Wirtschaft und Bürger durchatmen lassen – Thüringer durch Sofortprogramm von Bürokratie entlasten

Andreas Schubert

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9867

 

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Thüringerinnen und Thüringer – auch die Unternehmerinnen sind angesprochen –, „Wirtschaft und Bürger durchatmen lassen“: Herr Bühl, nach dem Lesen Ihres Antrags musste ich selbst erst mal durchatmen, denn der Antrag von Ihnen trägt das Datum vom 17. April dieses Jahres. Da wir wissen, wie lange dann die Legislaturperiode jetzt noch dauert – nämlich genau bis zur Sommerpause nach unserem Plan, was den Termin der Landtagssitzung anbelangt –, kann ich Ihnen das nicht ersparen, dass es sich hier ganz offensichtlich um einen reinen Wahlkampfantrag handelt, wo einfach nur mal „Wünsch dir was“ aufgeschrieben wurde, was die CDU schon immer mal wollte.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dass das so ist, das kann man auch Ihrem Antragstext selbst entnehmen. Der ist offensichtlich mit so heißer Nadel gestrickt, dass noch nicht mal die grammatikalischen Grundkenntnisse hier Anwendung gefunden haben. Wenn Sie zum Beispiel mal lesen unter II., gleich der erste Anstrich: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein Sofortprogramm zum Abbau überflüssiger bürokratischer Belastungen und Hemmnisse auflegen.“ – „Aufzulegen“ wäre doch wahrscheinlich die richtige Formulierung gewesen. Aber wahrscheinlich war die Zeit so knapp bei der CDU, dass das noch so schnell jetzt auf die Tagesordnung kommen musste – da gab es ja sogar einen Extraantrag, dass das auch noch priorisiert wurde –, dass also auch da die Qualität offensichtlich nicht gehalten werden konnte.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist tatsächlich so: Die CDU zeigt mit diesem Antrag, dass sie den kalten Kaffee des Jahres 2021 nur wieder aufwärmen kann und mit dem Thema ausschließlich Stimmung machen möchte. Sie hegen keine ernsthaften Absichten, wirklich etwas für die Wirtschaft oder die Bürgerinnen tun zu wollen. Der Antrag ist – wie ausgeführt – mit heißer Nadel gestrickt und hat kaum aktuelle Bezüge zum Bürokratieabbau. Sie haben noch nicht mal den Bericht des Thüringer Normenkontrollrats in Ihre Antragsformulierung oder gar in Ihre Begründung mit einbezogen.

 

Deswegen möchte ich Sie zum Beispiel daran erinnern, als wir damals schon im Jahr 2021 in der Debatte zur Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes beraten haben, wie Bürokratie abgebaut werden kann, und Zuschriften wie zum Beispiel die von Prof. Klaus Dörre bekommen haben, der uns im Rahmen dieser Anhörung Folgendes mitgeteilt hat, ich zitiere: „Die Einhaltung verbindlicher Dekarbonisierungsziele oder allgemeiner: sozialer und ökologischer Nachhaltigkeitskriterien zu garantieren, muss jedoch für jeden Betrieb, für jedes Unternehmen zu einer Selbstverständlichkeit werden. Dieses als Bürokratisierung zu bezeichnen, ist grob fahrlässig. Weil Nachhaltigkeitsziele mehr und mehr auch rechtlich verbindlich werden, könnte die vermeintliche ,Entbürokratisierung‘ der Ausschreibungsverfahren alsbald in Form von Mehraufwendungen, Nachteilsausgleichen, Prozesskosten oder gar Entschädigungszahlungen wie ein Bumerang auf die Unternehmen zurückschlagen. […] Dabei könnte sich zeigen, dass die ,Bürokratisierung‘ eher ein Problem verkrusteter Behörden und ineffizienter Abläufe als das Ergebnis sozialer und ökologischer Standards ist. Dass Teile des Thüringer Staatsapparates ineffizient agieren, dass es den Zuständigen an industrie- und wirtschaftspolitischer Fantasie und Kreativität fehlt, […] [ist] jedoch in den Jahren von CDU-geführten Regierungen entstanden. Die amtierende Regierung muss sich mit diesen Apparaten auseinandersetzen und arrangieren. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten haben es verdient, durch wissenschaftliche Expertise ans Tageslicht gebracht zu werden. Aus der Perspektive kleiner und mittlerer Unternehmen, die die Thüringer Wirtschaft prägen, könnte eine Untersuchung solcher Praktiken zu manch überraschender Erkenntnis führen.“ So weit das Zitat von Prof. Klaus Dörre in der Anhörung im Jahr 2021 zur Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes.

 

Gerade beim Vergabegesetz, Kollege Bühl, ist es auch Thema gewesen, wie wir tatsächlich Bürokratie vereinfachen, um das, was redundant ist, auch mithilfe der Digitalisierung in Zukunft eleganter und schlanker zu regeln. Da hatten wir auch eine ganze Reihe von Vorschlägen, wo wir uns gegenseitig befruchtet haben. Insofern glaube ich, dass gerade jetzt, mit der Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes vor einem halben Jahr, umso weniger ein Anlass besteht, dieses noch mal zum Gegenstand der Debatte hier im Hohen Haus zu machen.

 

Aber ich will noch durchaus grundsätzlich hinzufügen: Regelungen, die allgemein als Bürokratie verschrien sind, sind durchaus ganz oft auch im Interesse von Unternehmen. Für einen fairen Wettbewerb ist es nämlich notwendig, dass es Regelungen gibt, die dann nicht zulasten der Qualität von Produkten oder auf dem Rücken von Mitarbeitern ausgetragen werden. Wenn wir zum Beispiel an das Ladenöffnungsgesetz denken oder wenn wir an Vorgaben zu bestimmten Kriterien in der Lebensmittelproduktion und Ähnliches denken, da sind wir doch als Verbraucherinnen und Verbraucher alle froh, dass es konkrete Vorschriften gibt, um die sich auch zum Beispiel ein Amt kümmert, dass sie eingehalten werden, damit am Ende des Tages tatsächlich auch jeder guten Gewissens zugreifen kann. Das sind auch bürokratische Regelungen, aber die sind, glaube ich, unersetzlich – erstens.

 

Zweitens ist ein Großteil der bürokratischen Regelungen, über die jetzt hier geklagt wird und die auch die Thüringer Wirtschaft bewältigen muss, durch Entscheidungen der EU-Ebene induziert. Falls ich Sie da noch mal ganz kurz darauf hinweisen oder erinnern darf, wer eigentlich die Vorsitzende der EU-Kommission ist: Das ist, glaube ich, die Spitzenkandidatin der CDU für die anstehenden Europawahlen, Frau von der Leyen. Die ist mit Sicherheit in den letzten Jahren ihrer Amtsführung als Kommissionspräsidentin nicht dadurch bekannt geworden, dass sie sich verdient gemacht hätte, auf der europäischen Ebene für einen Bürokratieabbau einzutreten.

 

Drittens: Ihre vorgeschlagene Regelung One-in, two-out – also für eine neue gesetzliche Norm, für eine neue Richtlinie zwei zu entsorgen – ist auch eine Strategie, die mich überhaupt nicht überzeugt. Nach meinen mathematischen Kenntnissen ist das schon rein zahlentechnisch eine sehr begrenzte Frist, wie man diese Strategie durchhalten kann. Und dann ist immer noch die Frage, wie Sie das eigentlich administrieren wollen. Wollen Sie das pro Themenbereich sehen oder wollen Sie für eine Regelung, die im Forstbereich eingeführt wird, zwei dann im Bereich der Gesundheit rausnehmen? Das ist überhaupt nicht klar, wie Sie das administrieren wollen, und auch zahlentechnisch, wie gesagt, eine Strategie, die mit Sicherheit sehr übersichtlich wirken kann, weil am Ende fehlen Ihnen dann mal die zwei Regelungen, die Sie rausnehmen wollen, wenn Sie eine neue einführen werden.

 

Insofern bleibt festzustellen, dass wir durchaus bei der einen oder anderen Regelung, die zum Beispiel jetzt auch der Thüringer Normenkontrollrat in seinen Empfehlungen – die, würde ich Sie bitten, sich noch einmal anzuschauen – für den Bürokratieabbau herausgegeben hat, die Diskussion aus unserer Sicht gerechtfertigt ist. Man kann sicherlich auch über die Fragen einer Experimentierklausel nachdenken mit einem richtig definierten Anwendungsbereich, wenn es um die Erprobung neuer Formen auf Landesebene geht, aber wir sind der Meinung, dass das überhaupt gar keine Debatte ist, die wir jetzt noch am Ende dieser Legislatur konstruktiv führen und gar zu einem verantwortbaren Ziel treiben werden können. Deswegen sage ich hier ganz klar für die Linksfraktion, der ich nicht empfehlen kann, diesen Antrag auch an den Ausschuss zur Beratung mit zu überweisen, diesen Antrag braucht es nicht. Der ist einfach offensichtlich nur in Ihrer Wahlkampfaktivität entstanden, und deswegen nehmen Sie den einfach noch mal mit – auch gern in die nächste Legislaturperiode –, damit wir dann fundiert darüber reden können. Das ist jedenfalls nicht der Wurf, um den es hier wirklich geht, tatsächlich was für die Bürgerinnen und die Unternehmen in unserem Land zu verbessern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE)

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