Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2018 1/2

Anja Müller

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/7182

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne oder am Livestream, der Petitionsausschuss – vielleicht für die Schülerinnen da oben, das ist immer so ein großes Wort – ist eigentlich der Bürgerausschuss, der sich mit den Anliegen der Menschen beschäftigt, wenn sie ein Problem haben. Gerade auch für die Jüngeren oben auf der Tribüne: Eine Petition kann man unabhängig vom Alter einreichen. Bereits wenn ihr auf die Welt kommt und der Schnuller der Eltern nicht passt, habt ihr das Recht, eine Petition einzureichen und euch dagegen zu wehren.

 

(Heiterkeit DIE LINKE)

 

Ich gebe das den jungen Menschen immer gerne mit, weil sie gar nicht um die Rechte wissen, die sie haben, und die Möglichkeiten, sich einzubringen oder aber auch zu beschweren.

 

Weil es auch für mich vielleicht die letzte Rede zum Petitionsbericht sein wird, kann ich auch noch mal meinem Kollegen Hande danken. Der Kollege Hande hatte vor ein paar Jahren eine wunderbare Idee und sagte, lasst uns doch einen Kinderflyer „Petitionsrecht“ machen, wo mit Piktogrammen dargestellt wird, wie ich etwas einreiche. Der Landtag hat dann – dank dem damaligen Präsidenten – noch nachgezogen und so gibt es Petitionsflyer für Kinder. Das ist ein Recht, das ihr unbedingt wahrnehmen solltet. Das gilt für Schule usw. Das war mir für den Anfang wichtig, weil oben auch junges Publikum sitzt.

Nun komme ich zurück zu meiner Rede. Im Artikel 65 der Thüringer Verfassung steht: „Der Landtag bestellt einen Petitionsausschuss, dem die Entscheidung über die an den Landtag gerichteten Eingaben obliegt.“ Damit ist der Petitionsausschuss der einzige Ausschuss, der von der Thüringer Landesverfassung vorgeschrieben wird. Er muss verpflichtend vom Landtag eingerichtet werden. An dieser herausgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung kann man die besondere Bedeutung erkennen, die dem Petitionsrecht in unserer parlamentarischen Demokratie zukommt. Und dieses Recht wird auch häufig genutzt. Wie Herr Vorsitzender Heym schon betonte, in diesem Berichtsjahr gab es 831 Eingaben. Trotz eines Rückgangs im Vergleich zu den Vorjahren bleibt die Anzahl der jährlichen Petitionen auf einem hohen Niveau. Dabei ist jede ein sichtbarer Ausdruck dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger nicht einfach nur über einen Missstand beklagen – nach dem Motto, die da oben machen doch sowieso nur das, was sie wollen und wir haben keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Nein, man hat Einfluss, und mit einer Petition kann man selbst aktiv werden und Missstände beseitigen, und das zum Teil mit Erfolg.

 

Ich will es auch an zwei Beispielen benennen. Das eine Beispiel mit Schern, Herr Vorsitzender Heym, haben Sie sehr gut auch noch mal dargestellt und ich möchte allen Beteiligten gerade im Bezug, was Schern betrifft, noch mal ganz herzlich danken. Es gab eine gute Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Ausschuss, da wird über Fraktionen hinweg gearbeitet, sodass wir endlich für die Menschen eine Lösung finden, dass die mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. Wir kennen das, wir machen den Hahn auf, da kommt sauberes Wasser aus dem Hahn, wir trinken es, wir duschen, wir baden unsere Enkelkinder darin. Die haben diese Möglichkeit nicht – und das im 21. Jahrhundert. Das ist echt eine Schweinerei, das muss man mal deutlich sagen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Daher, Herr Heym, noch mal Danke für die ausführliche Darstellung.

Ich will aber noch mal zu zwei Beispielen zurückkommen, wo Menschen auch etwas über eine Petition erreicht haben: Das eine ist Tempo 30 in Judenbach. Das wird dem ein oder anderen vielleicht etwas sagen. So haben sich Anfang des Jahres 2018 die Einwohnerinnen und Einwohner einer kleinen Gemeinde im Landkreis Sonneberg an den Petitionsausschuss gewandt. Durch den bergigen Ort führt eine enge und kurvenreiche Kreisstraße, auf der auch Kinder jeden Morgen zur örtlichen Grundschule gehen oder am Straßenrand auf den Schulbus warten müssen. Trotz aufgestellter Hinweisschilder, die auf Schule und Kindergarten aufmerksam machen, halten sich viele Verkehrsteilnehmer nicht an die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Messungen haben bis zu 114 km/h ergeben. So schnell fahre ich teilweise nicht auf der Autobahn.

 

(Zwischenruf Höhn, Staatssekretär: Ein stehendes Hindernis!)

 

Ich bin kein stehendes Hindernis! Besonders in den Wintermonaten, wenn der ohnehin schmale Fußweg nicht geräumt ist und sich Schneeberge an den Straßenrändern türmen, wird der Schulweg zur Gefahr. Die Anwohnerinnen und Anwohner forderten daher eine Absenkung der Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde und verstärkte Verkehrskontrollen durch die Polizei.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das Bürgeranliegen, das nach Behandlung im Petitionsausschuss in der Thüringer Staatskanzlei fortgeführt wurde, war schließlich erfolgreich. Anfang dieses Jahres wurde die Höchstgeschwindigkeit durch eine verkehrsrechtliche Anordnung auf einem etwa 300 Meter langen Straßenabschnitt im Bereich der Grundschule auf 30 km/h abgesenkt. Da möchte ich auch noch einmal ganz herzlichen Dank an die Staatskanzlei, sprich Herrn Hasenbeck sagen, der sich dafür eingesetzt hat.

 

Eine weitere Petition, die auch zum Erfolg geführt hat, war die Gleichstellung von Ein-Fach-Lehrern. Im Jahr 2018 – das durch zahlreiche Petitionen aus dem Bildungs- und Besoldungsbereich geprägt war – erlangten auch durch die öffentliche Anhörung die erfolgreichen Petitionen für eine Zulage für Fachleiterinnen und Fachleiter in der Ausbildung von Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern sowie die Petition für eine gleiche Besoldung für alle Lehrämter besondere Aufmerksamkeit. Etwas unter dem Radar lief jedoch die ebenfalls erfolgreiche Petition für die Anerkennung von sogenannten Ein-Fach-Lehrerinnen und -lehrern. Mit der sich auf dem Weg befindlichen Änderung des Besoldungsgesetzes werden Ein-Fach-Lehrer, die bereits eine Unterrichtserlaubnis für ein weiteres Fach besitzen oder eine entsprechende Weiterbildung nachweisen können, ohne eine zusätzliche Prüfung mit Zwei-Fach-Lehrern gleichgestellt. Diese Gesetzesänderung, die auch Ausdruck einer Anerkennung der Lebensleistung von circa 400 Ein-Fach-Lehrern in Thüringen ist, ist zu einem guten Teil auf eine Initiative dieser Petition zurückzuführen. Diese Petition wurde von einem Petenten aus meinem Wahlkreis eingereicht. Und das zeigt doch auch, dass das durchaus Erfolg haben kann, wenn man sich mit dem Petenten trifft, Menschen zusammenbringt – vielleicht auch mal mit dem bildungspolitischen Sprecher –, und dass man nicht nachlassen soll.

 

Dass sich Petitionen lohnen, habe ich eben schon einmal gesagt, an vielen Beispielen. Zwar konnte nur bei etwa 8,6 Prozent der abgeschlossenen Petitionen dem Anliegen entsprochen werden. Bei der überwiegenden Mehrheit – bei 649 Petitionen, rund 68 Prozent – wurde jedoch Aufklärung betrieben und Auskunft zur Sach- und Rechtslage gegeben. In den abschließenden Bescheiden werden die Petentinnen und Petenten umfangreich über Zusammenhänge und Hintergründe informiert und Vorgehensweisen und Gestaltungsmöglichkeiten der Behörden und öffentlichen Einrichtungen erklärt bzw. nachvollzogen. Diese Aufklärungsarbeit ist auch eine wichtige Funktion des Petitionsausschusses.

 

Verständliche Sprache braucht es auch bei einer Kommunikation. Es nützt nichts, wenn wir im Petitionsausschuss Bescheide hinausschicken, die genauso formuliert sind, wie die, gegen die sich die Petenten eigentlich wehren, weil sie nicht zu entziffern sind. Deswegen ist es gut, dass wir uns mit einer verständlichen Sprache schon auf einen guten Weg gemacht haben.

 

Was natürlich im Petitionsausschuss von zunehmender Bedeutung ist, ist die öffentliche Anhörung. Vielleicht stimmen Sie mir da zwischen den zwei Damen zu, Herr Vorsitzender Heym: Man hat das Gefühl, im Laufe der Legislatur wurden es doch immer mehr. Dass das ein richtig wunderbares, geiles Instrument ist, dass sich ein Landtag mit einem Problem beschäftigt, auch Abgeordnete zuhören, wenn Petenten ein Problem haben, da können Sie mir – glaube ich – auch zustimmen, unabhängig von dem Thema, was da besprochen worden ist. Diese Aufmerksamkeit, diese Öffentlichkeit, die da teilweise geherrscht hat, würde ich mir auch --- Und da sind wir bei dem, was Sie auch gesagt haben: Unser Petitionsrecht ist gut, es ist hervorragend. Aber in Schottland haben wir doch gesehen und gehört – ich komme jetzt noch einmal auf die Schottlandreise zurück –, was man doch noch verbessern könnte, was man vielleicht dem einen oder anderen Abgeordneten, der in der nächsten Legislatur in diesem Hohen Hause sitzt, mit auf den Weg geben kann.

 

Da bin ich bei der Öffentlichkeit der Ausschüsse oder des Petitionsausschusses. Der Petitionsausschuss des Thüringer Landtags hat im Oktober – oder September, ich weiß gar nicht mehr, wann –, im September vergangenen Jahres eine Ausschussreise nach Schottland gemacht. Wir haben uns Schottland ausgesucht, weil sich gerade der deutsche Bundestag an den Online-Petitionen orientiert hat, wie die das auf den Weg gebracht haben. Schottland war recht spannend. In Schottland ist der Petitionsausschuss für den Petenten öffentlich, er wird im Livestream übertragen und auch für Publikum öffentlich, ähnlich vielleicht auch schon wie in Bayern. Nun kann man das nicht alles von Bayern auf Thüringen übertragen, da braucht es Gesetzesänderungen und, und, und. Also Schottland hat gezeigt, was man noch verbessern kann.

 

Herr Heym, Sie haben es schwer zwischen den zwei Damen, ich sehe das schon, aber ich hoffe, dass Sie mir irgendwie noch folgen können, denn ich spreche genau den Vorsitzenden ein bisschen an,

 

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

 

damit das auch fraktionsübergreifend vielleicht in der nächsten Legislatur auf den Weg gebracht werden kann.

 

Also wie gesagt, die Bearbeitung in Schottland hat mich sehr positiv überrascht. Ich glaube, die anderen Ausschussmitglieder können das bestätigen. Den einen oder anderen werde ich vielleicht mit den vielen Fragen auch genervt haben, das habe ich gesehen. Aber mir hat diese Ausschussreise, der Erfahrungsaustausch, gerade auch in Bezug auf die Obmänner, Obfrauen – da gibt es einen Obmann für Rechtsanwälte, wo man sich beschweren kann –, doch schon sehr, sehr viel gebracht. Und daraus sollten wir auch lernen.

Da bin ich noch bei einem Beispiel, und zwar ist das, wenn eine ...

 

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ich bin da!)

 

Genau, Sie sind da, voll konzentriert, wunderbar.

In Schottland ist es so, wenn eine Petition online gestellt wird – ähnlich wie in Thüringen, da haben wir eine Diskussionsplattform, wenn Gesetzentwürfe hochgeladen werden –, kann man dort zu einer Petition diskutieren, Pro und Kontra darstellen. Auch das finde ich ein spannendes, ein sehr transparentes Verfahren, woran wir vielleicht in der nächsten Legislatur arbeiten könnten und sollten.

 

Was der Petitionsausschuss in Thüringen schon hervorragend macht, das sind die Bürgersprechstunden – weil ich komme so ein bisschen zum Resümee –. Es finden regelmäßig – ich glaube, acht im Jahr – Bürgersprechstunden in verschiedenen Landkreisen, kreisfreien Städten statt. Die werden sehr stark auch genutzt und frequentiert, weil es auch eine Wertschätzung für die Menschen vor Ort ist, wenn Abgeordnete sich gemeinsam auf den Weg machen und ihre Probleme aufnehmen, wahrnehmen und sie sie loswerden können. Das sollte unbedingt verstärkt auch wieder fortgeführt werden. Mit der öffentlichen Anhörung, das habe ich gesagt: hervorragendes Instrument. Bitte nutzen Sie das als Bürgerinnen und Bürger, als Einwohnerinnen und Einwohner. Und wie gesagt, es ist altersunabhängig.

 

Ich möchte etwas noch ganz kurz zur Strafvollzugskommission sagen. Wir haben sehr häufig getagt. Wir waren auch sofort vor Ort, als die Ausbrüche in Suhl-Goldlauter oder aber der Jugendstrafanstalt in Arnstadt geschehen sind. Wir haben mit den Bediensteten dort uns diese Videoüberwachung angeguckt, wir haben hinterfragt, warum wird der Zaun, die Alarmanlage ausgestellt, wenn der Wind so stark weht, was können wir verbessern, wie können wir Einfluss nehmen. Und bereits bei unserem zweiten Besuch ein halbes Jahr später hat sich in diesem Bereich doch sehr, sehr viel getan.

Ich möchte auch an dieser Stelle den Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten einen großen Dank aussprechen, weil ich glaube, der Eindruck manchmal entsteht aufgrund der Petitionen, die uns aus diesem Bereich erreichen, dort würde keine gute Arbeit gemacht. Die leisten eine hervorragende Arbeit und die sind jeden Tag rund um die Uhr, 24 Stunden, dafür da, um diesen Dienst dort aufrechtzuerhalten.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Manchmal hapert’s, ja. Wir haben Probleme, das haben wir aber auch schon häufig diskutiert, im Bereich der Bediensteten, aber das liegt – und das haben wir der CDU-Fraktion auch schon deutlich gesagt – an dem Personalabbaupfad, der vor Jahren beschlossen worden ist, und wir müssen nun damit umgehen, wie wir die Situation dort entschärft bekommen, und auch das neue Justizvollzugsgesetz aus dem Jahr 2014, wie kann man das mit diesen Bediensteten gemeinsam auf den Weg bringen, ohne dass wir Einschränkungen machen müssen oder wollen in den Resozialisierungsmaßnahmen. Ja, es entfällt manchmal etwas. Aber man muss auch sagen: Manchmal sind es auch dieselben Petenten aus diesem Bereich, die uns dauerhaft fordern, und das darf man nicht unterschätzen.

Das Justizministerium hat eine Analyse erstellt, mit der wir uns auch in diesem Jahr noch beschäftigen werden. Da geht es um den Rechtsextremismus in den Justizvollzugsanstalten. Wir haben es schon einmal auf der Tagesordnung gehabt, denn auch das dürfen wir nicht vergessen: Die Strafvollzugskommission soll auch und muss auch inhaltliche Arbeit leisten, um den anderen Mitgliedern hier in diesem Hohen Hause den einen oder anderen Hinweis zu geben.

 

Ich danke Ihnen, Herr Niemeyer sitzt oben, vielleicht auch stellvertretend für die Arbeit des Referats. Herzlichen Dank! Das ist immer eine wunderbare Zusammenarbeit, auch wenn es vielleicht um den einen oder anderen Härtefall geht oder bei den Vorortbesuchen, das ist immer hervorragend organisiert. Dafür herzlich Dank! Ich danke den Mitgliedern des Petitionsausschuss. Wir haben uns das eine oder andere Mal vielleicht auch gerieben, aber immer war es fair und sachlich. Das war es für heute aus dem Bericht. Ich danke Ihnen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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