Angsträume in Thüringen - Übergriffe verhindern, Recht durchsetzen, Sicherheit vermitteln - Sicherheitsgarantien der Landesregierung?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 6/1657


Meine Damen und Herren, diese Woche teilte uns eine Thüringer Tageszeitung mit, man sollte sich mit der AfD doch inhaltlich auseinandersetzen.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ja, machen Sie das mal bitte! Ich bin gespannt!)


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hier sitzen wir!)


Ich gebe zu, es muss natürlich auch die Grundlage dafür gestellt werden. Dieser von Vorurteilen, Stereotypen und Pauschalisierung strotzende Beitrag ist eigentlich keine Grundlage für eine inhaltliche Auseinandersetzung.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie haben ein Problem mit der Wahrheit!)


(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Ihre Wahrheit!)


Allerdings ist die Debatte, die ab dem 1. Januar in dieser Bundesrepublik einsetzte, tatsächlich eine, der man sich sachlich stellen muss, wo Menschen in diesem Land natürlich Fragen stellen, aber es sind nicht die Fragen, auf die Sie Ihre Antworten schon fertig haben, meine Damen und Herren der AfD, und jeden Mittwoch auf den Straßen und Plätzen in Thüringen beantworten wollen, sondern das sind die Fragen von Bürgerinnen und Bürgern: Wie ist denn eigentlich die reale Situation in diesem Lande und wie verhält sich tatsächlich denn die Frage auch von Angsträumen, Angstzeiten, an denen Menschen für sich entscheiden, sich nicht mehr allein oder unabhängig von anderen aufzuhalten? Wir hätten hier durchaus sachlich diskutieren können über rassistische Demonstrationen, über Flüchtlinge, die bestimmte Stadtteile meiden, über Frauen, die Stadtfeste meiden, über Frauen, die die Dunkelheit allein meiden oder nur in Begleitung von Männern unterwegs sind. Denn die Frage von Angsträumen in dieser Gesellschaft ist durchaus eine sehr viel weiter gehende, aber die wollen Sie gar nicht sachlich diskutieren; damit wollen Sie sich nicht inhaltlich auseinandersetzen. Ihnen geht es darum, auch dort, wo Ängste mit der realen Bedrohungssituation nicht übereinstimmen, diese Ängste weiter zu schüren. Sie wollen die Angsträume erweitern und Sie wollen durch eine Kategorisierung von Menschen nach ethnischer Zugehörigkeit zu Tatverdächtigen erklären, was in der Folge dazu führt, dass Menschen wiederum Angst haben genau vor dem Zusammenleben mit beispielsweise Flüchtlingen und Migranten in diesem Land. Ich denke, das muss man auch ganz klar benennen, um was es Ihnen da eigentlich geht. Es geht um Ihre politische Suppe, es geht um die Weiterverbreitung und Manifestierung Ihrer rassistischen Einstellung.


Ich will am Beispiel Köln – Sie haben es angesprochen – durchaus einige Anmerkungen machen, weil es sich lohnt, über Sexualstraftaten und sexualisierte Übergriffe in dieser Gesellschaft zu reden. Frau Herold, Sie verschweigen, dass nur 14 Prozent der angezeigten Sexualstraftaten in diesem Land tatsächlich zu einer Verurteilung führen


(Unruhe AfD)


und auch nur geschätzt 1 Prozent der Sexualstraftaten, der sexuellen Übergriffe auf Frauen in diesem Land überhaupt zur Anzeige kommen und der allergrößte Teil, nämlich vier von fünf Sexualstraften, in Beziehungen in diesem Land stattfinden.


(Unruhe AfD)


Ich glaube, wir müssen nach Köln darüber reden, dass sexualisierte Gewalt, dass sexuelle Übergriffigkeit gegen Frauen kein Problem von Migranten ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, weil Bilder reproduziert werden, weil Männer in diese Situation hineinwachsen und sich entsprechend verhalten. Darüber müssen wir reden. Das betrifft Deutsche wie Migranten in diesem Land gleichermaßen.


(Unruhe AfD)


(Beifall DIE LINKE)


Es ist doch schon absurd, meine Damen und Herren, wenn es Ihre Kollegen Ihrer Partei sind, die eine Straftat gegen die individuelle Freiheit, gegen die sexuelle Identität einer Frau umdeuten wollen als Angriff gegen Deutschland,


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Es war nicht eine Frau, es waren Hunderte!)


als Angriff oder als Missbrauch des Gastrechts. Das missbraucht das Opfer ein zweites Mal, denn es sind die tatsächlichen, ganz individuellen Opfer und Angriffe und Straftaten, die verfolgt werden müssen. Aber wer glaubt, diese individuelle Opfersituation, diese individuelle Straftat umdeuten zu können als Missbrauch des Gastrechts, der betreibt wirklich ein falsches und verlogenes Spiel.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Weil es keine Einzelfälle waren!)


(Beifall DIE LINKE)


Ich will Ihnen auch deutlich sagen, worüber wir nach Köln tatsächlich öffentlich diskutieren müssen und ich beziehe mich da auf eine Psychologin und Politikwissenschaftlerin, die im Verein Lara e. V. gegen sexuelle Gewalt sehr aktiv ist und sich seit Jahren diesem Thema widmet. Die stellt nach Köln nämlich eines fest, dass wir erstmalig eine Debatte in Bezug auf sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen haben, wo Frauen als Opfern geglaubt wird. Und sie stellt sich die Frage: Warum ist das so? Sie sagt, das ist gut, aber warum ist das so? Es ist aus ihrer Sicht etwas Neues.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Meinen Sie, die Kölner Frauen lügen?)


Und sie sagt …


(Unruhe AfD)


Nein, aber sagen Sie, die Tausenden Frauen, die auch in den vergangenen Jahren Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind, haben gelogen? Es ist doch unverschämt, was Sie hier äußern. Es stellt überhaupt keiner infrage, dass die Darstellungen, die Anzeigen der Frauen der Wahrheit entsprechen, aber man muss sich doch die Frage stellen, warum plötzlich in diesem konkreten Zusammenhang den Frauen mehr Glauben geschenkt wird als in der Vergangenheit.


(Beifall DIE LINKE)


Ich will Ihnen die Antwort geben, und zwar ist das die Antwort von Ariane Brenssell, die sagt: „Den Frauen wird nur in Abgrenzung zu einer sehr spezifischen Konstruktion von Tätern geglaubt, einer rassistischen Konstruktion. Die Skandalisierung der Übergriffe funktionierte von Beginn an nur aufgrund ihrer rassistischen Konnotation.“ Meine Damen und Herren,


(Unruhe AfD)



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter!



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


– ich komme zum Ende, letzter Halbsatz –, genau das ist das Problem und genau das ist die Konsequenz, die wir aus Köln ziehen müssen.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Es ist zum kotzen, was Sie sagen! Schämen Sie sich! Das ist doch unglaublich!)


Wir müssen den Opfern von sexueller Gewalt Glauben schenken und ihnen angemessenen Opferschutz auch geben, auch unter Verschärfung des Sexualstrafrechts.



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter!



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Aber was wir nicht brauchen, ist eine rassistische Instrumentalisierung der Übergriffe aus Köln. Herzlichen Dank!


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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