150 Jahre § 218 sind genug! Recht statt Verurteilung – auch in Thüringen für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs

Karola Stange

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 7/3360

 

Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauer am Livestream, aber vor allen werte Frauen, die draußen vor dem Landtag stehen und gemeinsam eine Aktion für die Abschaffung des § 218 heute vorm Landtag durchgeführt haben!

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich möchte an der Stelle sehr herzlich Danke sagen an Pro familia, danke an die Parität, an die unterschiedlichen Vereine und Verbände, aber auch an die „Omas gegen rechts“, die sich eindeutig auch zu dieser Thematik positioniert haben und die mir und meiner Fraktion noch mal ins Stammbuch geschrieben haben, alles dafür zu tun, dass der § 218 abzuschaffen sei.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich sage, die Geschichte des § 218 des Strafgesetzbuchs ist lang. Sie beginnt vor 150 Jahren im Kaiserreich und sie ist begleitet von Kämpfen der Frauenbewegungen für einen flächendeckenden legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und eine medizinisch sichere Durchführung. Kritik und Protest gegen den § 218 begründen sich darauf, dass durch ihn der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch im Kontext von Mord und Totschlag steht. Frauen und Ärztinnen werden mit Strafe bedroht. Die Verpflichtung, zu einer Beratungsstelle zu gehen, sagt weiterhin, dass Frauen eigentlich gar nicht in der Lage seien, eigenständige Entscheidungen zu fassen. Das ist Diskriminierung, werte Kolleginnen und Kollegen und auch zeitgleich eine Bevormundung von Frauen.

Werte Kollegen, wir brauchen – und das sage ich an der Stelle auch deutlich – eine flächendeckende Beratung zur Familienplanung und zur Schwangerschaft, die auf einer freiwilligen Basis Hilfe anbietet und Frauen bei den Entscheidungen für oder gegen einen Abbruch unterstützt. Was wir nicht brauchen, sind Zwangsberatungen und Wartezeiten und Fristen. Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, sind in der Lage, zu einer Entscheidung zu kommen und sich auch Hilfe suchen zu können, wenn sie sie benötigen.

 

Am Internationalen Frauentag in diesem Jahr, so erinnere ich mich, war das Thema schon mal hier im Thüringer Landtag. Da hörte ich vonseiten der CDU Stigmatisierung und Kriminalisierung bei dem Thema der Schwangerschaftsabbrüche. Ich möchte noch mal eindeutig formulieren, werte Kolleginnen und Kollegen, ich sage noch mal: Frauen, die abtreiben, sind keine Mörderinnen. Ärztinnen und Ärzte, welche Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sind ebenfalls keine Mörderinnen. Niemand – ich sage ausdrücklich: niemand – hat das Recht, Frauen vorzuschreiben, ob sie Kinder austragen wollen. Dafür sollten wir gemeinsam streiten.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Deshalb müssen wir auch die Mythen über die Schwangerschaftsabbrüche überall mit Aufklärung bekämpfen. Argumente, die sich vordergründig für ungeborenes Leben einsetzen, haben einen frauenfeindlichen Hintergrund, denn die Gegenüberstellung des Selbstbestimmungsrechts der Frau und der Rechte des ungeborenen Lebens basieren auf einer Vorstellung: dass jemand anderes als die Schwangere über ihren Körper bestimmen könnte. Niemand darf eine Frau zwingen, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, genauso wie ein Kind auszutragen. Das ist einfach eine Selbstbestimmung, die die Frau allein zu treffen hat.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Frauenbewegungen, werte Kolleginnen und Kollegen, kämpfen weltweit gegen diese Art patriarchaler Vorstellungen und leiten die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen aus dem allgemeinen Menschenrecht ab. Die UN hat sich dazu ausdrücklich in den Ausschüssen positioniert und sie fordert – und deren Forderung können wir uns als Linke einfach anschließen –:

 

1. Ein Schwangerschaftsabbruch ist Teil eines reproduktiven Rechts der Frau.

2. Er muss legal sein.

3. Er muss wohnortnah zugänglich sein.

4. Er sollte kostenlos sein.

 

Deshalb fordern wir mit vielen anderen, endlich den 150 Jahre alten § 218 – und natürlich ist da der § 219 mit im Kontext zu sehen – abzuschaffen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich will an der Stelle ein letztes Wort sagen, sehr ausdrücklich, sehr persönlich als eine ostdeutsche Frau: Ich empfand es als große Diskriminierung, als wir vor fast 30 Jahren den § 218 durch ein erstes gemeinsames Parlament wieder übergeholfen bekamen. Ich denke, für uns Frauen – und auch die Männer will ich ausdrücklich mit einbeziehen – in den neuen Bundesländern

 

Präsidentin Keller:

 

Frau Abgeordnete, kommen Sie zum Schluss.

 

Abgeordnete Stange, DIE LINKE:

 

war es ein politischer Tiefschlag und eine Diskriminierung. An der Stelle haben wir uns dem ausdrücklich entgegenzustellen. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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