K wie „Kampfhunde“

„Die Kampfhunde“ gibt es nicht. Für das Verhalten des Hundes ist der Halter verantwortlich, nicht die Zugehörigkeit zu einer Hunderasse.

Am 01. September 2011 tritt in Thüringen das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren in Kraft. Vorangegangen war eine nahezu ein Jahr dauernde Debatte in Parlament und Öffentlichkeit. Kern des Gesetzes ist eine sogenannte Rasseliste, nach der Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden allein aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit als gefährliche Hunde gelten. Für die Haltung dieser Hunde bedarf es künftig einer Erlaubnis, die Neuanschaffung von Hunden dieser Rassen ist an einen besonderen wissenschaftlichen oder beruflichen Bedarf, der nicht durch Hunde anderer Rassen angemessen befriedigt werden kann, gebunden. Die Hunde müssen mit Eintritt der Geschlechtsreife unfruchtbar gemacht werden. Zucht und Vermehrung sowie der Handel mit den aufgrund ihrer „genetischen Veranlagung“ als gefährlich geltenden Hunden sind verboten.

Zahlreiche ExpertInnen und Sachverständige haben diese Regelungen massiv kritisiert. Die zugrundeliegende Rasseliste ist weder sachlich gerechtfertigt, noch wird von ihr tatsächlich mehr Sicherheit ausgehen. Das zeigen alle empirischen Belege aus den Bundesländern, die eine Rasseliste eingeführt haben. Die Beißvorfälle in ihrer Gesamtheit haben sich nicht verringert. Eine Rasseliste ist aber vor allem nicht sachgerecht. So führte beispielsweise der Landestierschutzverband Nordrhein-Westfalen aus: „In der Veterinärwissenschaft ist es heute unbestritten, dass die Rasse eines Hundes grundsätzlich nichts über seine Aggressivität auszusagen vermag. Bestimmende Faktoren sind die Haltung und Erziehung des Hundes. Gerade die zu Unrecht als „Kampfhunde“ stigmatisierten American Staffordshire oder Staffordshire Bullterrier gelten als ausgesprochen kinderlieb und eignen sich bei verantwortungsvoller Haltung und Erziehung ideal als Familienhunde.“ Die Landestierärztekammer Thüringen meint ähnlich: „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass bestimmte Hunderassen per se aggressiv sind. Darauf haben wir Tierärzte seit Jahren immer wieder hingewiesen. Die Gefährlichkeit eines Hundes ist vielmehr durch äußere Einflüsse wie Haltung und Erziehung bedingt und deshalb nur individuell zu beurteilen.“ Dr. Dorit Feddersen-Petersen von der Universität Kiel stellt fest: „Verhaltensbiologisch ist die "gefährliche Rasse" nicht zu benennen, es ist naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen, einer Hunderasse a priori, also ohne Berücksichtigung der feindifferenzierten Verzahnung von genetisch bedingten Handlungsbereitschaften und den obligatorischen Lernvorgängen, eine gesteigerte "Gefährlichkeit" zuzuschreiben. Rassenkataloge, die "Hunde mit gesteigerter Gefährlichkeit" auflisten, sind irreführend, weil der Objektivität entbehrend, sie fördern darüber hinaus einen Hundemissbrauch, indem sie bestimmte Rassen für eine bestimmte Klientel erst attraktiv machen.“ Damit hat Frau Feddersen-Petersen auf ein weiteres Problem hingewiesen, dass ebenso in eine Gesamtbewertung der vorgeschlagenen Rasseliste einfließt, wie die zahlreichen sachlich und fachlich fundierten Einwände gegen eine solche Liste.

DIE LINKE Fraktion im Thüringer Landtag hat sich stützend auf die ExpertInnenmeinungen immer wieder gegen eine Rasseliste ausgesprochen und eigene Vorschläge für eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren, die von Tieren ausgehen, ausgesprochen. Mit den Vorschlägen der Fraktion DIE LINKE sollten Hundehalter in die Pflicht genommen werden, weil sie eine hohe Verantwortung gegenüber dem Tier und gegenüber ihren Mitmenschen haben.
In einem eigenen Gesetzesvorschlag war beabsichtigt, die bisher geltende Thüringer Gefahrhundeverordnung, die sich auch aus Sicht der Sachverständigen bewährt habe, in ein Gesetz zu überführen und um Regelungen zur allgemeinen Melde- und Kennzeichnungspflicht sowie zur Einführung einer Haftpflichtversicherungspflicht zu ergänzen. Ein Sachkundenachweis für Hundehalter sollte die Grundlage bilden für Ermäßigungen bei den durch die Kommunen festzusetzende Hundesteuer.

Der Thüringer Landtag beschloss mit der Mehrheit der CDU/SPD-Koalition entgegen aller Fachmeinungen aber die Einführung der umstrittenen Rasseliste. Gemeinsam mit Sachverständigen und VertreterInnen von Hunde- und Tierschutzorganisationen diskutiert die Fraktion DIE LINKE derzeit rechtliche Möglichkeiten, um gegen die durch das Gesetz vorgenommenen Eingriffe in die Grundrechte auf Handlungs- und Berufsfreiheit sowie gegen den tierschutzrechtlich bedenklichen Kastrationszwang vorzugehen.

Notwendig ist, dass in einem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren ein angemessener und verhältnismäßiger Interessenausgleich vorgenommen werden muss. Ein Ausgleich, der Belange der Gefahrenabwehr und dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berücksichtigt, individuelle Rechte nicht mehr als notwendig beschneidet und letztlich auch die Belange des Tierschutzes nicht unberücksichtigt lässt.

Pressemitteilungen zum Thema

Seit heute ist das novellierte Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren in Kraft, das Hunde nicht mehr nach ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, sondern nach ihrem Verhalten als gefährlich einstuft. „Neben der Abschaffung der Rasseliste haben wir eine Kombination aus Wesenstest und Sachkundenachweis im Gesetz… Weiterlesen

In 14 von 16 Bundesländern werden bisher so genannte Rasselisten geführt, in denen die Gefährlichkeit eines Hundes per se wegen der Rasse angenommen wird und nicht anhand des Tierverhaltens. Das rot-rot-grüne Thüringen hat sich von diesem System nun verabschiedet und geht mit einem fortschrittlichen Gesetz zum Schutz vor Tiergefahren einen neuen… Weiterlesen

Der Innenausschuss hat in seiner heutigen Sitzung Änderungen des Thüringer Tiergefahrengesetzes beraten und eine Beschlussempfehlung gefasst. Er empfiehlt den Abgeordneten des Thüringer Landtages in der kommenden Woche, der Abschaffung der so genannten Rasseliste und weiteren Änderungen zuzustimmen. Dazu erklärt die Landtagsabgeordnete Sabine… Weiterlesen

Nach der im September getroffenen Grundsatzentscheidung zur Abschaffung der Rasseliste so genannter „gefährlicher“ Hunde haben die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen dem Innenausschuss nun einen Kompromiss für die Einzelheiten des Gesetzes vorgelegt, der in einem erneuten schriftlichen Anhörungsverfahren durch ExpertInnen bewertet werden soll.… Weiterlesen

Nach der am 24. August im Innen- und Kommunalausschuss durchgeführten Anhörung zur Änderung des Thüringer Tiergefahrengesetzes, bei der die so genannte „Rasseliste“ von einer Vielzahl der Anzuhörenden im Hinblick auf die Gefahrenverhinderung kritisch eingeschätzt wurde, haben sich die Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf eine… Weiterlesen

Plenarreden zum Thema

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5577 Weiterlesen

Erstes Gesetz zur Änderung 35 des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3570 - dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/5131 - korrigierte Fassung - ZWEITE BERATUNG Weiterlesen

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3570 Weiterlesen

Zum Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/510 Weiterlesen

Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/4819 Weiterlesen