Aktive Arbeitsmarktpolitik stärken, Perspektiven der Arbeitslosen verbessern

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/31 -

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns sicherlich in einer Frage einig, niemand hat ein Patentrezept, wie wir die Langzeitarbeitslosigkeit innerhalb kürzester Zeit bekämpfen.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Man muss es erst mal wollen.)

Aber wir müssen uns die Frage beantworten, ob wir den jetzigen Zustand, der schon über sehr lange Zeit anhält, dauerhaft dulden wollen oder ob wir nicht Arbeit als soziales Grundrecht in dieser Gesellschaft verwirklichen wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Da habe ich Zweifel, ob zum Beispiel die FDP das überhaupt will. Und Sie wollen es nämlich nicht, denn Sie brauchen die Arbeitslosen als Drohgebärde gegen die Arbeitnehmer.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist der eigentliche Grund, weshalb sich unsere Gesellschaft 6 Mio. Leute in Arbeitslosigkeit leistet, damit 40 Mio., die jetzt Arbeitnehmer sind, so unter Druck geraten, dass sie ja nicht überzogene Forderungen stellen. Ich will Ihnen das beweisen, weil es nämlich überhaupt kein fiskalisches Problem ist, die Arbeitslosigkeit zu überwinden und anstelle von Arbeitslosigkeit Arbeit zu finanzieren. Aber Sie wollen es nicht, denn Sie brauchen dieses Drohpotenzial gegen Arbeitnehmer,

(Beifall DIE LINKE)

sonst müssten wir offen über eine andere Form von Arbeit diskutieren. Sie setzen nach wie vor auf Wachstum; seit 30 Jahren geht dieses Konzept völlig ins Leere. Wie viel Wachstum benötigen wir denn, vielleicht können Sie mir das mal sagen, um Vollbeschäftigung anzustreben? Die Experten sagen, 9 bis 11 Prozent. Das überfordert aber unsere Ressourcen, die wir haben, völlig. Wir brauchen also andere Formen von Arbeit. Solange Sie nicht bereit sind darüber zu diskutieren, dass wir wegkommen von dieser Wachstumsideologie, so lange wollen Sie den jetzigen Zustand nur zementieren, und zwar für Ihre Klientel. Sie nehmen dafür soziale Spannungen in Kauf, nicht nur in diesem Land, sondern global betrachtet.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieses Konzept passt auch, dass Sie immer wieder behaupten, öffentliche Beschäftigung oder öffentliche Unternehmen würden die Privatwirtschaft beeinflussen, und zwar negativ, als Konkurrenz. Also was Konkurrenz in dieser Gesellschaft anrichtet, haben wir in den letzten Monaten erlebt, wenn ich einmal Konkurrenz und Wettbewerb als etwas Ähnliches sehe. Nicht öffentliche Beschäftigung hat diese Gesellschaft an den Rand der wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe gebracht, sondern das Agieren der Finanzwirtschaft, die hat die Katastrophe verursacht. Öffentliche Unternehmen - darauf will ich nur einmal verweisen, was der Verband kommunaler Unternehmen in Thüringen in seiner neusten Bilanz dargestellt hat, 400 Mio. € Investitionen, und zwar in dem regionalen Raum. Davon profitiert der Mittelstand und die kleinen mittelständischen Unternehmen insbesondere. Nur wenn die öffentlichen Unternehmen nicht diese Investitionen tätigen würden, würden die 400 Mio. € als Nachfrage fehlen. Da können Sie ja sagen, wir haben private Nachfrage, aber die ist eben nicht da die private Nachfrage, weil bei uns die Einkommens- und Vermögenssituation bis unten ist im deutschlandweiten Vergleich. Wir brauchen öffentliche Nachfrage gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Öffentliche Beschäftigung kann eben auch dazu dienen, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen diese Nachfrage zu erhöhen. Es gibt zudem im kommunalen Bereich - darauf ist ja meine Kollegin Leukefeld schon eingegangen - Bereiche, da funktioniert kein Wettbewerb und es gibt Bereiche, da soll kein Wettbewerb funktionieren, weil es zu Verwerfungen führt. Ich habe Probleme, das gesamte Leben nur noch unter Wettbewerbsbedingungen zu definieren. Ich sage es ehrlich, im Gesundheitswesen will ich keinen Wettbewerb,

(Beifall DIE LINKE)

weil es zu unmenschlichen Folgen führt, nämlich zu einer Mehrklassenmedizin. Das können Sie jetzt schon erleben. Zu mir in mein Büro kommen eben Menschen, die nicht die 10 € haben für die Praxisgebühr. Da können Sie ja lachen, weil Sie ständig in anderen Kreisen verkehren, aber so ist das reale Leben, das hat etwas mit Wettbewerb zu tun. Wir haben Bereiche, da wollen wir bewusst keinen Wettbewerb und es gibt Bereiche, da funktioniert auch kein Wettbewerb. Bei der Pflege Gewässer zweiter Ordnung funktioniert kein Wettbewerb, und zwar weil die Kommunen keine Geld haben, um Aufträge öffentlich auszuschreiben, im soziokulturellen Bereich auch, deswegen macht es Sinn, dort gerade öffentliche Beschäftigungen zu fördern. Im Übrigen habe ich noch nie jemanden gehört, dass sich einer von uns beschwert, dass wir im öffentlich beschäftigten Sektor tätig sind als Abgeordnete. Wir machen auch keine Wertschöpfung; wir werden öffentlich alimentiert. Da beschweren Sie sich nicht. Da müssen Sie doch anfangen und müssten sagen, es geht nicht. Wir leisten einen unverwechselbaren Beitrag, indem wir auf unsere Diäten verzichten

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Die Regierung aber auch.)

und fördern damit den Mittelstand. Da merken Sie überhaupt, was Sie für einen Unsinn manchmal von sich geben mit Ihrer Wirtschaftsideologie aus dem 19. Jahrhundert. Damit können Sie die Probleme des 21. Jahrhunderts nicht einmal ansatzweise lösen.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Ihr Klassenkampf stammt aus dem 19. Jahrhundert!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ...

Präsidentin Diezel: Herr Abgeordneter Kuschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Sehr gern.

Abgeordneter Untermann, FDP:

Danke, Herr Kuschel. Ich habe eine Frage bei dem, was Sie jetzt hier so vom Leder gezogen haben, muss ich einmal sagen. Wir verwahren uns da erst einmal dagegen. Ich bitte Sie mir zu beantworten, wenn Sie das Wachstum schon so verfluchen, für uns gibt es nur eins, was die Wirtschaft hier vorwärtsbringt und das ist Wachstum und das sichert auch die sozialen Verhältnisse. Wenn Sie das Wachstum verfluchen, wollen Sie das dann mit Steuererhöhungen erreichen? Die Frage hätte ich gern beantwortet.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Im Gegensatz zu Ihnen, setzen wir nicht ausschließlich auf Wachstum, sondern auf eine andere Form von Wirtschaften. Das setzt natürlich Wachstum in Einzelbereichen immer voraus, aber doch nicht in der gesamten Breite und wir können nicht nur aus dem Wachstum heraus Beschäftigung entwickeln wollen,

(Unruhe CDU)

sondern wir haben Bereiche, da muss es auch ohne Wachstum Beschäftigung geben. Im ökologischen Bereich kann ich nicht nur auf Wachstum setzen. Das geht nicht, weil der Ressourcenverbrauch begrenzt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern am geringsten. Es stimmt also auch nicht der Vorwurf, dass wir im öffentlichen Bereich zu viele Beschäftige haben, insbesondere im Vergleich zu den skandinavischen Ländern sind wir ganz weit von der Beschäftigungsquote im öffentlichen Dienst weg. Daran kann es letztlich auch nicht liegen. Ganz lustig ist es ja natürlich, wenn wir dann über Kosten unsere Vorstellung zum öffentlich geförderten Arbeitsmarkt diskutieren. Da will ich noch etwas sagen. Es war ja der Vorwurf 65 Mio. € in drei Jahren. Sie betrachten dabei nur die Ausgabenseite. Das ist auch unseriös, weil demgegenüber stehen zum Beispiel die Steuereinnahmen und die Einzahlungen in die Sozialsysteme und die Einsparungen in den sozialen Sicherungssystemen. Wenn man das alles hinzurechnet, das haben ja nun Institute ermittelt, ein Hartz-IV-Empfänger kostet dem deutschen Steuerzahler im Jahr rund 13.000 €. Da wird deutlich, es ist kein fiskalisches Problem. Man könnte nämlich die 13.000 € auch in sinnvolle Beschäftigung umlenken. 13.000 € - da wollen Sie sagen, das ist ein fiskalisches Problem - nein. Es ist nur ein Problem des politischen Willens, darauf habe ich zu Beginn verwiesen. Dann wurde von dem Vertreter der FDP gesagt, der Staat ist nicht besserer Unternehmer. Wer bettelt denn jetzt beim Staat?

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Siehe Bayern-LB.)

Die Privatwirtschaft, die Finanzwirtschaft, weil die ohne den Staat bankrott gegangen wären. Da müssen wir doch mal nachdenken, ob wir nicht irgendwie über unsere Wirtschaftsordnung tatsächlich einen offenen Dialog führen müssen, dass es nicht so weitergehen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde skandalös, wenn Menschen, die sozial benachteiligt werden, unterstellt wird, deren Ziel sei ausschließlich die soziale Hängematte.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie das zu mir sagen, ich bin in einer sozialen Hängematte, weil ich jeden Monat alimentiert werde vom Steuerzahler, unabhängig von der Leistung. Ich bin mein Geld wert, das ist ja unstrittig, das ist klar.

(Heiterkeit im Hause)

Ich will jetzt keine Namen nennen, wo ich da eher Zweifel habe.

Aber das stimmt, den Menschen, die wir zwingen, mit 359 € im Monat hinzukommen - das geben wir am Tag aus, meine Damen und Herren, als Abgeordnete und schämen uns dabei manchmal gar nicht, davon müssen die einen ganzen Monat leben -, dann vorzuwerfen, wenn wir sie in Beschäftigung bringen, sie würden in eine soziale Hängematte fallen, also alle Achtung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch eine abschließende Zahl, gerade auch für die Damen und Herren der FDP. Sie sind neu und wissen das noch nicht so, das hat hier öfters eine Rolle gespielt. In Thüringen gibt es de facto keinen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt, der nicht staatlich gefördert würde - nicht einen. Wir haben uns das mal - da ich ab und zu eine Anfrage an die Landesregierung stelle, von dem Instrument mache ich nicht all zu häufig Gebrauch -

(Heiterkeit im Hause)

ausrechnen lassen, 34.000 € hat das Land für jeden Arbeitsplatz im verarbeitenden Gewerbe als Zuschuss im Durchschnitt gewährt. Jetzt frage ich mich, warum wir nicht die Hälfte dieses Geldes zum Aufbau von Arbeitsplätzen im soziokulturellen Bereich verwenden. Wenn Sie so auf Wettbewerb stellen, dann frage ich mich, warum ist denn dann eine Förderung im ersten Arbeitsmarkt überhaupt notwendig? Es funktioniert doch aus Ihrer Sicht alles, Angebot und Nachfrage schneiden sich irgendwo und dann ist doch Ihre Welt in Ordnung. Aber es funktioniert nicht, selbst auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht. Deswegen plädiere ich dafür, aufzuhören von dieser Trennung zu sprechen, als wenn die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt mehr wert wären als die im zweiten oder dritten. Volkswirtschaftlich stimmt das überhaupt nicht.

Der erste Arbeitsmarkt wäre schon längst zusammengebrochen, wenn nicht der Staat immer wieder regulierend auch über die Zuschüsse eingreifen würde. Das, was wir verlangen, ist einfach Arbeit als soziales Grundrecht, und da sind wir uns im Klaren, im klassischen produktiven Bereich wird das nicht mehr funktionieren. Wir haben aber ausreichend zu tun in dieser Gesellschaft und da müssen wir nur den Arbeitsbegriff anders definieren. Wenn wir hier auf den Sozialkombi abstellen, dann ist das keinesfalls eine Huldigung der bisher völlig danebengegangenen Arbeitsmarktpolitik der Großen Koalition und jetzt bei CDU/FDP wird es nicht besser, sondern es sind ganz kleine Pflänzchen und die müssen wir irgendwie entwickeln, weil - da komme ich zum Ausgangspunkt zurück - wir haben alle kein Patentrezept, aber wissen einfach, ein Weiterso geht nicht, also müssen wir versuchen - auch was uns andere Länder vormachen, die nicht in Verdacht stehen, eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen, aber die machen es uns vor -, dass es in einem öffentlich geförderten Bereich durchaus möglich ist, einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zu leisten. Ich will mich mit der Massenarbeitslosigkeit in diesem Land nicht abfinden. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

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