsamt erreicht werden, dass die Petentin eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von insgesamt 370 Euro erhält, sodass ihr zumindest aufgrund der ungeklärten Beförderungssituation keine finanziellen Nachteile entstehen. Am Ende des Petitionsverfahrens zeigten wir uns also erfreut, dass es mit Hilfe des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen sowie auch des kommunalverantwortlichen Behindertenbeauftragten gelungen ist, die notwendigen Hilfen und die notwendige Betreuung des schwerbehinderten Kindes zu gewährleisten. Allerdings macht der Fall auch deutlich, wie schwierig es unter Umständen für von einer Schwerbehinderung Betroffenen ist, die gesetzlich zustehenden Unterstützungsleistungen zu organisieren. Dabei zeigte gerade auch der konkrete Fall der Petentin, dass auch eine frühzeitige Antragstellung leider keine Gewähr dafür bietet, dass notwendige Unterstützungsleistungen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden.

 

Ich hoffe, mit den dargestellten Hinweisen und Beispielen konnte ich noch einmal verdeutlichen, dass es sich auf jeden Fall lohnen kann, sich mit seinen Problemen und seinen Anliegen an den Petitionsausschuss zu wenden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen aufseiten der Behörden vielleicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gar kein Fehler gemacht wurde, es aber bei der Begründung oder der Nachvollziehbarkeit einer Entscheidung Defizite gibt. In diesen Fällen erklären wir, übersetzen wir und schaffen es so bestenfalls, Verwaltungsentscheidungen klarer und transparenter zu machen. Und auch das ist ein durchaus gewinnbringender Abschluss eines Petitionsverfahrens.

Bevor ich mit der Vorstellung des Arbeitsberichts des Petitionsausschusses ende, möchte ich mich abschließend noch bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für den guten Austausch und die intensive Arbeit bedanken.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

 

Stellvertretend für die Mitglieder der Strafvollzugskommission als Unterausschuss des Petitionsausschusses bei Frau Stange. Bedanken möchte ich mich auch beim Bürgerbeauftragten des Freistaat Thüringens, Herrn Dr. Herzberg, sowie beim Bürgerreferat der Staatskanzlei, Herrn Hasenbeck und Herrn Herrmann, die stets unsere Sitzung begleitet haben und in diesem Zuge stets als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung standen und stehen.

 

Schließlich möchte ich mich auch bei den Fachausschüssen des Landtags bedanken, die uns im Zuge von Mitberatungen zu vielen Petitionen wertvolle Tipps und auch Lösungsvorschläge an die Hand gegeben haben.

 

Schließlich möchte ich mich natürlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsreferats der Landtagsverwaltung bedanken – ich gucke mal nach hinten, leider keiner da –, die uns verlässlich und kompetent bei unserer Arbeit im Ausschuss unterstützen und auch als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger stets ein offenes Ohr haben, und bei unseren Damen und Herren vom Protokoll wollen wir uns auch recht herzlich bedanken, weil, auch Sie sitzen bis zum Schluss bei uns und hören die Probleme.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

 

Und zu guter Letzt bedanke ich mich jetzt bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

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