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Linksfraktion kompakt: Schluss mit dem Rumge-Ampel!

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Eine „Revolution“ in der Pflege wird von der LINKEN seit geraumer Zeit angemahnt. Mit dem Bayrischen Gesundheitsminister Holetschek (CSU) hatte sich im August auch die bis zur letzten Bundestagswahl seit 16 Jahren die Bundesregierung führende Union explizit dazu bekannt, eine Revolution zu brauchen, „um Pflegekräfte besser zu bezahlen“. „Wir steuern in den kommenden Jahren auf eine dramatische Lage zu, wenn wir jetzt nicht handeln.“ Man müsse den Mut haben, „das System zu hinterfragen“ und die Struktur- und Finanzierung der Pflegeversicherung reformieren.

 

Thüringen: Gehaltsgap zwischen der Alten- und der Krankenpflege aktuell bei
429 Euro pro Monat bei Helfer*innen und 541 Euro bei Fachkräften.

Abbau der Entgeltdifferenz bei den Fachkräften bei Fortsetzung der Entwicklung der letzten vier Jahre in frühestens in ca. 9 Jahren; bei den Helfer*innen vergrößert sich die Differenz.

Schluss mit Rumge-Ampel! Wir brauchen die Bürger*innenversicherung. Das hatten SPD und GRÜNE im Bundestagswahlkampf versprochen.

 

Ausgangslage & Fragestellung


Eine „Revolution“ in der Pflege wird von der LINKEN seit geraumer Zeit angemahnt. Mit dem Bayrischen Gesundheitsminister Holetschek (CSU) hatte sich im August auch die bis zur letzten Bundestagswahl seit 16 Jahren die Bundesregierung führende Union explizit dazu bekannt, eine Revolution zu brauchen, „um Pflegekräfte besser zu bezahlen“. „Wir steuern in den kommenden Jahren auf eine dramatische Lage zu, wenn wir jetzt nicht handeln.“ Man müsse den Mut haben, „das System zu hinterfragen“ und die Struktur- und Finanzierung der Pflegeversicherung reformieren.

Warum diese seit Jahren bekannten dringenden Handlungsbedarfe erst „nach der Bundestagswahl“ angegangen werden sollen, und nicht bereits auf dem Weg sind, ließ Holetschek offen.

Tatsächlich besteht neben dem Erfordernis höherer Entgelte in der Pflege generell seit Jahren zudem ein deutlicher Gehaltsgap zwischen der Kranken- und der Altenpflege.
Dieser wird spätestens ab 2023 bei den Fachkräften in der Altenpflege den Mangel noch einmal drastisch verschärfen, wenn die generalistisch ausgebildeten Pflegekräfte eine Anstellung wählen.

Mit der Einführung der wissenschaftlich fundierten Personalbemessung in der stationären Altenpflege ab 2022 werden allerdings auch mehr Helfer*innen in der Altenpflege benötigt. Auch von auch in diesem Bereich ist eine schnelle Schließung des Gaps bzw. eine schnellere und spürbare Erhöhung der Entgelte erforderlich.

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (iab) weist im jüngsten Bericht zu den Entgelten in der Pflege darauf hin, dass „der Lohn als Instrument zur Motivation und längerfristigen Mitarbeiterbindung im Rahmen des weiter wachsenden Fachkräftebedarfs in der Pflege von erheblicher Bedeutung“ ist.

Um die Entgelte in der Altenpflege zu erhöhen, gibt es seit Jahren Bemühungen von ver.di und dem Arbeitgeberverband bvap zur Einführung eines Tarifvertrages, der nach dem Beitritt von Caritas und Diakonie vom BMAS für allgemeinverbindlich erklärt werden sollte. Diese Bemühungen sind im Frühjahr 2020 mit der Weigerung der Caritas, diesem Vertrag beizutreten, erst einmal gescheitert. Begründet hatte die Caritas dies mit der Möglichkeit, dass auf Grund der finanziellen Restriktionen der sozialen (gesetzlichen) Pflegeversicherung die bislang von der Caritas bereits gezahlten überdurchschnittlichen und von der sozialen Pflegeversicherung bislang auch refinanzierten Entgelte künftig nicht mehr (voll) refinanziert werden könnten. Für die Pflege war und ist diese Entscheidung ein Desaster. Dennoch machte sie erneut deutlich, dass die Frage der Finanzierungsreform, auf die auch Herr Holetschek hinwies, der Dreh- und Angelpunkt dafür ist, ob sich der Notstand in der Pflege, hier speziell der Altenpflege, weiter verschärft oder mit der Entscheidung für eine Solidarische Pflegeversicherung bzw. idealerweise mit einer Solidarischen Pflegevollversicherung auf Basis des druchgerechneten Konzepts der LINKEN in Richtung guter Pflege verändert werden kann.

Im Ampel-Koalitionsvertrag findet sich das Vorhaben der Solidarischen Pflege(voll)versicherung nicht. Hinsichtlich des Entgelt-Gaps findet sich nur das „Ziel, die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen“, allerdings mit Schwerpunkt/Beschränkung auf die stationäre Altenpflege (S. 81); ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag ist kein erklärtes Ziel.

Wie stellt sich vor diesem Hintergrund der Gap und die weitere Perspektive in Thüringen dar?
Dazu haben die MdL Ralf Plötner und Lena Saniye Güngör Daten aus Veröffentlichungen des iab zusammengetragen und auf dieser Basis zum einen die Entwicklung des Gaps in den letzten vier Jahren ermittelt und zum anderen die weitere Entwicklung des Gaps bei quantitativer Fortsetzung der Angleichung zwischen 2017 und 2020 berechnet.

 

Ergebnisse

 

Die Statistiken entnehmen Sie bitte der angehangenen PDF-Datei.

 

Entwicklung der Entgelte der Fachkräfte in der Pflege


Deutliche Zuwächse gibt es in der Krankenpflege im Betrachtungszeitraum (Spalte 4), die von den Zuwächsen in der Altenpflege noch übertroffen werden (Spalte 5).
Gemessen an den Entgelten aller Fachkräfte (Spalte 6) erreicht die Altenpflege im Jahr 2017 das Entgeltniveau der Fachkräfte insgesamt (Spalte 9); seitdem steigert sich der Anteil kontinuierlich auf zuletzt gut 112 %. In der Krankenpflege werden – verbunden mit Schwankungen, aber leicht steigender Tendenz – seit 2017 Entgelte erzielt, deren Höhe im Schnitt etwa ein Drittel über denen aller Fachkräfte liegt. Entwicklung der Entgelte der Helfer*innen in der Pflege


Deutliche Zuwächse hatte im Betrachtungszeitraum die Krankenpflege zu verzeichnen (Spalte 4), die insgesamt sogar noch leicht über den Zuwächsen der Altenpflege liegen (Spalte 5).
Gemessen an den Entgelten aller Helfer*innen (Spalte 6) erreichen die Helfer*innen in der Altenpflege erst im Jahr 2020 das Entgeltniveau aller Helfer*innen insgesamt (Spalte 9). In der Krankenpflege werden – auch hier verbunden mit Schwankungen – seit 2017 Entgelte erzielt, deren Höhe im Schnitt die aller Helfer*innen zunächst um gut 15% und zuletzt um knapp 23 % übersteigen.
Gemessen an den Entgelten aller Helfer*innen stellt sich die Situation im Bereich der Helfer*innen in der Pflege ungünstiger dar als im Bereich der Fachkräfte. Der Entgelt-Gap bei Pflegefachkräften


Von 2017 bis 2020 hat sich die Entgeltdifferenz der Altenpfleger*innen im Vergleich zu den Krankenpfleger*innen von 717 Euro auf 541 Euro pro Monat um insgesamt 176 Euro vermindert. Den höchsten Rückgang gab es mit 100 Euro von 2017 auf 2018, seitdem hat sich die Geschwindigkeit der Schließung des Gaps kontinuierlich und stark verlangsamt.
Unterstellt man trotz dieser Verlangsamung die Fortdauer der durchschnittlichen Geschwindigkeit der Anpassung der Entgelte im Betrachtungszeitraum, wäre die Differenz ca. 2029/2030 beseitigt. Selbst wenn sich die Anpassungsgeschwindigkeit ab 2021 auf den höchsten in den letzten vier Jahren gemessenen Wert erhöhen würde, wäre die Lücke erst 2025/2026 geschlossen. Der Entgelt-Gap bei Pflegehelfer*innen


Von 2017 bis 2020 hat sich die Entgeltdifferenz der Altenpflegehelfer*innen im Vergleich zu den Krankenpflegehelfer*innen von 370 Euro auf 429 Euro pro Monat um insgesamt 59 Euro erhöht.

Während es von 2017 auf 2018 noch einen Rückgang um 18 Euro gab, folgte diesem ein Anstieg um 9 Euro, der dann sich von 2019 auf 2020 auf 68 Euro steigert.

Während sich bei den Pflegefachkräften die Schließung des Gaps „nur“ verlangsamt, erhöht sich bei den Pflegehelfer*innen die Differenz und die Geschwindigkeit ihrer Zunahme: Geisterfahrt mit Vollgas.

Es ist daher nicht absehbar, wann der Gap geschlossen sein könnte. Eine Perspektive dazu ergibt sich nur, wenn eine Rückkehr auf den Anpassungspfad der Periode von 2017 auf 2018 angenommen wird; dann wäre der Gap ca. 2044 geschlossen.

 

O-Töne:


Ralf Plötner: „In Thüringen zeigen vor allem die Entgelte der Helfer*innen in der Altenpflege, dass endlich auf Bundesebene gegengesteuert werden muss. Statt Rumgeampel der neuen Bundesregierung Richtung Katastrophe muss endlich die Finanzierung auf solide Füße gestellt werden. Dies hatten SPD und GRÜNE im Bundestagswahlkampf versprochen.“


Lena Saniye Güngör: „Der seit Jahren bekannte strukturelle Mangel an Helfer*innen und Fachkräften in der Altenpflege muss endlich behoben werden. Dazu brauchen wir auf Bundesebene die Solidarische Bürgervollversicherung. Mit dieser werden deutlich mehr und deutlich besser bezahlte Pfleger*innen zur Abwendung einer Katastrophe in der Altenpflege gut finanzierbar.“