Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2019 1/2

Anja Müller

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/1711

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, ich freue mich sehr, Sie erstmals von dieser Stelle aus über die Arbeit des Petitionsausschusses informieren zu können.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Da wir alle diese Hefte in unseren Postfächern gefunden haben, wird mein Bericht – ich glaube, in drei Minuten werden wir dann auch durch sein.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf aus dem Hause: Ich habe es noch nicht!)

 

Okay, dann werde ich es länger halten. Der Arbeitsbericht für das Jahr 2019 gibt einen umfangreichen Überblick über das Wirken des Petitionsausschusses. Neben statistischen Angaben finden sich insbesondere zahlreiche Beispielsfälle, die einen Überblick über die an den Landtag gerichteten Eingaben verschaffen sollen. Wenn ich Sie jetzt noch einmal gedanklich mitnehme in das abgelaufene Jahr 2019, dann weiß ich auch, dass der Rückblick in diesem Jahr deutlich schwerer fällt als in den vergangenen Jahren. Eine – wie soll ich es bezeichnen – ausgewachsene Thüringer Staatskrise zu Beginn des Jahres und die Corona-Pandemie haben fast vergessen lassen, dass es auch im Jahr 2019 bereits Probleme gegeben hat, die die Thüringer Bürgerinnen und Bürger bewegt und beschäftigt haben.

 

Artikel 14 der Thüringer Verfassung ermöglicht jedermann, sich mit Bitten oder Beschwerden an den Landtag zu wenden. Nach Artikel 65 bestellt der Landtag einen Petitionsausschuss, dem die Entscheidung über die an den Landtag gerichteten Eingaben obliegt. Damit ist der Petitionsausschuss der einzige in der Verfassung verankerte Pflichtausschuss, was bereits seine Sonderstellung und große Bedeutung beschreibt.

Der Petitionsausschuss ist für die Bürgerinnen und Bürger die Anlaufstelle, wenn es darum geht, auf große und kleine Probleme im Umgang mit Behörden aufmerksam zu machen, mögliche Defizite in der Gesetzgebung aufzuzeigen oder einfach ganz persönliche Problemstellungen dem Parlament darzulegen.

 

Damit ist der Petitionsausschuss eine wichtige Schnittstelle zwischen unserer Arbeit als gewählte Abgeordnete und den Bürgerinnen und Bürgern. Als Mitglied im Petitionsausschuss bekommt man schnell einen Eindruck, wo der Schuh drückt und welche Aufgaben in der parlamentarischen Arbeit grundsätzlich angegangen werden sollten.

 

Im Berichtszeitraum 2019 haben den Petitionsausschuss insgesamt 764 neue Petitionen erreicht. Nach dem Allzeithoch im Jahr 2015 mit 1.130 Petitionen und ebenfalls über 1.100 Petitionen in den Jahren 2016 und 2017 ist damit nach 831 Petitionen im Jahr 2018 ein erneuter Rückgang der Eingangszahlen zu verzeichnen. An dieser Feststellung schließt sich unweigerlich die Frage, womit dieser Rückgang der Eingangszahlen erklärt werden kann. Wirft man dann noch mal einen genauen Blick auf die einzelnen Sachgebiete, dann fällt auf, dass wir zunächst in nahezu allen Bereichen vergleichbare Eingangszahlen verzeichnen konnten. Lediglich im Bereich Straf- und Maßregelvollzug sind die Eingänge von 169 auf 86 Petitionen signifikant zurückgegangen. Schauen wir noch ein Jahr weiter zurück, nämlich auf das Jahr 2017, da wurden im Bereich Straf- und Maßregelvollzug sogar noch 340 Petitionen registriert. Somit gingen aus dem Bereich Strafvollzug im vergangenen Jahr im Verhältnis zum Jahr 2018 83 Petitionen weniger und im Verhältnis zum Jahr 2017 sogar 256 Petitionen weniger ein, womit sich also ein ganz wesentlicher Teil des Rückgangs der Petitionseingänge nachvollziehen lässt.

 

Dabei möchte ich jedoch mahnen, es sich an dieser Stelle nicht so einfach zu machen und zu sagen: Aha, im Straf- und Maßregelvollzug gibt es also erheblich weniger Problemfälle, alles ist dort wieder gut. Wir alle wissen, dass insbesondere die personellen Herausforderungen im Strafvollzug trotz der inzwischen vermehrten Ausbildung von jungen Anwärterinnen und Anwärtern auch in den kommenden Jahren aufgrund der Welle von Pensionierungen unter den Justizvollzugsbeamten hoch bleiben werden.

Was ich jedoch in den vergangenen Jahren als Vorsitzende der Strafvollzugskommission wahrgenommen habe, ist, dass tatsächlich Problemlagen, die gleichzeitig eine Vielzahl von Gefangenen betroffen haben, seltener geworden sind. Beispielsweise mussten wir noch im …

 

Vizepräsidentin Marx:

 

Ich darf doch um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten und darum, Gespräche nicht hier im Plenarsaal zu führen, sondern nach draußen zu verlegen und vor allen Dingen der Rednerin nicht den Rücken zuzuwenden.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das ist normalerweise in früheren Legislaturperioden immer Grund für Ordnungsrufe gewesen.

 

Abgeordnete Müller, DIE LINKE:

 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es geht um den Bericht des Petitionsausschusses und dieser Bericht ist – wie sagt man? – ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und legt Probleme offen dar. Deswegen ist es schön, dass wir Aufmerksamkeit haben.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich beginne jetzt diesen Satz noch mal von vorne.

 

Beispielsweise mussten wir noch im Jahr 2017 feststellen, dass aufgrund personeller Engpässe in der JVA Tonna eine Vielzahl an Freizeitmaßnahmen, aber teilweise auch der tägliche Arbeitseinsatz der Gefangenen nicht mehr gewährleistet werden konnte. Diese Umstände haben natürlich auch dementsprechend viele Gefangene veranlasst, auf diese Probleme hinzuweisen. Zwischenzeitlich ist es der JVA Tonna jedoch gelungen, durch personelle Umstrukturierungen die entsprechenden Maßnahmen besser abzusichern, sodass es zu weniger Ausfällen kommt. Dieses Beispiel soll Ihnen nur einen kleinen Eindruck geben, welche Ursachen hinter sich verändernden Eingangszahlen stehen können und welche Rückschlüsse man daraus ziehen oder eben gerade nicht ziehen sollte.

 

Auf der anderen Seite spielen in der politischen Diskussion und auch in der medialen Berichterstattung immer öfter Petitionen eine Rolle, die auf privaten Petitionsportalen im Internet veröffentlicht werden und dort je nach Thema teilweise ganz erhebliche Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger erfahren. Mir liegt es fern, diese privaten Portale – wie openPetition oder Change.org, um nur einige zu nennen – als Konkurrenz des parlamentarischen Petitionswesens zu betrachten. Wir müssen jedoch zur Kenntnis nehmen, dass diese Angebote offenbar niedrigschwelliger als das parlamentarische Petitionswesen sind und daher verbreitet Zulauf aus der Gesellschaft erfahren. Dies begrüße ich soweit ausdrücklich, wie gewährleistet ist, dass die auf den privaten Portalen veröffentlichten Petitionen auch den Weg zum zuständigen Petitionsausschuss finden, damit wir uns auch in einem parlamentarischen Petitionsverfahren mit den Angelegenheiten befassen können. Allerdings müssen wir auch immer wieder feststellen, dass eine Vielzahl dieser Petitionen bei uns im Ausschuss gar nicht ankommt und damit als schlichte Meinung auf den privaten Petitionsportalen verbleibt. Dies ist insofern problematisch, da die Mitzeichner verständlicherweise die Erwartungshaltung haben, dass ihre dort unterzeichnete Petition Gegenstand der politischen Auseinandersetzung wird. Eine solche unmittelbare politische Auseinandersetzung gewährleisten die privaten Petitionsportale jedoch gerade nicht. Wenden sich die Initiatoren nicht von sich aus an den zuständigen Petitionsausschuss, fehlt uns tatsächlich die Grundlage, sich mit diesen Problemstellungen auseinanderzusetzen. Damit droht dann das gemeinsame Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, ein konkretes Anliegen zu formulieren und zu adressieren, zu einem Bumerang zu werden, der womöglich die Politikverdrossenheit eher noch verstärkt, als dass das Vertrauen in die demokratischen Strukturen gestärkt würde. Doch was können wir hiergegen tun? Ich denke, in erster Linie sollten wir versuchen, im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit immer wieder darauf hinzuweisen, dass Petitionen auf privaten Petitionsportalen kein Selbstläufer sind, sondern auf jeden Fall auch an den zuständigen Petitionsausschuss adressiert werden müssen. Aber natürlich betreiben wir mit der Petitionsplattform des Landtags auch selbst ein vergleichbares Angebot, das meines Erachtens gegenüber den privaten Portalen ohnehin eine Reihe von Vorteilen bietet. Auch hier sollten wir nicht müde werden, die eigene Petitionsplattform in den Fokus der Thüringerinnen und Thüringer zu rücken und offensiv zu bewerben.

 

Aber was waren denn nun tatsächlich gerade die hervorspringenden Themen, mit denen wir uns im Jahr 2019 im Petitionsausschuss befasst haben?

 

An erster Stelle sind aus meiner Sicht natürlich die Petitionen zu nennen, zu denen wir aufgrund der erheblichen öffentlichen Unterstützung öffentliche Anhörungen durchgeführt haben.

 

Zur Erinnerung: Bereits seit dem Jahr 2013 besteht die Möglichkeit, Petitionen auf der Petitionsplattform des Landtags im Internet zu veröffentlichen und dort mitzeichnen zu lassen. Dieses Angebot wird weiterhin sehr gut angenommen. Im Jahr 2019 konnten wir 32 Petitionen auf der Plattform veröffentlichen. Davon haben zwei Petitionen die für eine öffentliche Anhörung erforderliche Schwelle von 1.500 Mitzeichnungen übersprungen. Insgesamt wurden im Jahr 2019 die auf der Plattform veröffentlichten Petitionen mit über 12.000 Mitzeichnungen bedacht. Damit können wir auf jeden Fall sagen, die Plattform wird von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen und in einem großen Maße genutzt.

Die seit der Einführung der Petitionsplattform regelmäßig durchgeführten öffentlichen Anhörungen haben das Petitionsverfahren noch einmal wesentlich bereichert. In den öffentlichen Anhörungen wird den Petenten ein Forum geboten, ihr Anliegen unmittelbar gegenüber den Mitgliedern des Ausschusses zu verdeutlichen, und das in der Regel vor einer großen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die die Anhörung vor Ort im Landtag verfolgen. Aber auch unsere Medienvertreter berichten über unsere Anhörungen und sorgen damit dafür, dass die Petitionsthemen noch einmal mehr in das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit rücken.

 

Besonders im Fokus stand sicherlich die Anhörung zur Petition „Rechtsrock versus Versammlung“, nachdem in den vergangenen Jahren Thüringen leider immer mehr zu einem Hotspot von Konzertveranstaltungen der rechten Szene geworden war. Ein Bündnis von engagierten Menschen, die die Konzertveranstaltungen bereits regelmäßig mit couragierten Gegenprotesten begleitet hatten, wollte dies nicht länger hinnehmen. Sie kritisierten insbesondere, dass die großen Konzerte der rechten Szene immer wieder als Versammlungen angemeldet wurden und damit das Grundrecht der Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch nahmen, obwohl die Konzerte in erster Linie kommerzielle Zwecke – nämlich das Erzielen von Einnahmen – verfolgten. In diesem Zusammenhang hat das Bündnis verschiedene Maßnahmen von der Landesregierung gefordert, um eine Ausnutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit für vergleichbare kommerzielle Veranstaltungen auszuschließen. Konkret hat das Bündnis die Landesregierung aufgefordert, die zuständigen Versammlungsbehörden massiv bei der Versagung des Versammlungsstatus von Rechtsrockkonzerten zu unterstützen und die bestehende Rechtsprechung zum Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit umzusetzen. Aus Sicht der Initiatoren könnte mit einem ausgeurteilten Klageweg und den daraus folgenden Urteilen der Gerichte Rechtssicherheit für die Behörden und die Bevölkerung erreicht werden.

 

Die dargestellte Petition wurde zunächst auf der Plattform des Landtags veröffentlicht und dort von über 2.600 Mitzeichnerinnen und Mitzeichnern unterstützt. Aufgrund des erheblichen öffentlichen Interesses hat der Petitionsausschuss schließlich im April 2019 eine öffentliche Anhörung durchgeführt. In dieser hatten die Initiatoren die Gelegenheit, die bestehenden Probleme zu verdeutlichen und in einen argumentativen Austausch mit dem ebenfalls anwesenden Innenminister zu treten. Nach der Anhörung wurde die schwierige Materie zunächst in den mitberatenden Ausschüssen beraten. Anschließend wurde im Petitionsausschuss beschlossen, der Landesregierung die Umsetzung eines Sechs-Punkte-Plans zu empfehlen. Dieser Sechs-Punkte-Plan sah insbesondere vor, die Versammlungsbehörden konsequent dabei zu unterstützen, zeitnah zur Versammlungsanmeldung rechtssichere und fachlich begründete Bescheide zu verfassen. Dazu sollte die vom Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales eingesetzte Taskforce „Versammlungslagen“ dauerhaft weiterbetrieben werden. Diese Taskforce soll auch die Rechtsprechung in anderen Bundesländern auswerten und am Grundrecht auf Versammlungsfreiheit orientiert praktische Anwendungshinweise an die zuständigen Versammlungsbehörden geben. Die weitere Entwicklung dieses Themas im Jahr 2019 stimmt mich jedenfalls positiv, da es offenbar zunehmend gelingt, Thüringen als Standort für Rechtsrockkonzerte unattraktiver zu machen.

 

Im ersten Halbjahr des Jahres 2019 hat sich der Petitionsausschuss auch mit bildungs- und jugendpolitischen Themen auseinandergesetzt. Im Bereich der Kindergärten erreichte den Petitionsausschuss beispielsweise eine Petition des Fröbel-Kreises Bad Blankenburg. Ziel der Petition war es, den Begriff „Kindergarten“ wieder in den offiziellen Sprachgebrauch in Deutschland einzubringen. Die Petenten setzten sich insbesondere dafür ein, die Begriffe „Kindertagesbetreuung“ oder „Kindertageseinrichtung“ im öffentlichen Sprachgebrauch, zum Beispiel in Gesetzestexten oder Bildungsplänen, durch den ursprünglichen Begriff „Kindergarten“ zu ersetzen. Zu der Petition erreichten den Petitionsausschuss auf der Petitionsplattform über 900 Mitzeichnungen. Darüber hinaus wurden in diesem Fall auf einer privaten Plattform weitere fast 7.000 Mitzeichnungen gesammelt, sodass der Petitionsausschuss auch in dieser Angelegenheit eine öffentliche Anhörung durchgeführt hat. Im März 2019 erhielten die Petenten die Gelegenheit, ihr Anliegen im Plenarsaal des Thüringer Landtags vorzustellen. Im Ergebnis wurde die Petition zum Anlass genommen, den bereits eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetzes sprachlich anzupassen. Damit wurde im Gesetzestitel die Kurzbezeichnung in „Thüringer Kindergartengesetz“ geändert und das Namenswahlrecht „Kindergarten“ im Gesetz verankert. Kindertageseinrichtungen haben nun das Recht, in ihrem Namen die Bezeichnung „Kindergarten“ als Namensteil zu führen. Damit konnte dem Interesse der Initiatoren der Petition „Die Welt spricht Kindergarten“ in weiten Teilen Genüge getan werden.

 

Bei einer weiteren öffentlichen Anhörung hatten wir uns mit Problemstellungen bei der Zulassung ausländischer Ärzte befasst. Zu diesem Themengebiet teilte uns seinerzeit die Landesregierung mit, dass aufgrund einer Vielzahl von Antragstellungen tatsächlich strukturelle und personelle Probleme im zuständigen Landesverwaltungsamt offenbar wurden, die zwischenzeitlich aber hätten abgestellt werden können. Mit diesen Informationen wurde das Petitionsverfahren zunächst abgeschlossen. Doch mittlerweile ist zu konstatieren, dass uns zwischenzeitlich im Juli 2020 eine Nachfolgepetition zum gleichen Thema vom Verband der Privatkliniken in Thüringen erreicht hat, sodass sich der Petitionsausschuss erneut mit dieser Thematik befassen wird.

 

Die letzte öffentliche Anhörung im Jahr 2019 befasste sich mit dem von den Petenten geforderten „Erhalt der Natur und Kulturlandschaft Vogtland“. Im Zentrum dieser Anhörungen standen insbesondere Befürchtungen, dass im Bereich des thüringischen, sächsischen und bayrischen Vogtlandes großräumig Windvorranggebiete ausgewiesen werden könnten. Im Ergebnis konnte jedoch zumindest für den thüringischen Teil konstatiert werden, dass die zuständige Regionale Planungsgemeinschaft bei der Überarbeitung des Regionalplans mittlerweile keine entsprechende Zielstellung mehr verfolgt. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Themen „Raumordnung“ und „Windenergie“ Gegenstand einer Vielzahl von Petitionen waren, die uns im Herbst 2019 erreicht haben.

 

Aufgrund des Wechsels der Wahlperiode und der mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen im 1. Halbjahr dieses Jahres konnte sich der Petitionsausschuss diesen Themenblöcken bisher noch nicht abschließend widmen. Allerdings haben wir uns jüngst in der letzten Ausschusssitzung auf einen Fahrplan verständigt, wie wir mit diesen Petitionen und insbesondere mit den noch ausstehenden öffentlichen Anhörungen zu diesem Themenbereich umgehen wollen. Und ich verrate sicherlich nicht zu viel: Es wird ein heißer Herbst werden.

 

Doch welche Themen haben uns über die öffentlichen Anhörungen hinaus im Jahr 2019 beschäftigt? Darüber verschafft der vorliegende Arbeitsbericht, denke ich, einen guten Eindruck, mit welcher Bandbreite an Problemen wir uns im Ausschuss beschäftigen. Beispielsweise fragten sich die Anwohner einer kleinen Gemeinde, ob sie mit 40-jähriger Verspätung nunmehr tatsächlich Herstellungsbeiträge für das teilweise selbst errichtete Kanalnetz bezahlen müssen. Das betroffene Wohngebiet war Ende der 1970er-Jahre an die Kläranlage angeschlossen worden. Hierzu hatten seinerzeit teils die Gemeinde, teils die Anwohner das Material beigesteuert. Die Technik für die Baumaßnahme hatte damals die örtliche LPG bereitgestellt. Der Einbau erfolgte schließlich durch die Anwohner in Eigenleistung. Vor diesem Hintergrund konnten die Anwohner nicht nachvollziehen, dass der nunmehr zuständige Zweckverband scheinbar rückwirkend für das zu DDR-Zeiten angelegte Kanalnetz Herstellungsbeiträge erheben wollte. Im Zuge des Petitionsverfahrens konnte der Ausschuss jedoch klären, dass der Zweckverband nicht den von den Anwohnern zu DDR-Zeiten in Eigenleistung angelegten Kanalabschnitt abgerechnet hat. Aus der Globalberechnung des Zweckverbandes ergab sich, dass lediglich Investitionen ab dem Jahr 1993 berücksichtigt wurden. Im Ergebnis konnte somit geklärt werden, dass die von den Petenten befürchtete doppelte Abrechnung nicht gegeben war.

 

Im Rahmen eines anderen Petitionsverfahrens wurden rechtliche Probleme bei der grundbuchmäßigen Erfassung von Waldgrundstücken offenbar. Eine Thüringer Waldgenossenschaft hatte den Petitionsausschuss darauf aufmerksam gemacht, dass es aufgrund einer Regelungslücke nicht möglich sei, Mitglieder einer Waldgenossenschaft und deren Anteile in das Grundbuch eintragen zu lassen. Das vom Petitionsausschuss beteiligte Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft teilte uns im Petitionsverfahren mit: Nach den bundesrechtlichen Regelungen zum Grundbuch sei lediglich die Eintragung der Waldgenossenschaft, nicht aber die namentliche Eintragung ihrer Mitglieder und deren Anteile im Grundbuch möglich. Eine Lösung der Angelegenheit könnte durch die Anlage eines Anteilsgrundbuchs erfolgen. Hierfür seien jedoch Änderungen im Thüringer Waldgesetz notwendig. – Im März 2019 wurde von der Landesregierung schließlich das „Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes – Schaffung eines forstwirtschaftlichen Vorkaufsrechtes“ in den Landtag eingebracht. Dieser Gesetzentwurf sah in den §§ 54 ff. auch klarstellende Regelungen für die Eintragung von Waldgenossenschaften in das Grundbuch vor. Der Landtag hat der Gesetzesänderung schließlich in seiner 157. Plenarsitzung zugestimmt.

Ich denke auch hier, dieser Fall zeigt exemplarisch, dass Petitionen tatsächlich geeignet sind, auf bestehende Regelungslücken oder rechtliche Probleme im Allgemeinen hinzuweisen. Umso schöner ist es, wenn es dann auch noch gelingt, im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens für Abhilfe zu sorgen.

 

Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle auch eine Petition, die bereits bei der Berichterstattung im vergangenen Jahr Thema gewesen ist und zwischenzeitlich endlich einen Abschluss gefunden hat. Die Bewohner der Siedlung Schern, einem Teil des zur Gemeinde Werther gehörenden Orts Großwechsungen, hatten sich mit der Bitte um Unterstützung an den Petitionsausschuss gewendet, weil das Wasser, das sie aus eigenem Brunnen beziehen, in hohem Maße nitratbelastet ist und als Trinkwasser nicht verwendet werden darf. Nach einem langwierigen, mehrere Jahre andauernden Petitionsverfahren hat sich nunmehr endlich eine Lösungsmöglichkeit für die Betroffenen abgezeichnet. Einen Rückblick, worum es ging, will ich kurz darlegen. In der Siedlung Schern war – wie gesagt – bereits 2016 die Nitratbelastung durch das Gesundheitsamt festgestellt worden. Seitdem decken die Einwohner der Siedlung, die nicht an die öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossen ist, ihren Trinkwasserbedarf mit Flaschenwasser aus dem Handel. Die Betroffenen beklagen, dass der zuständige Zweckverband sich seiner Verantwortung entzieht und weder zu einem Anschluss an die zentrale Trinkwasserversorgung, noch zu einer sonstigen akzeptablen Lösung des Problems bereit sei. Der Petitionsausschuss unterstützte das Anliegen der Anwohner und sah den Zweckverband in der Pflicht, im Rahmen der Daseinsvorsorge sicherzustellen, dass die Haushalte des Ortsteils mit gesundheitlich unbedenklichen Trinkwasser versorgt werden. Der Zweckverband lehnte jedoch einen Anschluss der Siedlung Schern an sein Trinkwassernetz mit der Begründung ab, dies sei aufgrund der geringen Anzahl der Haushalte, der im Außenbereich gelegenen Siedlung und der Länge der erforderlichen Versorgungsleitung nicht vertretbar. Der Petitionsausschuss forderte den Zweckverband daher auf, den Bewohnern eine annehmbare Alternativlösung anzubieten. So wurde die Möglichkeit diskutiert, einen tieferen, zentraleren Brunnen anzulegen. Der Zweckverband stellte jedoch klar, dass er den Brunnenbau zwar fachlich unterstützen, sich aber nicht an den dafür erforderlichen Investitionen beteiligen könne. Für den Petitionsausschuss war die Haltung schwer nachvollziehbar, auch weil in den vergangenen Jahren der Zweckverband Gewinnausschüttungen an seine Mitgliedsgemeinden ausgereicht hatte. Nachdem keine weitere Bewegung des Zweckverbandes zu verzeichnen war, hat der Petitionsausschuss schließlich die Petition an die Landesregierung mit der Bitte überwiesen, den Fall erneut zu prüfen und nochmals intensiv nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Landesregierung berichtete dem Petitionsausschuss, eine umfassende rechtliche Prüfung durchgeführt zu haben. Diese habe ergeben, dass ein Anspruch der Bewohner der Siedlung auf Anschluss an das zentrale Trinkwassernetz nicht bestehe. Allerdings hat die Landesregierung auf eine neu entwickelte Förderrichtlinie des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz hingewiesen. Diese sehe auch Fördermöglichkeiten für die im Petitionsverfahren bereits angedachte Alternativlösung, nämlich der Schaffung eines oder mehrerer Grundstandorte und eines örtlichen Leitungsnetzes vor. So konnte der Petitionsausschuss schließlich feststellen, dass die am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Förderrichtlinie „Sonderprogramm Infrastruktur ländlicher Raum“ auch Zuwendungen in Höhe von 85 Prozent für Brunnenaufbereitungsanlagen und Leitungen für Grundstücke im Außenbereich ermöglicht, für die der kommunale Aufgabenträger nicht versorgungspflichtig ist. Der Petitionsausschuss geht nunmehr davon aus, dass die betroffenen Grundstückseigentümer endlich die Möglichkeit haben, mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand die entsprechenden Trinkwasseranlagen zu errichten und entsprechende Förderanträge zu stellen. Auch wenn das Ergebnis gegenüber dem ursprünglichen Petitum eine Alternativlösung darstellt, zeigt auch dieses Beispiel, dass es sich lohnt, sich mit seinen Anliegen an den Petitionsausschuss zu wenden.

 

Eingangs hatte ich bereits über die sich verändernden Petitionszahlen aus dem Bereich Strafvollzug berichtet. Zum Ende meiner Ausführungen möchte ich nun noch einmal einen kurzen Blick auf die Strafvollzugskommission richten. Die Strafvollzugskommission ist ein ständiger Unterausschuss des Petitionsausschusses und hat nach § 13 des Thüringer Petitionsgesetzes insbesondere die Aufgabe und die Möglichkeit, sich unmittelbar vor Ort in den Justizvollzugsanstalten und Maßregelvollzugskliniken einen Eindruck von den dortigen Verhältnissen zu verschaffen. Dabei haben die Mitglieder der Strafvollzugskommission auch regelmäßig die Möglichkeit, unter vier Augen mit den Gefangenen und Untergebrachten zu sprechen und die so wahrgenommenen Probleme als Petitionen an den Petitionsausschuss heranzutragen.

 

Darüber hinaus war es mir als Vorsitzende der Strafvollzugskommission immer wichtig, bei unseren regelmäßigen Besuchen in den Anstalten auch ein offenes Ohr für die Probleme und Anregungen der Vollzugsbeamtinnen und  beamten zu haben. Die Thüringern Vollzugsbeamtinnen und  beamten sind täglich mit anspruchsvollen Aufgaben und Situationen konfrontiert. Wie bereits erwähnt, führte die doch sehr auf Kante genähte Personalausstattung zu Belastungen aufseiten des Personals. Eine dementsprechend andere Perspektive nahm dann auch eine Petition von einigen Bediensteten der Jugendstrafanstalt Arnstadt ein. Diese wiesen auf von ihnen ausgemachte technische und personelle Probleme in der Anstalt hin und baten um Unterstützung.

 

Die Strafvollzugskommission hat die JSA Arnstadt im Januar 2019 besucht. Dabei standen die beiden Themenkomplexe „Sicherheitstechnik“ und „Personalsituation“ im Vordergrund.

Bei der Besichtigung der Sicherheitszentrale überzeugten sich die Mitglieder der Strafvollzugskommission zunächst vom Zustand der Sicherheitsanlage. Dabei nahmen sie zunächst zur Kenntnis, dass im Zuge einer umfangreichen Wartung der Sicherheits- und Videotechnik die zuvor bestehenden Probleme mit der Handhabung des Systems abgestellt werden konnten. Anschließend hat die Strafvollzugskommission vor Ort eine Diskussion über die in der Petition benannten personellen Probleme angestoßen. Seitens des Ministeriums wurde hierzu noch einmal erläutert, dass die für die JSA Arnstadt prognostizierte Zahl von 165 Bediensteten im mittleren Dienst im Rahmen der Bauantragsphase lediglich auf einer überschlägigen Schätzung beruht habe. Diese Zahl sei in der Realität jedoch nie erreicht worden. Gleichzeitig verwies das Ministerium darauf, dass zwischenzeitlich die angemahnte Personalbedarfsberechnung vorgenommen worden sei und nun als Grundlage für weitere Personalplanungen zur Verfügung stehe.

Nach dem Besuch in der JSA Arnstadt hat der Petitionsausschuss die Petition abschließend beraten. Dabei stellten wir fest, dass deutlich sichtbare Maßnahmen ergriffen worden sind, um insbesondere die Sicherheitstechnik zu verbessern und die Bedienbarkeit zu erleichtern. Mit Blick auf die Personalsituation in der JSA Arnstadt, aber auch in den anderen Thüringer Justizvollzugsanstalten, ist dem Petitionsausschuss bewusst, dass erhebliche Bemühungen unternommen werden müssen, um neues Personal für den Justizvollzug zu rekrutieren.

 

Das zwischenzeitlich vorliegende Personalentwicklungskonzept für den Justizvollzug sollte die Grundlage dafür bilden, in den kommenden Jahren bedarfsgerecht Anwärter für den Dienst im Justizvollzug auszubilden. Der Petitionsausschuss und die Strafvollzugskommission werden den Prozess der Personalentwicklung auch in Zukunft kritisch begleiten und natürlich weiterhin als Ansprechpartner für die Bediensteten zur Verfügung zu stehen.

 

Zum Ende meiner Ausführungen möchte ich diese Gelegenheit hier vorne nutzen, um ein paar Dankesworte loszuwerden. Danke sagen möchte ich zunächst meinem Vorgänger im Amt des Vorsitzenden des Petitionsausschusses – Herr Heym, vielen Dank! –,

 

(Beifall DIE LINKE, CDU)

 

dass er in der 6. Wahlperiode – ja, da dürfen Sie wirklich mal applaudieren, weil ich glaube, diese Aufgabe wird häufig unterschätzt – den Ausschuss sehr konstruktiv geleitet hat.

 

Bedanken möchte ich mich auch bei den aktuellen und bereits ausgeschiedenen Mitgliedern des Petitionsausschusses für ihre engagierte Arbeit, Mitarbeit und den Willen, trotz unterschiedlicher politischer Ansichten konstruktive Lösungen für unsere Petentinnen und Petenten zu erreichen. Bei diesem Ziel unterstützt uns auch der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen, Herr Dr. Herzberg – ich weiß nicht, ob er hier ist –, dem ich ebenfalls herzlich danken möchte. Von dieser Stelle aus auch noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Wir freuen uns auf die weiterhin konstruktive Zusammenarbeit in Ihrer zweiten Amtszeit.

 

Konstruktiv ist auch zuallermeist die Zusammenarbeit mit den Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung, die uns im Petitionsausschuss aufsuchen und bei der Sachverhaltsermittlung behilflich sind. Ich weiß, es ist nicht immer ein Vergnügen, uns Abgeordneten dort Rede und Antworten zu stehen und dabei das eine oder andere Mal auch unseren Unmut zu spüren zu bekommen – und das meistens für Dinge, die die Kolleginnen und Kollegen freilich nicht selbst zu verantworten haben. Aber vielen herzlichen Dank auch immer dafür!

 

(Beifall DIE LINKE, CDU, FDP)

 

Weiterhin möchte ich Danke sagen an unser Petitionsreferat. Das ist ja ein richtig tolles Team. Schade, dass sie heute nicht oben sitzen, denn die bereiten uns als Vorsitzende des Ausschusses – Herr Heym wird das bestätigen können – diesen wunderbaren Sprechzettel vor. Ich habe es extra gelb markiert. Nun haben sie für sich auch noch einen Dank draufgeschrieben, das hätten sie gar nicht machen müssen. Liebes Petitionsreferat, an dieser Stelle von all den Mitgliedern aus dem Ausschuss ein ganz dickes Dankeschön für eure engagierte Arbeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.

 

(Beifall im Hause)

 

Und jeder, der mal Anrufe bekommt in seinem Wahlkreisbüro oder wo auch immer, der weiß, dass dieser Umgang sehr viel Feingefühl erfordert, und das machen die echt hervorragend.

 

Jetzt zum Schluss hoffe ich, dass Sie einen kleinen Einblick in unsere Arbeit im Petitionsausschuss gewinnen konnten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Aussprache. Vielen herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP)

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