Arbeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2014

Zur Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 6/646


Vor dem Einstieg in die Sachdebatte zuerst einmal ein großes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsreferats und ihre gute Arbeit auch aus unserer Fraktion.


Herr Heym, erlauben Sie mir diese kleine Spitze: Ich hätte gern Ihre Zwei-Stunden-Rede gehört, denn unsere Fraktion nimmt die Arbeit in dem Ausschuss natürlich sehr ernst, und der Einstieg war so für die Petenten auch ein kleiner Stich,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


habe ich so das Gefühl gehabt.


Denn für das gesamte Petitionswesen gilt, Petitionen sind ein wichtiger Signalgeber, nicht nur bezogen auf Defizite und Verbesserungsbedarf im Einzelfall. Dazu gehört auch die Strafvollzugskommission. In vielen Fällen decken Petitionen auch grundlegendere strukturelle Probleme auf. Ein Beispiel für solche strukturelle Fragen, die über den Einzelfall hinausgehen, findet sich im Bereich der Rechtspflege bzw. im Arbeitsbereich Strafvollzugskommission. Hier ist die kritische Petition zur Streichung des bisher angefangenen im Rahmen der Entlassung gezahlten Übergangsgeldes zu nennen. So erscheint das neue Justizvollzugsgesetz in seiner Papierform als ein stimmiges Modell. Nach diesem soll mit dem Zeitpunkt der Entlassung auch die Frage der weiteren Existenzsicherung, also auch der Bezug von Sozialleistung für das Leben nach der Haft, geklärt sein. Die eingegangene Petition machte aber darauf aufmerksam, dass in der Alltagspraxis dieses auf dem Papier sinnvolle Modell der Leistungssicherung leider noch nicht reibungslos läuft. Selbst wenn die Mehrheit des Landtags nun nicht mehr zum früheren Modell „Übergangsgeld“ zurückwill, schärft diese Petition doch den Blick für Nachbesserungsbedarf.


(Beifall DIE LINKE)


Es ist daher nur konsequent, dass der Petitionsausschuss die Landesregierung aufgefordert hat, die Zusammenarbeit zwischen Justizvollzug und verantwortlichen Sozialträgern zu intensivieren. Es ist besonders wichtig dabei, sicherzustellen, dass die existenzielle Absicherung der Haftentlassenen ohne Reibungsverluste funktioniert. Das ist nach Erfahrung aus der Praxis besonders von großer Bedeutung, um das erneute Abdriften in Straffälligkeit zu verhindern und eine langfristig erfolgreiche Resozialisierung zu sichern.


Um noch kurz im Bereich Strafvollzug und Rechtspflege zu bleiben: Die Situation bei den Haftlockerungen bessert sich zwar, ist aber mit Blick auf eine möglichst gute Vorbereitung auf das Leben nach der Haft immer noch verbesserungswürdig. Hier sollten Petitionsausschuss und Strafvollzugskommission die Entwicklung im Vollzugsalltag der Thüringer JVAs weiterhin kritisch im Blick behalten. Im Sinne der Fürsorgefunktion der Kommission und des Ausschusses wäre es nach Ansicht der Linken-Mitglieder wichtig, der Bearbeitung von Petitionen zu Fragen der Lockerung im Vorfeld von Haftentlassungen eine vorrangige Bearbeitung zukommen zu lassen. Eine wichtige Aufgabe nicht nur mit Blick auf den eben genannten Themenbereich: Wenn sich Probleme und Themen anhand von Petitionen auftun, ist es wichtig, dass der Ausschuss und die Kommission sich nicht nur als Ein-Punkt-Angelegenheit darum kümmern, sondern die Entwicklung der Situation auch weiterfolgen, bis eine tragfähige Lösung gefunden ist.


Viele Petitionen stehen beispielhaft für eine umfassendere Problemlage und werden von einer größeren Anzahl von Petenten unterstützt. Hier sollte sich der Ausschuss in Zukunft auch verstärkt trauen, weiterführende Vorschläge für den weiteren Umgang an die anderen Fachausschüsse zu geben, oder sogar das Plenum mit einzubeziehen. Das ist nach unserer Geschäftsordnung auch möglich. Um noch stärker die Probleme der Leute aufnehmen zu können, sollten auch die Möglichkeiten der öffentlichen Petitionen zum Beispiel durch Einführung der freien Sammlung von Unterstützerunterschriften gestärkt werden. Petitionen sind ein wichtiges Instrument der Rückkopplung des Landtags an die Bevölkerung. Das hohe Quorum von 1.500 Unterschriften bei öffentlichen Petitionen beeinträchtigt eine solche Rückkopplung. Auch wenn diese Hürde wie am Beispiel der Bürgerinitiative Rositz-Schelditz manchmal erfolgreich genommen wurde, ist es nach Ansicht der Linken dennoch zu hoch. Mit der angesprochenen Petition war dann auch eine öffentliche Anhörung verbunden, und es zeigt sich, dass die Möglichkeit der Anhörung noch intensiver diese oben genannte wichtige Rückkopplung des Landtags ermöglicht und auch die Lösungsfindung in einem offenen Diskussionsprozess.


Petitionen sind auch ein wichtiges Instrument, um der leider weit verbreiteten Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Das Petitionsgesetz sollte in diesem Sinne weiter entwickelt werden. Mit dem Schritt der öffentlichen Petition wurde hier schon die richtige Richtung eingeschlagen. Nun sollte dieser Weg aber auch konsequent fortgesetzt werden. In diesem Zusammenhang sollte nach Auffassung meiner Fraktion auch ins Auge gefasst werden, wie die Arbeit des Ausschusses noch transparenter und zugänglicher für die Menschen in Thüringen werden kann.


(Beifall DIE LINKE)


Und es ist daran erinnert, dass in Bayern seit Jahren auch die Sitzungen des Petitionsausschusses öffentlich sind, soweit dem nicht Belange des Persönlichkeits- und Datenschutzes entgegenstehen. Auch in Thüringen wäre eine generelle Öffentlichkeit aller Ausschuss-Sitzungen wünschenswert.


(Beifall DIE LINKE)


Die Linke-Fraktion hat in den vergangenen Wahlperioden immer wieder deutlich gemacht, dass dieser Punkt aber über die Thematik „Petitionsbericht“ und Konsequenzen daraus erheblich hinausgeht, und in anderen Zusammenhängen weiter diskutiert werden muss. Mit Blick auf diese Korrektur- und Kümmerfunktion des Ausschusses war bzw. ist es als sehr problematisch einzustufen, dass der Ausschuss in 2014 faktisch nur sieben Monate regulär gearbeitet hat. Es hat nach der Landtagswahl 2014 und dem Wechsel der Wahlperioden so lange gedauert, bis der neue Petitionsausschuss wieder seine Arbeit aufnehmen konnte. Hier sollte nach Auffassung der Linken für zukünftige Wahlperiodenwechsel eine Möglichkeit gefunden werden, ohne größere Unterbrechung nach den Wahlen schon mit der Arbeit zu beginnen. Das hatten Sie ja auch angesprochen, Herr Heym. Ein Rückstau an Petitionen, wie er derzeit gerade noch abgearbeitet wird, wäre dann auch vermieden.


Hinzu kommt, dass gerade auch nach Einschätzung der Mitglieder meiner Fraktion, die schon länger dem Ausschuss angehören, die Bearbeitungszeiten auf Ministerialebene mit Blick auf das konkrete Anliegen der Petitionen des Öfteren unangemessen lang waren. Hier sei auf die Fälle verwiesen, in denen Gefangene dann beim Entscheidungszeitpunkt über ihre Petition schon aus der Haft entlassen waren.


An dieser Stelle noch ein logistischer Vorschlag: Die Arbeitsabläufe wären auch für den Ausschuss transparenter und besser handhabbar, wenn das Gremium nicht erst nach Eingang der Stellungnahme der Landesregierung umfänglich von der Petition erfährt, sondern schon bei ihrem Eingang im Landtag. Das ist besonders wichtig bei Anliegen, die zeitlich drängen, wenn sie für den Betroffenen noch mit Lösungsperspektiven bearbeitet werden sollte.


(Beifall DIE LINKE)


Ein Dauerthema ist auch die Zusammenarbeit des Petitionsausschusses mit dem Bürgerbeauftragten. Wie aus entsprechenden Gesetzentwürfen meiner Fraktion in vorigen Wahlperioden zu ersehen ist, soll es weiterhin eine bzw. einen Bürgerbeauftragten geben. Allerdings sollte er zur klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten keine Parallelstruktur zur Bearbeitung von Petitionen neben dem Ausschuss sein. Besser wäre es, ihn mit einer klaren Ombudsfunktion zugunsten einer bürgerfreundlichen Verwaltung auszustatten.


(Beifall DIE LINKE)


In einer solchen Ausgestaltung könnte er eine wichtige Moderations- und Korrekturfunktion gerade auch mit Blick auf ins Auge gefasste Strukturveränderungen in der Thüringer Verwaltungslandschaft und Ähnlichem haben. Diese Diskussion um eine etwaige Novellierung des Bürgerbeauftragtengesetzes steht meiner Auffassung nach noch an. Unabhängig von dieser Grundsatzdiskussion über die Ausgestaltung der Funktion möchte ich hier für die Ausschussmitglieder meiner Fraktion betonen, dass es im Berichtszeitraum auch sehr wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen Ausschuss und Beauftragtem gegeben hat.


(Beifall DIE LINKE)


Als Stichwort sei der Problembereich „Ausgestaltung der Rundfunkbeiträge und das Handeln der Beitragseinzugsstelle“ genannt.


Petitionen können auch ein Anstoß für sachlich inhaltliche Parlamentsinitiativen, wie die Petition zum Schüler- bzw. Azubiticket zeigte, sein. Gerade Petitionen, die strukturelle Probleme offenlegen, sollten verstärkt nach dem Potenzial für weitere parlamentarische Befassungen abgeklopft werden. Bei vielen geht es auch um Ermessensentscheidungen. Bei einer Anzahl von 1.121 Petitionen im Jahr 2014, die höchste Zahl seit 16 Jahren, sollte der Ausschuss – eingeschlossen die Strafvollzugskommission – eine positive Erledigungsbilanz von mindestens – ich sage jetzt mal – 30 Prozent zugunsten der Petentinnen und Petenten anstreben. Die hohe Zahl von Petitionen – darunter auch der Sozialbereich prominent vertreten – zeigt, dass es in vielen Bereichen gesellschaftspolitischen Handlungsbedarf gibt. Bei den vorherrschenden neoliberalen Rahmenbedingungen ist das aber auch nicht verwunderlich. Exemplarisch sei hier der Fall benannt, dass erst auf Druck des Petitionsausschusses die problematische Pflegesituation in einer Einrichtung geprüft wurde.


Eine wichtige Petition zu strukturellen Problemen des Sozialrechts betraf auch den Bereich des Justizvollzugs. Es geht um die vom Petenten selbst aufgeworfene Grundsatzfrage der Einbeziehung von Gefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung. Hier gibt es immer noch große Defizite und Hürden, die nach Ansicht der Linken dringend beseitigt werden müssen. Das zeigt auch, dass Petenten aber nicht egoistisch an ihrem Einzelfall hängen, sondern sich auf diesem Weg für die Verbesserung der Gesamtsituation zugunsten von ebenfalls Betroffenen einsetzen. Denn der Petent hatte seinen Fall mittlerweile mit der Rentenversicherung klären können, hatte aber die Petition – bezogen auf das Grundsatzproblem – ausdrücklich aufrechterhalten. Die vielfältigen Petitionen über praktisch alle gesellschaftspolitischen Themenfelder kennzeichnet die Bandbreite der Arbeit des Ausschusses, vom hoffentlich positiv – im Sinne des betroffenen Petenten – gelösten Einzelfall, wenn nötig hin auch zur generellen Problemdiskussion und generellen Handlungsvorschlägen. Dabei gehe ich insbesondere auch davon aus, dass das Thema „Straßenausbaubeiträge“ – explizit die rückwirkende Erhebung – zügig und schnell von den Koalitionspartnern angegangen wird.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit hat der Petitionsausschuss mit Blick auf das Aufspüren von Problemen und Handlungsnotwendigkeiten eine wichtige Warn- und Anstoßgeberfunktion bezogen auf den Landtag als Ganzes, vor allem aber auch bezogen auf die Fachausschüsse. Hier könnte meiner Ansicht nach die Zusammenarbeit noch intensiviert werden. Und er ist ein wichtiges – sozusagen praktisches – Bindeglied zwischen Parlament und den Menschen in Thüringen, auch für den neuen, nun beginnenden Berichtszeitraum. Er sollte zur Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgaben auch möglichst wirksame rechtliche Handlungsinstrumente in der Hand haben. Daher muss auch das Petitionsgesetz noch einmal auf den Prüfstand. Danke.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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