Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Entkriminalisierung von Cannabis und Auswirkung auf Thüringen“

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Entkriminalisierung von Cannabis und Auswirkung auf Thüringen“
Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5329 -

Abgeordnete Engel, DIE LINKE:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen. Warum drehen wir die Sachlage nicht einfach mal um und fragen uns, welche Argumente heute eigentlich überhaupt noch für ein Cannabis-Verbot sprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Geschichtlich gesehen ist die Kriminalisierung von Cannabis nur eine recht kurze Episode unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Wir haben gelernt!)

Wir sollten also aufhören, die Forderung nach der Entkriminalisierung auf den Prüfstand zu stellen, und beginnen, dieses kurze Experiment der Kriminalisierung zu beleuchten. Welche positiven Aspekte hat uns denn das Cannabisverbot bisher gebracht? Das hehre Ziel einer abstinenten Gesellschaft ganz ohne Cannabiskonsum konnte ja augenscheinlich nicht erreicht werden. Weder konnte das Angebot merklich eingeschränkt werden, noch ist die Nachfrage merklich zurückgegangen. Inzwischen ist bekannt, dass für die Ablehnung von Drogen andere Gründe als die Strafverfolgung ausschlaggebend sind. Es gibt eben keine belastbaren Untersuchungen, die belegen, dass Drogenverbote den Konsum einschränken oder eine Legalisierung den Drogenkonsum steigern würde. Dies kann man leicht belegen, indem man zum Beispiel die Konsumraten von Deutschland und den Niederlanden vergleicht. Trotz des Verbots konsumieren etwa drei Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Cannabis. Die positiven Ergebnisse des Cannabisverbots sind also nur eine leichte Hemmschwelle im Gebrauch und in der Beschaffung. Diesen geringen positiven Erfolgen stehen jedoch etliche negative Folgen gegenüber. Durch das Verbot stigmatisieren wir Konsumentinnen. Ansonsten unbescholtene Bürger und Bürgerinnen werden kriminalisiert, was oftmals eine Zäsur im Lebenslauf und beruflichen Werdegang nach sich zieht. Dadurch entstehen doch erst kriminelle Karrieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einem Verbot fördern wir illegale Strukturen sowie die organisierte Kriminalität. Diese haben wiederum durch fehlende legale Konkurrenz das Monopol inne und können die Preise hochtreiben, wie sie wollen. Künstlich hohe Preise führen aber zur Beschaffungskriminalität und belasten damit wiederum die Gesellschaft. Ebenso fördern hohe Preise in Verbindung mit einer kurzfristigen Angebotsverknappung oftmals einen gesundheitsschädlichen Mischkonsum mit Tabak, Alkohol oder anderen Drogen. Hinzu kommt, dass durch fehlende staatliche Kontrollen die Qualität der Droge starken Schwankungen unterliegt. Für die Konsumentinnen bedeutet das nicht nur einen ungewissen Wirkstoffgehalt, sondern auch oftmals die Gefahr gesundheitlicher Schäden durch Streckstoffe. Außerdem ist es dem Dealer an der Ecke nicht nur egal, was er verkauft, sondern auch, wem er es verkauft. Durch eine staatlich regulierte Abgabe wäre hier ein verlässlicher Verbraucher- und Jugendschutz möglich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ja, alles raus! Viel Erfolg!)

Ein Verbot geht immer auch einher mit einer Tabuisierung. Ein ehrlicher und offener Diskurs über Konsum wird erschwert. Schülerinnen zum Beispiel können kaum ihre Erfahrungen mit Eltern oder Lehrerinnen angstfrei reflektieren. Die Kriminalisierung belastet die Polizei, die Justiz, die Gefängnisse. Es werden Kapazitäten gebunden, welche in anderen Bereichen fehlen. Selbst der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten, Andre Schulz, fordert ebenfalls eine Entkriminalisierung. Er meinte, ich zitiere: Aus polizeilicher Sicht stellt sich die Drogenbekämpfung als extrem personalaufwendig dar und leider als wenig zielführend. - Zwar gibt es mittlerweile eine Eigenbedarfsgrenze - in Thüringen liegt diese bei zehn Gramm -, dennoch werden in der Regel erstmal eine Strafanzeige erstattet, ein Verfahren angelegt, Asservate eingetütet usw. Mehrere Beamte beschäftigen sich also mit dem Vorgang, welcher am Ende häufig eingestellt wird. Das kostet Zeit und Geld. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, hat 2015 ausgerechnet, dass die Strafverfolgung von Cannabiskonsumentinnen die Steuerzahlerinnen jährlich bis zu 2 Milliarden Euro kostet. Aber weder die kriminellen Machenschaften noch lebensbedrohliche Beimischungen würden dadurch verhindert.

Demgegenüber stehen massive Steuerausfälle, die wir hätten haben können: Genussmittelsteuer, Umsatzsteuer, Gewinnsteuer, Lohnsteuer sowie der Einnahmeausfall bei den Sozialkassen durch die Illegalisierung der Arbeitsplätze. Würde man Cannabis legalisieren, könnte man also nicht nur 2 Milliarden Euro in der Strafverfolgung sparen, es kämen sogar zusätzlich bis zu 2 Milliarden Euro an Steuereinnahmen hinzu, wenn man eine ähnliche Besteuerung wie in den US-Bundesstaaten vornehmen würde.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Es gibt auch andere illegale Stoffe, die Sie als Staat verticken können!)

Präsident Carius:

Frau Abgeordnete Engel, ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Abgeordnete Engel, DIE LINKE:

Das Cannabisverbot hat also nicht nur sein eigentliches Ziel verfehlt, sondern hat auch eine Vielzahl neuer Problemlagen geschaffen. Das Experiment ist gescheitert. Die Politik hat nicht die Aufgabe, Menschen zu erziehen, sondern eine informierte und risikobewusste Konsumentscheidung zu ermöglichen. Ich hoffe, dass morgen viele Abgeordnete parteiübergreifend im Bundestag dies im Kopf haben und dem Antrag von FDP, Linke und den Grünen zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön.

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