Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2022

Philipp Weltzien

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/8342

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne – es sind doch einige mehr geworden – und am Livestream! Zunächst erst einmal herzlichen Dank für diesen umfangreichen Arbeitsbericht des Petitionsausschusses. Herr Tiesler, ich kann es mir nicht verkneifen, es tut mir leid, Sie und ich und wir, wir kennen den Bericht seit knapp drei Monaten, von daher kann ich Ihre Kritik an der kurzen Bearbeitungszeit nicht so ganz nachvollziehen.

 

Kommen wir zum Bericht: Die Vorbereitung auf die heutige Plenardebatte zum Arbeitsbericht des Petitionsausschusses hat mir und uns die Gelegenheit gegeben, das vergangene Jahr 2022 noch einmal Revue passieren zu lassen, denn anhand der Petitionseingänge im Verlauf des Jahres lassen sich doch sehr gut die großen Themen ablesen, die uns und die Bürgerinnen und Bürger im letzten Jahr beschäftigten und bewegten. Die Themen sind gewissermaßen ein Spiegel der Verhältnisse im Land und in der Gesellschaft, und die Tagesordnungen der Ausschusssitzungen verzeichnen gewissermaßen ihre Chronologie.

 

Aber lassen Sie mich noch mal schlagartig durch das letzte Jahr fliegen. Am Anfang des Jahres 2022 ging es noch um den Einsatz von Luftfiltern in Schulen, um PCR-Pooltests in Kindergärten, um die Anpassung bei den Besonderen Leistungsfeststellungen aufgrund von Homeschooling während der Pandemie und um die Abschaffung der Impfpflicht im Gesundheitswesen. Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs und der vor dem Krieg Geflüchteten beschäftigten wir uns im II. Quartal mit den anfänglichen Schwierigkeiten mit Behörden, die hilfsbereite Menschen hatten, die freiwillig ukrainische Geflüchtete aufgenommen haben. So klagten beispielsweise die Helfer darüber, dass ihnen plötzlich höhere Abfallbeseitigungsgebühren ins Haus standen, obwohl die Geflüchteten kaum für mehr Müll gesorgt hatten und obendrein zwischenzeitlich häufig eine eigene Unterkunft schon gefunden hatten. Darüber hinaus gab es Schwierigkeiten für eine ukrainische Familie mit einem Rollstuhlfahrer, eine behindertengerechte Wohnung zu finden. Auch sie wurde zunächst von einer anderen Familie freiwillig aufgenommen, doch eine langfristige Unterbringung war dort weder möglich noch zumutbar. Nach langer Suche und Vermittlung des zuständigen Sozialamts und des Ausschusses konnte schließlich eine Wohnung zwar nicht in Thüringen, aber in Sachsen gefunden werden.

In der zweiten Jahreshälfte gab es Beschwerden bezüglich der Art und Weise der Durchführung des Zensus 2022, aber auch die beginnende Energiekrise warf ihre Schatten voraus. Die ersten Klagen über Strompreiserhöhungen durch die Energieversorger trafen ein, aber auch die gestiegenen Heizölpreise spiegelten sich bereits in mancher Petition wider.

 

Am Jahresende dann schließlich trafen immer mehr Petitionen ein, die zu Recht darauf hinwiesen, dass es nicht mehr ausreicht, nur Gaskunden bei den Heizkosten zu unterstützen, sondern auch Menschen, insbesondere in ländlichen Regionen, die ihr Eigenheim mit Heizöl heizen, waren von den gestiegenen Preisen enorm betroffen. Abhilfe konnte hier erst der Härtefonds für sogenannte nichtleitungsgebundene Brennstoffe leisten, der erst Anfang Mai dieses Jahres an den Start ging mithilfe einer Bundesplattform. Der Petitionsausschuss hatte das Thema schon vorher.

 

Diese kurzen Schlaglichter geben aber eben nur einen kleinen Einblick in die Bandbreite der Probleme, mit denen sich der Petitionsausschuss beschäftigt. Daher möchte ich die Aufmerksamkeit noch mal auf ein/zwei Themen lenken, die vielleicht nicht immer gesamtgesellschaftliche Relevanz haben oder mediale Präsenz haben, aber doch einen großen Teil der Thüringerinnen und Thüringer beschäftigen. Ganz besonders liegt mir dabei eine Petition am Herzen, die ich hervorheben möchte, und zwar ist das die Petition der „Omas gegen Rechts“. Die Omas haben vor dem Hintergrund des sogenannten Ballstädt-Verfahrens gefordert, dass es bei derartig brutalen Überfällen von militanten Neonazis keine Deals zwischen Nazis und der Staatsanwaltschaft geben darf.

Zur Erinnerung: Anfang 2014 kam es in Ballstädt zu einem schweren Überfall auf eine Kirmesgesellschaft. Mindestens 15 Neonazis drangen in der Nacht teils bewaffnet in den Gemeindesaal ein und verletzten zehn Menschen zum Teil schwer. Das Verfahren wurde 2021 genau mit so einem Deal zwischen Neonazis und Staatsanwaltschaft abgeschlossen, bei dem die Täter mit erheblich geringeren Strafen und ausgesetzt zur Bewährung davongekommen sind. In der öffentlichen Anhörung dazu am 30. Juni letzten Jahres legten die Petentinnen – also die „Omas gegen Rechts“ – und die teilnehmenden Sachverständigen eindrücklich dar, dass die Opfer weiterhin unter dem Überfall litten und für sie das Urteil ein zweiter Schlag ins Gesicht ist. Dabei hätte man sich gar nicht grundsätzlich einem Deal verschlossen, wenn dieser im und nicht gegen die Interessen der Opfer gewesen wäre. Die Nebenklage hatte aber keine Möglichkeit, einen Deal zulasten der Opfer zu verhindern, dies konnte nur die Staatsanwaltschaft, indem sie dem Deal nicht zugestimmt hätte.

 

Der Petition – das muss ich noch mal klarstellen – geht es dabei in keiner Weise darum, auf Gerichte einzuwirken. Diese sind unabhängig und sie wollen, sie sollen und sie müssen es auch sein. Aber ein Justizminister oder eine Justizministerin kann gegenüber der Staatsanwaltschaft von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen, jedoch nicht hinsichtlich eines konkreten Verfahrens. Es besteht aber gemäß den Petenten die Möglichkeit für generelle Erlasse, Richtlinien oder Weisungen im Umgang mit bestimmten rechtlichen Fragen gegenüber den Staatsanwaltschaften. So ist es durchaus denkbar, dass Staatsanwaltschaften angewiesen werden können, bei Taten aus rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen und weiteren sonstigen menschenverachtenden Beweggründen auf keine Deals mit den Tätern einzugehen, wenn diese zulasten der Opfer gehen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Petition wurde zur Mitberatung an den Justizausschuss gegeben. Demnach steht eine abschließende Beratung im Petitionsausschuss noch aus. Nicht nur im Hinblick auf den erstarkenden Rechtsextremismus im Land, auch für die Opfer von Nazigewalt wäre dies ein wichtiges und dringendes Signal der Thüringer Justiz, dass rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische und menschenverachtende Straftaten mit Nachdruck verfolgt und entsprechend bestraft werden.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Im Namen der Linksfraktion möchte ich mich ausdrücklich bei den „Omas gegen Rechts“ bedanken.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ihre Initiative und die engagierte Anhörung werden einiges bewegen.

Ein anderes Problem, das Menschen in Thüringen immer wieder umtreibt und im wahrsten Sinne des Wortes den Schlaf raubt, ist das Thema „Verkehrsbelastung auf Ortsdurchfahrten“. Zu diesem Themengebiet haben wir fast immer Petitionen auf der Tagesordnung und häufig auch in Anhörungen und es kommen regelmäßig ganz neue aus unterschiedlichsten Regionen des Landes Thüringen dazu. Die Probleme sind fast immer identisch, die Menschen klagen über den Verkehrslärm von schweren Lkw, die ihre Häuser zum Zittern bringen, und sie haben Sorge um ihre Kinder, die auf ihrem Schulweg an der Straße entlanglaufen oder diese überqueren müssen. Die einfachsten Maßnahmen der Verkehrsberuhigung sind jedoch nicht ohne verkehrsrechtliche Anordnungen möglich und da weiß man, diese Verantwortung liegt bis dato nicht auf der Seite der Kommunen, sondern eine Ebene höher. Die Lärmberechnung beispielsweise ist gesetzlich erst ab einer Verkehrsbelastung von über 8.200 Fahrzeugen pro Tag vorgesehen. Mit anderen Worten: Wenn noch kein Fußgänger totgefahren wurde und nur 7.000 Fahrzeuge am Tag den Ort passieren, dann passiert auch nichts, auch dann nicht, wenn Anwohnerinnen und Anwohner mit eigenen Messgeräten mehrfach die deutliche Überschreitung feststellen. Nicht selten hat man hier das Gefühl, dass Bitumen vor Bürgerinnen geht. Ich sehe hier dringenden Handlungsbedarf. Die Gemeinden können selber am besten einschätzen, ob und an welcher Stelle ihre Einwohnerinnen und Einwohner unter Straßenlärm leiden. Sie müssen daher in die Lage versetzt werden, auch selbstständig mitzuentscheiden.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Von daher unterstütze auch ich die Initiative für lebenswerte Städte und Gemeinden durch angemessene Geschwindigkeiten, an der sich bereits 800 Kommunen in ganz Deutschland beteiligt haben.

 

Die Kommunen fordern gegenüber dem Bund, dass sie beim Thema „stadt- und gemeindeverträgliche Geschwindigkeiten“ das Heft selbst in die Hand nehmen dürfen.

 

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Sehr gut!)

 

In Thüringen sieht die Beteiligung allerdings noch etwas dünn aus. Von daher noch einmal die ernst gemeinte Werbung: Schließen Sie sich dieser Initiative an.

Abschließend möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung, dem Bürgerbeauftragten Herzberg und vor allen Dingen, ganz wichtig, bei allen Petentinnen bedanken. Der Dank geht aber auch an die Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen im Petitionsausschuss, denn wie Sie meinen Ausführungen entnehmen können und wie Sie gesehen haben, ist der Thüringer Petitionsausschuss hochpolitisch, hochgradig tagesaktuell und vor allen Dingen zeichnet er sich durch fraktionsübergreifende Sacharbeit aus, immer im Sinne der Menschen in Thüringen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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