Anpassung der Thüringer Wahlordnungen zum Schutz der Privatsphäre von Kandidaten

Anja Müller

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/6319

 

    Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, der vorliegende AfD-Antrag zur Änderung der Wahlordnung ist mal wieder plakatives Schaulaufen, wie es bei allen Anträgen der AfD der Fall ist. Wenn es der AfD mit dem Schutz der Privatsphäre wirklich so wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie sich schon viel früher melden können – hat sie aber nicht gemacht. Hinzu kommt, je mehr man an einen Wahltermin heranrückt, desto rechtlich problematischer wird es, wahlrechtliche Vorschriften zu ändern. Dabei gelten – das bekommt die Öffentlichkeit meist so nicht mit – erhebliche Vorlaufzeiten, denn die Parteien und Listen, die die Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen – auch Einzelkandidaten, die Unterstützerunterschriften sammeln – sowie die Verwaltung müssen für die Logistik und die Einhaltung bestimmter Fristen sehr lange vor dem Wahltermin anfangen.

     

    Im Grundsatz gilt: In ein laufendes Wahlvorbereitungsverfahren darf nicht mehr mit Änderungen eingegriffen werden. Außerdem ist auch Fakt: Die Landesregierung arbeitet schon an der Frage der Anpassung der Wahlordnung. Bei dieser Anpassung ist zu berücksichtigen, dass die Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis viel Auslegungsund Umsetzungsspielraum lässt. Dass dem mit dem Auslegungsund Anwendungsspielraum tatsächlich so ist, zeigen nicht nur die medienwirksamen Fälle von Namen auf Klingelschildern an Wohnungen. Jetzt in der allerersten Anwendungsphase ist vieles aber noch ungeklärt. Es bestehen noch große Unsicherheiten und man sollte auch nicht völlig überziehen. Es geht darum, Datenschutz wirksam, aber gleichzeitig praktikabel für den Lebensalltag umzusetzen. Bei der Veröffentlichung von Daten zu den Wahlbewerberinnen sind verschiedene, zum Teil gegenläufige, Interessen abzuwägen, zum einen das Interesse der Bewerberinnen auf Schutz der Privatsphäre, nicht nur ihrer eigenen, sondern gegebenenfalls auch der ihrer Angehörigen.

     

    An dieser Stelle kommt aber mit Blick auf das bisherige Agieren gegenüber politischen Mitkonkurrenten aus anderen politischen Parteien die Frage auf: Geht es der AfD generell um den Schutz der Privatsphäre oder nur egoistisch um die ihre? Denn aus der Vergangenheit sind Vorkommnisse bekannt, bei denen sich Akteure der AfD nicht als Vorkämpfer des Daten und Privatschutzes hervorgetan haben. Man hörte keine Unterstützung der AfD in Sachen Privatsphärenschutz, als ein populistischer Rechtsaußen-Mob vor dem Haus einer Grünen-Kollegin seine Hasstiraden gegen einen Moscheebau, gegen den Islam und gegen Menschen, die für Toleranz und Religionsfreiheit eintreten, in übelster Weise öffentlich von sich gab. Und auch meine Kollegin Katharina König-Preuss hat eben noch mal deutlich gemacht, die AfD wollte zweimal vor ihrem Haus aufmarschieren.

     

    (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wie bitte?)

     

    Ja, und da hat es gerade die Versammlungsbehörde in Jena noch verhindern können oder einwirken können, dass das nicht geklappt hat.

     

    (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Ja!)

     

    Zum anderen müssen sich Wahlbewerberinnen auch klarmachen: Mit ihrer Kandidatur machen sie sich zu Personen des öffentlichen Lebens. Das heißt, die Wählerinnen haben einen Anspruch auf Information und auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Bewerberinnen.

     

    (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wissen Sie, wo ich wohne?)

     

    Allerdings gilt auch in diesem Zusammenhang das Prinzip der Datensparsamkeit. Das heißt, nur solche Daten, die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind, sollen erhoben und veröffentlicht werden. Zur Kontaktaufnahme mit den Bürgerinnen könnte mit Blick auf die Entwicklungen in der Kommunikationslandschaft zukünftig vielleicht eine Mailadresse statt der Wohnadresse als Anknüpfungspunkt dienen. Mit Blick auf die Stellung als Person des öffentlichen Lebens hätte aber sogar die bisherige Datenpraxis in der Wahlordnung etwas für sich. Zumindest bei Landes bzw. Kommunalwahlleitern müssen auch zukünftig alle Daten der Bewerberinnen hinterlegt werden, denn die Bewerberinnen müssen ja als Personen eindeutig identifizierbar sein.

    Und da will ich mal das Beispiel von mir nehmen: Bei mir im Ort wohnen mehrere Anja Müller – schöner Name, auch ein Sammelbegriff und man muss sich eindeutig identifizieren können.

     

    Hinsichtlich der veröffentlichten Daten nach den Wahlordnungen sollte der verantwortungsvollen Abwägung aller beteiligten Interessen und Bedürfnisse lieber etwas länger Zeit eingeräumt werden. Das ist besser, als wenn es später Probleme in der praktischen Anwendung gibt.

     

    Im Zusammenhang mit der Anpassung der Wahlordnung muss in diesem Abwägungsprozess vor allem die aktuelle Entwicklung um die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung auf jeden Fall mit einbezogen werden.

    Wir als Koalitionsfraktionen werden dieses Thema weiter aufmerksam und kritisch begleiten, vor allem den laufenden Arbeitsprozess in der Landesregierung. Der vorliegende plakative und aktionistische AfD-Antrag hilft dabei nicht wirklich weiter, zumal man der AfD mit Recht vorhalten kann, dass die AfD Thüringen entgegen ihrer Behauptung erst sehr kurzfristig das Thema entdeckt hat, nämlich dann als diese Anträge unter den AfD-Fraktionen in den Landtagen als gemeinsame Aktion ausgerufen wurden.

    Deshalb werden wir als Koalitionsfraktionen auch diesen vorliegenden Antrag ablehnen. Danke Ihnen.

     

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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