Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Rettungsdienstgesetzes – Einführung Thüringer Telenotarzt

Donata Vogtschmidt
RedenDonata Vogtschmidt

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/7450

 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Wir haben das Rettungsdienstgesetz ja erst im Dezember des letzten Jahres auf Initiative von Rot-Rot-Grün angepasst und damals hatten wir uns ja auch schon darauf geeinigt, dass wir das im laufenden Jahr 2023 noch mit weiteren Änderungen vollenden wollen. Wir haben damals die Fristen für die Rettungsassistentinnen und -assistenten angegangen und diese verlängert und nun sind wir also im Prozess, um jetzt die Änderungen noch mal weiter vorzunehmen.

Aus der Opposition legen nun die FDP und die CDU Entwürfe vor, die im Kern jeweils auf die Regelung zur telenotärztlichen Versorgung zielen und die FDP möchte außerdem die Einführung einer Rettungshelfer-App gesetzlich verankern.

 

Zunächst zur App: Zehntausende Menschen erleiden jährlich einen plötzlichen Herzstillstand, völlig überraschend, meist vor der Haustür oder am Arbeitsplatz oder auf dem Weg nach Hause. Bis dann erst mal die hilfsbedürftige Person gefunden ist, die Leitstelle alarmiert ist, der Sachverhalt übermittelt ist, der Rettungsdienst vor Ort eingetroffen ist und dann mit der professionellen Wiederbelebung und Beatmung beginnen kann, vergehen ja oftmals etwas mehr als die drei bis vier wirklich kritischen Minuten und das kann mitunter wirklich gravierende Folgen für die Betroffenen haben und über Leben und Tod entscheiden.

 

Daher haben wir gemeinsam mit der rot-rot-grünen Landesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen angestoßen, um auch die schnelle Versorgung auf hohem Qualitätsniveau zu verbessern. Maßgeblich dabei ist auch die Leitstellenstrukturreform für die allein bis zum Jahr 2027 im Haushalt rund 60 Millionen Euro an Zuweisungen für Gemeinden und Gemeindeverbände vorgesehen sind.

 

Wichtig für den Erfolg sind dabei auch die einheitlichen Standards, eine hochmoderne Technik, datensichere digitale Strukturen und auch klare Ausfallebenen, denn am Ende muss die Infrastruktur der Leitstelle eine Vielzahl von Modulen in sich verbinden. Jeden weiteren Baustein, der dazu beitragen kann, die Menschen in lebensgefährlichen Situationen noch schneller an Hilfe gelangen können zu lassen, sollten wir daher gemeinsam auf seine Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit prüfen und dazu zählt dann eben auch die Prüfung der sogenannten Ersthelferalarmierung per App.

 

Wie genau funktioniert diese App denn eigentlich in der Praxis? Menschen, die in der Umgebung eines Notfalls alarmiert werden können, um dann schneller als der Rettungsdienst an sich vor Ort einzutreffen. Man meldet sich also zuvor bei einem Anbieter in dieser App an und wird im Bedarfsfall am Standort hinzugelotst. Also gerade dann, wenn in der eigenen Nachbarschaft zum Beispiel ein Notfall vorliegt oder eintritt, kann man unter Umständen schneller vor Ort sein als der Rettungswagen vom DRK oder vom ASB, der vielleicht zehn Minuten mit der Anfahrt braucht – das wurde ja auch schon angesprochen – und sich dann unter Umständen noch durch verstopfte Rettungsgassen zwängen muss.

 

Aber ich finde es schon trotzdem deutlich bemerkenswert, dass die FDP hier zwei Initiativen zu dem Thema auf die Plenarsitzung gebracht hat, nämlich zum Ersten den Antrag in der Drucksache 7/6451, in dem die FDP Prüfaufträge an die Landesregierung geben möchte, welche Dienstleister es überhaupt gibt, um mit den Aufgabenträgern dann erst mal ins Gespräch zu kommen, dann einen Modellversuch zu starten und dann auch erst mal rechtlich zu prüfen.

 

Und dann zweitens auch noch mit dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf in der Drucksache 7/7394 dann das Instrument direkt ins Gesetz zu schreiben und die Aufgabenträger sofort zu verpflichten mit dem, was eigentlich erst noch gemeinsam geprüft werden soll. Am Mittwoch hat dann die FDP den Antrag mit den Prüfaufträgen für das März-Plenum zurückgezogen, das behandeln wir ja dann im April. Für mich stellt sich die Frage, ob jetzt erst gesetzliche Tatsachen geschaffen werden sollen, um dann zu prüfen, ob das eigentlich alles Sinn ergibt, also den zweiten Schritt vor dem ersten zu gehen. Das fände ich persönlich bei dem Thema nicht wirklich sachgerecht, aber wir stehen dem Ansinnen einer digital unterstützten ersthelfenden Koordination grundsätzlich positiv gegenüber. Jedes Mittel ist auf jeden Fall gut, um das System noch mal zu verbessern, aber viele Fragen sind für uns noch nicht komplett geklärt. Zum einen gibt es keinerlei einheitliche Standards, wer überhaupt als Ersthelfer, Ersthelferin kontaktiert werden kann. Manche der Anbieter verlangen nur den Nachweis eines Erste-Hilfe-Kurses von einer Zeit X, andere verlangen eine höherwertige Qualifikation als Rettungsassistentin oder noch weitere Weiterbildungen. Auch die Fachmeinungen sind im Mehrwert bei der Ersthelferalarmierung nicht ganz einheitlich. Gerade weil am Ende bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zum Beispiel nicht jede Minute, sondern wirklich jede Sekunde zählt, gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob der Leitstellendisponent dann am Ende die wenige Zeit, die er da eigentlich hat, investiert, um über die entsprechenden Schnittstellen die Verfügbarkeit der Ersthelfer, Ersthelferinnen in der Umgebung zu eruieren und diese dann vor Ort zu koordinieren, oder die wenige Zeit dann nutzt und investiert, um auch die anrufenden Laien quasi sofort in die Lage zu versetzen, um unter professioneller Anleitung mit der Reanimation zu beginnen. Dabei nicht zu vergessen ist dann auch die Frage der Haftung, gerade wenn Laien vor Ort mit einbezogen werden, um Helfende dann auch nicht in rechtlicher Unsicherheiten zu lassen.

 

Auch der Bereich des Datenschutzes ist für uns tatsächlich sehr elementar, gerade bei diesem wichtigen Bereich. Damit das Prinzip funktioniert, benötigt es am Ende Freiwillige, die sich einer mehr oder weniger Dauerüberwachung an ihrem Smartphone, an ihrem privaten Mobiltelefon aussetzen, schließlich muss man bei dieser App dann unbedingt diesen Standort sinnvollerweise auf einige hundert Meter in wirklich aktualisierten Abständen checken und dann auch erkennen können. Wenn wir als Parlament eine solche Methode in Betracht ziehen, müssen wir auch klar regeln, in welchen Abstufungen und Intervallen dieses Standorttracking datenschutzfonform verläuft und mit welchen Sicherheitsmechanismen hier Profilbildung entgegengewirkt wird. Wir müssen also vorab die Fragen rechtssicher und im Sinne des Verbraucherschutzes beantworten können: Wo liegen die Daten, ob und wie überhaupt werden sie gespeichert, wie wird die Einhaltung der DSGVO sichergestellt, wie wird von einer Open Source-Lösung der Grundsatz der entsprechenden Digitalstrategie unseres Freistaats eingehalten usw., usf.? Aber das werden wir dann sicher im Ausschuss weiterführen.

 

Die CDU war ja auch bei meiner letzten Rede emotional sehr erfreut über mein passendes Buchzitat, da füge ich auch wirklich gern hier bei dieser Rede ein Zitat – diesmal ist es ein Filmzitat aus den Känguruchroniken – zum Thema „Datenschutz“ ein, dann wird mir sicherlich auch Herr Zippel noch mal zustimmen, damit sich dann am Ende niemand von den Betroffenen einfach hinstellen und sagen kann, Zitat: „Wollen Sie nicht noch unterm Bett nachschauen, vielleicht finden sie da ja meine Privatsphäre, weil, die vermisse ich seit ein paar Minuten.“

 

Letztendlich ist also der einheitliche Standard wichtig. Was nützt es, wenn ein Mediziner aus Jena zum Beispiel zu Besuch in Gera oder im Eichsfeld ist und dort im Nachbarhaus einer einen Herzinfarkt erleidet und er dort helfen könnte, aber gar keine Alarmierung über die App bekommt, weil zum Beispiel der Eichsfeldkreis, der bisher bei der gemeinsamen Leitstellen- und Strukturreform auch unwillig war, gar nicht an diesem Projekt der App teilnimmt? Kurzum, bevor wir dies alles abschließend gesetzlich regeln, gibt es noch eine ganze Reihe an Punkten zu klären. Vor allem aber sollten wir zunächst wirklich eine valide Erprobung in Thüringen durchführen.

 

Der zweite Punkt der heute zu beratenden Anträge ist dann ja die telenotärztliche Versorgung. Also wenn im Krisenfall die notärztliche Versorgung wegen einer Unterbesetzung der Leitstellen wegfällt, greift kein Plan B, zumindest bis 2020. Mit der weltweiten Pandemie gab es dann ja auch weitreichende Einschränkungen in allen Bereichen der Gesellschaft und für den akuten Notarztausfall wurde dann 2020 die dritte Eskalationsstufe eingeführt. Das war dann die Aufrechterhaltung der notärztlichen Expertise, die dann dabei gewahrt werden sollte. Der Plan B hieß dann telenotärztliche Versorgung. Im Zeitraum von ungefähr anderthalb Monaten führte dann damals die Kassenärztliche Vereinigung in Thüringen zusammen mit der Berufsfeuerwehr Weimar in ihrem Rettungswagen das Projekt telenotärztliche Versorgung durch. Mein Kollege Ralf Plötner und ich haben uns das letztes Jahr gemeinsam bei der KVT angeschaut und auch den Test ausgewertet, der aus unserer Sicht erfolgreich lief. Auch Rettungskräfte und Hilfesucher haben dies ebenfalls bestätigt, aber trotzdem ist auch dieses Modellprojekt immer noch nicht zu 100 Prozent wirklich durchgeplant und einsatzbereit. Es bedarf noch einiger Anpassungen, da sind wir uns, glaube ich, auch mit der Fachexpertise aus der Praxis einig, dass da noch mal drüber geguckt werden sollte. Aber eine Ausweitung der telenotärztlichen Versorgung in Thüringen begrüßen wir grundsätzlich. FDP und CDU legen ja hier zwei doch relativ voneinander abweichende Regelungsvorschläge vor, die eine Diskussionsgrundlage darstellen, jedoch wesentliche Regelungen unterm Strich vermissen lassen. Bei der CDU wird zum Beispiel wirklich einfach kein klarer Aufgabenträger benannt. Stattdessen heißt es relativ lapidar, dass die Ministerien das richten sollen, obwohl ja auch die reguläre notärztliche Versorgung bereits gesetzlich über die KVT abgesichert wird. Das wäre hier also ebenfalls der richtige Adressat. Und weder die CDU noch die FDP sind bei den Befugnissen wirklich eindeutig. Vor allem fehlt auch hier eine klare Regelung, wie etwa mit der Aufzeichnung, Auswertung und Löschung von Videos, Bildern und Tonspuren umgegangen werden soll. Immerhin sind das diesmal dann auch wirklich sehr heikle Patientinnen- und Patientendaten, die per Videoübertragung übermittelt werden sollen.

 

Unser Maßstab muss es dann letztendlich sein, gemeinsam auf die Fachexpertise zu hören, die über den Landesbeirat des Rettungswesens entwickelt wird. Dort wird gerade ein dritter gesetzlicher Entwurf erarbeitet, den wir ebenso in die Debatte einspeisen möchten. Wir sollten dann also auch im Sinne dieses wirklich fachlich-inhaltlichen und auch tiefgreifenden Themas und einer bestmöglichen Lösung voranschreiten. Und wir beraten diesen Punkt natürlich gern im zuständigen Innen- und Kommunalausschuss. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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