Zweites Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes – Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt

Sascha Bilay

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9652

 

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Walk, ich hätte mir gewünscht, dass Sie bei der Einbringung Ihres Gesetzentwurfes nicht einfach nur die Einleitung vorlesen, sondern auch noch mal interpretieren und das vielleicht noch mal ein bisschen ausführlicher darstellen. Dann hätte man vielleicht auch noch mal über ein paar neue Aspekte nachdenken können. Ich will Ihnen einfach vorwegsagen, dass wir äußerst skeptisch sind und erhebliche, wirklich erhebliche, auch verfassungsrechtliche Bedenken zu dem haben, was Sie hier vorgeschlagen haben.

 

Es geht schon bei der Frage des Näherungsverbots und auch der elektronischen Aufenthaltsüberwachung – wie sich das im Beamtendeutsch so schön anhört, das sind aber Fußfesseln – um erhebliche, weitreichende Grundrechtseinschränkungen. Und da wissen Sie als Polizist, dass solche Einschränkungen immer unter den Maßgaben der Verhältnismäßigkeit, der Geeignetheit und der Erforderlichkeit zu überprüfen sind. Und da sagen wir, dass wir da diese Messlatte, die da angelegt ist, als nicht erfüllt sehen.

Wir sind uns ja einig bei der Frage, dass in dem Bereich Schutz von Frauen vor Gewalt noch mehr getan werden muss. Aber der Weg, den Sie hier einschlagen, ist aus unserer Sicht der falsche Weg.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist genau der richtige! Fragen Sie mal Katja Wolf!)

 

Ja, Frau Tasch, wir können gern im Innenausschuss darüber reden. Ich lade Sie auch gern dazu ein und werde mich dafür stark machen, dass Sie dann auch im Innenausschuss Rederecht bekommen, dann können wir uns dazu auseinandersetzen. Aber ich will Ihnen noch mal sagen, was das Problem ist. Sie schreiben in Ihrem Gesetz, dass die Fußfessel auf Antrag der Polizei – auf Antrag der Polizei entscheidet ein Gericht. Das ist eine Vorverurteilung, weil Sie schreiben, dass das auch dann gemacht werden kann, Zitat, „wenn sich noch keine konkreten Straftaten einschließlich strafbarer Vortaten gesichert nachweisen lassen.“ Das ist ein Vorgriff, der aus unserer Sicht erheblich bedenklich ist.

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Richtig, das ist der Sinn!)

 

Sie verwenden einen neuen Begriff, führen einen neuen Begriff der drohenden Gefahr ein, definieren den aber überhaupt nicht, sondern Sie haben das einfach nur übernommen und führen überhaupt nicht aus, was darunter zu verstehen ist. Die Neue Richtervereinigung hatte zu dieser Debatte, die dazu in Fachkreisen läuft, schon mal Folgendes festgestellt, ich zitiere: „Weshalb nunmehr zwischen dem Gefahrenverdacht und der konkreten Gefahr noch eine ,Zwischenkategorie‘ mit einem gesonderten Wahrscheinlichkeitsgrad […] eingeführt oder vielleicht sogar die Rechtsfigur des ,Gefahrenverdachts‘ durch die ,drohende Gefahr‘ ausgetauscht werden soll, erschließt sich nicht. Denn die mit der Einführung der Rechtsfigur der ,drohenden Gefahr‘ verbundenen Unsicherheiten für Rechtsanwender*innen und Bürger*innen sind unnötig und werfen mit Blick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot verfassungsrechtliche Bedenken auf.“ Das habe ich mir nicht ausgedacht, das sagen Juristinnen und Juristen mit dem Zweiten Staatsexamen. Und wenn die das feststellen, dann hat das aus meiner Sicht erst mal hohes Gewicht.

 

Herr Walk, ich will es auch deutlich machen, denn das ist ja eine Kampagne, die Sie führen. Wir hatten die Frage, wie Sie hier mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen, insbesondere in Erfurt, kampagnenartig umgehen, schon mehrfach in der Debatte. Sie spielen hier nicht nur mit den Emotionen der Menschen, sondern Sie spielen auch gefährlich mit dem Feuer. Das will ich an dieser Stelle auch deutlich sagen.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Da geht es um Opferschutz!)

 

Sie ignorieren aber auch tatsächlich Erfahrungen bei Straftätern, die erhebliche Straftaten verübt haben, die schon Fußfesseln getragen hatten. Es gab 2016 ein Attentat in Frankreich. Der Attentäter hat die Fußfessel getragen. Das Attentat ist dadurch nicht verhindert worden. 2017 gab es einen mutmaßlichen Terrorverdächtigen, der sich trotz Fußfessel mit dem Flugzeug – ich weiß gar nicht, wie der durch die Sicherheitskontrollen gekommen ist – über den Flughafen Hamburg mit dem Flugzeug ins Ausland absetzen konnte. Da haben die Beobachter der Polizei festgestellt, das Signal hört auf zu piepsen und irgendwann hat es wieder gepiepst und der Standort, der angezeigt wurde, war der Flughafen in Athen.

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ja, das kann sein!)

 

Insofern ist doch die Frage: Ist das überhaupt tauglich, was Sie da aufgeschrieben haben?

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ja, es ist tauglich!)

 

Da sage ich: Nein, das ist untauglich,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

weil nämlich Ihr Vorschlag einer Fußfessel darauf setzt, dass derjenige, der die Fußfessel trägt, aktiv mitwirkt, dass der die nicht einfach abschneidet, dass der regelmäßig den Akku auflädt, dass der immer die Fußfessel auch betriebsbereit hält.

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Es gab einen Vorfall, wo das nicht funktioniert hat!)

 

Da haben wir unsere Skepsis. Im Übrigen, die Fußfessel führt auch gar nicht dazu, dass die potenzielle Frau, die Opfer von Gewalt geworden ist oder werden könnte – Sie schreiben ja auch nur „könnte“ –, einen Hinweis bekommt, Achtung, da rückt dir einer auf die Pelle, sondern es wird ein Signal an die überwachende Stelle ausgesandt. Jetzt komme ich aus dem Wartburgkreis in Eisenach, da haben wir mal die Fantasie, dass irgendwo im tiefen ländlichen Raum, in der Rhön vielleicht, ein Bürger, der sonst in Hessen lebt, sich – das ist ja grenznahe Region – von der hessischen Rhön in die thüringische Rhön einer Frau nähert. Das Signal wird aber an eine Polizeistelle in Hessen gesandt. Dann rufen die Kollegen aus Hessen bei der Polizei in Thüringen an. Dann guckt mal die Thüringer Polizei, welcher Streifenwagen ist denn gerade in der Nähe. Und wir wissen, wie die Personaldichte auch im Streifendienst tagsüber und vor allem in der Nacht ist. Das sind vielleicht zwei oder drei Streifenwagen im Einsatz und dann fahren die von Treffurt irgendwie runter nach Geisa und versuchen mal nach einer Stunde Fahrt – selbst mit Blaulicht und überhöhter Geschwindigkeit –, den zu erwischen. Da ist doch schon die Frage: Ist dieses Konstrukt, was Sie uns hier vorschlagen, tatsächlich tauglich?

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ja, ist es!)

 

Ich will Ihnen auch noch eines sagen: Es gibt in der Praxis ja auch schon in anderen Bereichen – Sie haben es erwähnt – die Anwendung von Fußfesseln. Da hat Herr Prof. Feltes, der auch mal Lehrstuhlinhaber unter anderem für Kriminologie gewesen ist – Kriminalpolitik usw. usf. –, aus Bochum in seinen Untersuchungen festgestellt, dass diese Fußfesseln oftmals Fehlalarme auslösen, was dazu führt, dass Polizistinnen und Polizisten, die eine Mitteilung kriegen, geht da mal gucken, am Ende gar nicht mehr wirklich mit größtem Eifer dann auch wirklich rausfahren und da versuchen, vielleicht Straftaten zu verhindern, weil eben nicht zeitnah reagiert wird. All das sind Punkte, die unsere Skepsis noch mal erhärten.

 

Es ist eben bei Frau Marx angeklungen, wir würden gern einen anderen Weg gehen wollen. Wir wären Ihnen auch dankbar, wenn die CDU unseren Gesetzentwurf zum Chancengleichheitsförderungsgesetz, in dem unter anderem der Punkt der Frauenhäuser mit enthalten ist,

 

(Zwischenruf Abg. Dr. König, CDU: Das ist doch was ganz anderes!)

 

wo auch die Umsetzung der Istanbul-Konvention mit drinsteht, wo wir über Präventionsmaßnahmen reden, nicht weiter verzögert. Frau Marx hat eben 25 Punkte angesprochen. Das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt. Wenn wir uns da in den Fachausschüssen schneller geeinigt hätten, dann hätten wir das heute nicht durch die Verhinderungstaktik der CDU noch mal an den Ausschuss zurücküberweisen zu müssen,

 

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Wenn Sie ein ordentliches Gesetz eingereicht hätten …!)

 

(Unruhe CDU)

 

sondern ernsthaft über den Gewaltschutz von Frauen reden können und auch einen Gesetzentwurf tatsächlich beschließen können. Das wäre aus unserer Sicht ein richtiger Weg gewesen. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE)

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