Käte Duncker

Seit dem 15. Oktober 2013 trägt der Sitzungssaal der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag den Namen der Sozialistin, Pädagogin, Publizistin und früheren Landtagsabgeordneten Käte Duncker. Sie wurde 1920 in den Thüringer Landtag gewählt und war eine der ersten Frauen in dem Parlament. Sie stritt sowohl für die berufliche und politische Besserstellung von Frauen als auch für den sozialen und kulturellen Fortschritt. Duncker unterstützte zusammen mit Clara Zetkin 1910 auf der Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen den Beschluss zum Internationalen Frauentag. Sie schrieb in der sozialistischen Frauenzeitschrift „Gleichheit“ und trat bei zahlreichen Frauenkonferenzen als Rednerin auf. Trotz Repressionen ließ sie sich nicht von ihren politischen Vorstellungen und Überzeugungen abbringen. Im Zuge ihres Engagements musste sie mit Repressionen leben. So erhielt sie bereits im Mai 1916 Redeverbot, ließ sich aber nicht von ihren politischen Vorstellungen und Überzeugungen abbringen. Nachdem ihr Mann Herrmann Duncker verhaftet worden war, suchte sie 1936 für zwei Jahre Schutz im thüringischen Friedrichroda, wo sie in den 1880er Jahren die Schule besucht hatte. Von dort emigrierte sie 1938 nach Amerika, um nach dem Krieg nach Bernau in Brandenburg zurückzukehren. „Käte Duncker gilt uns als eine Frau, die für ihre Überzeugungen kämpfte, litt und dennoch nicht müde wurde, für eine bessere Welt einzustehen“, sagte der damalige Vorsitzende der Thüringer Linksfraktion Bodo Ramelow anlässlich der Entscheidung, den Saal nach Duncker zu benennen.

Pressemitteilungen der Fraktion zu Käte Duncker:

Dr. Birgit Klaubert: Warum wir unseren Fraktionssitzungsraum nach Käte Duncker benennen

Die Festrede (Video-Link) zur Benennung des Sitzungssaals hielt die damalige Vizepräsidentin der Thüringer Landtages und heutige Thüringer Bildungsministerin Dr. Birgit Klaubert (DIE LINKE): 

Käte Dunker wurde am 23. Mai 1871 im badischen Lörrach geboren. Ihr Vater, ein Kaufmann, war früh verstorben. Käte Doell, wie sie damals hieß, war erst fünfeinhalb Jahre alt und kurze Zeit später zog ihre Mutter mit ihr in das thüringische Friedrichroda. Im Sommer 1877 eröffnete Paula Doell  in der dortigen Gartenstraße 10 eine Pension, um mit deren Erträgnissen den Unterhalt für sich und ihr Kind bestreiten zu können. Käte besuchte die Volks- und Höhere Töchterschule von 1876 bis 1886. Insbesondere unter dem Einfluss ihrer Lehrerin Lina Langhans wuchs in dem jungen Mädchen der Wunsch, Lehrerin zu werden. Diesen Berufswunsch zu verwirklichen, war zu diesem Zeitpunkt nicht so einfach wie heute, er galt als eher eigenwillige Entscheidung, die sich nur gegen Widerstände durchsetzen ließ.

Käte schrieb selbst dazu: „Nach hartem Kampf mit Vormund und Familie gelang es mir, Lehrerin zu werden.“ (aus einem zusammengestellten Lebenslauf aus der Edition des Briefwechsels zwischen Käte und Hermann Dunker (1894 -1914), der 2014 im Karl Dietz Verlag Berlin herausgegeben wurde)

Nach einem Jahr an der Hauswirtschaftsschule in Gotha begann 1888 in Eisenach die Ausbildung am Lehrerinnenseminar und bereits 1890, sie war gerade 19jährig, ihre Tätigkeit als Lehrerin an der Mädchenschule in Friedrichroda.

Sie selbst urteilt über diese Zeit: „Es herrscht in unserem Ländchen ein liberaler Ton, und die Lehrerverhältnisse gelten seit langem als sehr gut, d.h. nicht gerade was die Gehälter betrifft, aber in Bezug auf Vorbildung und Geist.“ (1)

Später, 1897, wird sie an ihren Verlobten Hermann Duncker schreiben: „Was sagst Du dazu, dass ein Schuldirektor öffentlich auftritt gegen den modernen ‚Mordspatriotismus’, wie ihn Geschichtsunterricht und Lesebuch pflegen? Gegen die  ‚herrlichen’ Kriegs- und so genannten Volkslieder, gegen den Sedanschwindel, kurz gegen all das, was man eigentlich heute ‚Pflege des Patriotismus’ nennt? Ich muss gestehen, ich war starr vor Staunen.“ (2)

Die Zeit in Thüringen, namentlich in Friedrichroda und Eisenach prägten das soziale Engagement und die sozialistisch-humanistische Überzeugung unserer Namensgeberin Käte Duncker deutlich, wenngleich sie bereits 1893 nach Leipzig wechselte. Dort hörte sie zum ersten Mal ein Referat von Clara Zetkin und kam mit der Arbeiterbewegung in Berührung. Sie unterrichtete nunmehr auch in Abendkursen des Leipziger Arbeiterbildungsvereins. Und „wegen ihrer sozialistischen Gesinnung“ verlor sie ihre Lehrerinnenstelle. Sie ging nach Hamburg und  aufgrund ihres Engagements für die großen Hafenarbeiterstreiks 1896/97 fand auch diese Anstellung ihr politisches Ende.

Im Sommer 1898 heiratete Käte den damaligen Studenten der Volkswirtschaftslehre Hermann Duncker. Von nun an war sie vorwiegend in der Erwachsenenbildung in Arbeiterbildungs-, Frauen- und Jugendkursen in Leipzig, Dresden, Stuttgart und Berlin tätig.

Die Situation im Deutschland jener Zeit gestattete es nicht, dass eine verheiratete Lehrerin, die noch dazu Mitglied der sozialdemokratischen Partei war, eine Anstellung im Schulsystem bekam. Das alles spielte sich vor dem Hintergrund dessen ab, dass die Deutsche Reichsvereinsgesetzgebung den Frauen bis 1908 politische Tätigkeit untersagte und offiziell erst ab 1908 den Frauen der Eintritt in die Sozialdemokratische Partei gestattet war.

Der Abschied von den Kindern fiel schwer, hatte doch Käte hart darum gekämpft, die Ausbildung als Lehrerin absolvieren zu dürfen.

Käte Duncker engagierte sich nun zunehmend in der proletarischen Frauenbewegung. 1899 beschäftigte sie sich mit  der Frage der Beteiligung der Frauen an der Erwerbstätigkeit und kam zum Schluss, dass sich durch die Industrialisierung die Frauenerwerbstätigkeit ausdehnen wird und es nicht darum gehen kann, die Berufstätigkeit der Frauen einzuschränken.

Es ginge vielmehr um Aufklärung und Organisation und namentlich an die Gewerkschaften gerichtet, forderte sie. „Die Gewerkschaften müssen in den Frauen sicheres Selbstvertrauen und den Stolz der Arbeit großziehen. Eine gesunde Entwicklung der Frauenarbeit wird allein erstrebt mit der Forderung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“  (3) Diese Forderung war weder in der Sozialdemokratie noch in den Gewerkschaften unumstritten, aktuelle Bezüge gibt es auch zur heutigen Situation.

Käte Duncker rang ständig um die Wissensvermittlung und Diskussion gesellschaftlicher Themen, lud in ihre Wohnung zu Diskussionsabenden ein. Immer wieder ging es um die Schulung von Frauen und Jugendlichen, um die Bildung als Voraussetzung und Antrieb für gesellschaftliche Veränderung.

1907 ging Käte Duncker nach Stuttgart, wo sie bis 1908 an der Seite Clara Zetkins 2. Redakteurin der Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“ wurde und deren Beilagen „Für unsere Kinder“ und „Für unsere Mütter und Hausfrauen“ betreute.

Ihre Ausbildung und ihre Fähigkeiten als Lehrerin und ihre Liebe zu diesem Beruf waren für diese Tätigkeit besonders nützlich.

Doch inzwischen hatte Käte selbst drei Kinder geboren, Hedwig 1899, Karl 1903 und Wolfgang 1909.

Hermann Duncker war oft im Auftrag der sozialdemokratischen Partei unterwegs, lehrte an den verschiedenen Orten Deutschlands und konnte nur wenig Stütze sein für die Familie. Käte schrieb an ihn: „Ach Alter, Du fehlst mir doch schrecklich an allen Enden. Bald möchte ich Deinen Rat, bald möchte ich Dich schimpfen,…, bald möchte ich mich bei Dir ausheulen, bald irgendetwas diskutieren. Wir sind halt doch bös verwachsen miteinander. Das ist nicht gut für Leute, die immer so lange getrennt sein sollen.“ (4)

1912 siedelte die Familie gemeinsam nach Berlin. Doch der Krieg riss die Familie wieder auseinander. Käte und Herrmann Duncker traten entschieden gegen die Kriegskredite und die Kreditbefürworter in ihrer Partei ein.

Käte Duncker koordinierte während der Kriegsjahre zusammen mit Leo Jogiches von Berlin aus die Aktivitäten der Gruppe Internationale/Spartakus für die Beendigung des Völkermordens und einschneidende gesellschaftliche Veränderungen.  Als nach der Novemberrevolution die KPD gegründet wurde, gehörten Käte und Hermann Duncker zu deren ersten Mitgliedern.

Nach der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurde auch Käte kurzzeitig verhaftet, danach verbarg sie sich in Leipzig, um von dort zu ihren beiden Söhnen nach Dänemark zu reisen, die bei Freunden untergekommen waren. Bis Herbst 1919 hielt sich Käte dann in Schweden auf. Die Anstrengungen während der Kriegsjahre hatten tiefe Spuren hinterlassen. Sie fühlte sich um Jahre gealtert.

Als Käte Duncker wieder nach Deutschland zurückkehrte, setzte sie große Hoffnung auf Arbeit und Auskommen in Thüringen. In Gotha-Siebleben wurde der Familie eine Wohnung zugewiesen. Doch als Käte ihre Wohnung Anfang 1920 einrichtete, putschten Kapp und Lüttwitz, marschierte die Reichswehr in Thüringen, mordeten und brandschatzten die Marburger Freicorpsbanden. Kurze Zeit später stellte die linke Gothaer Regierung ihre Tätigkeit ein. Bei dieser war Hermann als Sekretär angestellt gewesen, nun musste er sein Wanderlehrerdasein wieder aufnehmen. Die Hoffnung auf Gemeinsamkeit war dahin und die Last auf Kätes Schultern war unermesslich. Kurz vor ihrem 25. Hochzeitstag schrieb sie verzweifelt: „Meine Kräfte sind absolut am Ende, und ich leide weiß der Himmel schwer genug darunter, dass die Arbeitslast, eben das, was absolut gemacht werden muss, keinen Augenblick zum Besinnen, zur Lebensfreude, zum freundlichen Eingehen auf den anderen lässt…“ (5)

Im Spätsommer 1921 wurde Käte Duncker von ihrer Partei aufgefordert, für den Thüringer Landtag zu kandidieren.

Um ihre Kandidatur gab es Querelen, die Käte Duncker „als nicht besonders würdig“ bezeichnete und sie verzichtete zunächst auf ihr Mandat. Doch Anfang Dezember zog sie als Nachrückerin in den Thüringer Landtag ein. Sie war inzwischen 50 Jahre alt und gewissermaßen alleinstehende Mutter mit Wohnung in Gotha-Siebleben, deren Unterhaltung sich als schwierig erwiesen hatte.

Käte Duncker nahm dieses Mandat sehr ernst, bemühte sich, die Fragen des Kinderelends im Landtag zu thematisieren. Und hier erschlossen sich wieder die Prägungen ihrer Lehr- und Lehrerinnenzeit in Eisenach und Friedrichroda. Es ging ihr darum, nahrhafte Schulspeisung, Kinderkrippen und Kinderhorte einzuführen und die Volksbildung zu verbessern. Käte Duncker war begeistert vom Konzept der Maria Montessori und kümmerte sich um Fachkräfte für die pädagogische Ausbildung.

Neben dieser parlamentarischen Tätigkeit musste sie endlose zentrale und regionale Parteikonferenzen bestreiten; die Sitzungstätigkeit war anstrengend und bescherte ihr zum Teil mehrtägige Arbeitsunfähigkeit.

Und hinzu kam das weitere Arbeiten mit ihren „Weibern“ auf Frauenversammlungen im ganzen Land. Diese Veranstaltungen brauchte sie, in ihren Briefen gibt sie Auskunft über die Lebhaftigkeit der Diskussionen.

Als 1923 eine Arbeiterregierung unter Beteiligung der Kommunistischen Partei Realität wurde, hatte Käte Duncker weniger grundsätzliche Bedenken gegen diese Entwicklung, doch sie verwahrte sich gegen den „Kuhhandel“ um Ministerposten und dagegen, wie durch die Bezirksleitung der KPD Niederlagen in Siege umgedeutet wurden.

Schon unter Ausnahmegesetz im November 1923 hielt Käte Duncker ihre letzte Landtagsrede, die sinngemäß damit endet, dass die Überlegungen zum Verbot der kommunistischen Partei nicht deren Idee vernichtet werden. Kurze Zeit später wurde der Landtag aufgelöst. Für die nächste Wahlperiode  wurde Käte Duncker nicht wieder nominieret.

Knapp 30 Jahre später erinnerte sich Käte Duncker mit folgenden Worten an diese Zeit: „Und das Schicksal wollte es, dass ich dabei war, als aus den kleinen Vaterländern um den Thüringer Wald herum das Land Thüringen geschaffen wurde- nämlich als Abgeordnete des zweiten Thüringer Landtags zwischen 1921 und 1923.“ (6)

Kätes Weg führte sie von Thüringen wieder nach Berlin, erneut nahm sie ihre Kursarbeit auf, war für die Partei tätig und geriet zunehmend in Dissens mit deren Führung. Ab 1933 kämpfte sie um die Befreiung ihres Mannes, was ihr 1935 auch gelang und entschied sich doch wieder und nun aber ein letztes Mal nach Thüringen umzusiedeln. In Friedrichroda übernahm sie die Pension ihrer Mutter, die 1929 verstorben und auf dem städtischen Friedhof in Friedrichroda beigesetzt worden war. Hier sollte auch Käte Duncker 1953 ihre letzte Ruhestätte finden und mit ihr Sohn Karl.

Ein Besuch bei diesem in den Vereinigten Staaten führte sie allerdings 1939 nach Pennsylvania und von dort an verschiedene Orte in den USA. 1941 erreichte auch Hermann Duncker über Paris ihren Aufenthaltsort.

1947 kehrte das Ehepaar nach Deutschland zurück, freiwillig und in der Hoffnung, dass sie und ihr Mann ihre letzten Jahre „in den Dienst der Demokratisierung, Sozialisierung und Humanisierung Deutschlands“ stellen können. 1952 schrieb sie an eine Freundin in den USA: „Ich habe einen langen Zeitabschnitt menschlicher Entwicklung erlebt. Ich sehe nur ein Ziel: den Sieg des Sozialismus.“ (7)

Käte Duncker starb drei Monate vor der Vollendung ihres 82. Lebensjahres am 2. Mai 1953.

Vieles könnte noch aus ihrem Leben berichtet werden und die heutige Namensgebung sollte uns alle dazu anregen, genauer den einen oder anderen Abschnitt des Lebens einer Frau zu betrachten, in welchem es so viele Berührungen zur heutigen Zeit gibt.

Ich selbst habe für diese Worte meine Dissertation wieder einmal in die Hand genommen, in der es um die Organisation von Arbeiterinnen in den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie geht und in der natürlich auch Käte Duncker mit ihrer Forderung nach wahrer Gleichberechtigung der Frauen vorkommt.

Ich danke Heinz Deutschland dafür, dass er so viel Material aus seiner langen Forschungsarbeit zur Verfügung stellte und es insbesondere mit seinem Aufsatz „Lehrerin und Abgeordnete“ leichter machte, in so kurzer Zeit das Lebenswerk unserer Namensgeberin  zu beleuchten.

Mit dem heutigen Tag wird sie einen deutlich sichtbaren Platz im Thüringer Landtag der Gegenwart erhalten.

 

Quellenangabe:

Heinz Deutschland: Lehrerin und Abgeordnete: Käte Duncker (1871-1953), in: Mario Hesselbarth/ Eberhart Schulz/ Manfred Weißbecker (Hrsg.): Gelebte Ideen: Sozialisten in Thüringen. Biographische Skizzen, Jena,2006, in der Reihenfolge der Zitate: (1) S. 124 / (2) S. 124 / (4) S. 125 / (5) S. 127 / (6) S. 132 / (7) S. 133

Käte Duncker: Über die Beteiligung des weiblichen Geschlechts an der Erwerbstätigkeit, Hamburg, 1899, Zitat (3) S. 8

Birgit Klaubert: Das Ringen der freien Gewerkschaften Deutschlands um die Organisierung der Arbeiterinnen von 1896 bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs, Leipzig, 1986