Windeln, Babynahrung und Strampler: Mehrwertsteuer für Kinderprodukte senken, Familien mit Kindern in Thüringen entlasten

Kati Engel
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Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 6/5859

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Zuschauerinnen auf der Besuchertribüne und am Livestream! Als arm gilt in Europa jeder Mensch, der weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens seines Landes zur Verfügung hat. Für eine Familie in Deutschland mit zwei Kindern unter 14 Jahren wären das weniger als 1.926,00 Euro netto im Monat. Dies betrifft bis zu 19 Prozent aller Kinder, in Ostdeutschland ist sogar jedes vierte Kind von Armut bedroht. Allein in Thüringen leben fast 50.000 Kinder und Jugendliche in sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Wenn auch Armut in Deutschland oft nicht als absolutes Elend daherkommt, so äußert sie sich doch als soziale Ungleichheit und Ausgrenzung. Armen Kindern fehlt es neben dem Markenschuh und der Wertschätzung meistens auch an Selbstbewusstsein. Sie erleben oft mehr Streit zu Hause, neigen öfter zu Risikoverhalten, müssen häufiger Klassen wiederholen. Die Tür zur Zukunft fällt da nicht ins Schloss, sie geht gar nicht erst auf.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ihre Chance auf gesellschaftliche Teilhabe und soziale Beziehungen sind ebenso stark eingeschränkt, da sie von vielen Bereichen des Lebens, wie Kinobesuchen oder Musikunterricht, von vornherein ausgeschlossen sind. Professor Dr. Christoph Butterwegge spricht hier von einer strukturellen Gewalt, die Kinder und Jugendliche noch härter trifft als Erwachsene. Auf Kinderarmut gibt es aber verschiedene Antworten und nicht nur eine, sondern eine Bündelung verschiedener Maßnahmen, welche möglich und auch nötig sind.

 

Im Folgenden möchte ich auf die fünf wichtigsten eingehen:

Die grundlegendste Antwort auf Kinderarmut kann nur der Ausbau des Sozialstaats an sich sein. Hier benötigen wir einen Paradigmenwechsel vom schlanken, ja geradezu ausgedörrten Sozialstaat wieder hin zu einem interventionsfähigen, breit aufgestellten.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Weiterhin brauchen wir eine neue zeitgemäße Beschäftigungspolitik, denn um Kinderarmut zu vermeiden, müssen existenzsichernde Arbeitsplätze für die Eltern geschaffen werden. Wir müssen anfangen, darüber zu reden, wie wir in Deutschland Arbeit, Einkommen und Vermögen so umverteilen können, dass es für alle zum Leben reicht.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir brauchen eine gebührenfreie Bildung vom Kindergarten bis hin zur Uni, um allen Kindern die gleichen Chancen auf Bildung überhaupt erst zu ermöglichen. Wir brauchen auch eine eigenständige Kindergrundsicherung, denn aktuell werden Kinder je nach Erwerbssituation ihrer Eltern höchst ungleich finanziell gefördert. Die Kinder von Gut- und Spitzenverdienerinnen profitieren mit steigenden Einkommen von den steuerlichen Kinderfreibeträgen. Diese gegenwärtige Ungleichbehandlung von Kindern ist höchst ungerecht. Unserer Gesellschaft sollte jedes Kind gleich viel wert sein. Der Staat muss jedem Kind die gleichen Chancen gewähren. Das Existenzminimum muss für alle Kinder als garantiertes Kinderrecht gelten, nicht nur für diejenigen Kinder, deren Eltern Steuern zahlen.

 

Die Linke steht daher an der Seite des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG und fordert eine eigenständige Kindergrundsicherung für alle Kinder. Außerdem – und jetzt komme ich zum eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde – wenden Familien einen überdurchschnittlich hohen Anteil ihres Einkommens für die Versorgung und die Erziehung ihrer Kinder auf. Es ist daher dringend notwendig, Eltern finanziell zu entlasten und zu unterstützen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wie kann es sein, dass ganze Branchen vom reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent profitieren, Familien aber nicht? Hundefutter, Fahrten mit dem Sessellift, Hotelübernachtungen, Blumen, Pralinen, Gemäldeskulpturen, Münzen, Medaillen und sogar das Popcorn im Kino, auf all das bezahle ich 7 Prozent Mehrwertsteuer, wo hingegen Kinderautositze, private Kinderbetreuung, Kinderbekleidung, ja sogar Schulessen mit 19 Prozent besteuert werden. Hier wären sofort familienfreundliche Änderungen möglich. Andere Länder machen das ja auch, und zwar schon seit vielen Jahren. Bereits 2011 wurden in Luxemburg Kinderbekleidung und Kinderschuhe mit nur noch 3 Prozent besteuert. In Großbritannien und in Irland muss auf diese Produkte gar keine Mehrwertsteuer mehr gezahlt werden.

 

Daher werden wir uns als Linke weiterhin an der Seite des Bündnisses „7 Prozent für Kinder“, welches die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen im Übrigen bereits vor sieben Jahren gegründet hat, für eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Produkte und Dienstleistungen für Kinder stark machen, damit hierzulande endlich auch die Bedürfnisse von Kindern und Familien bei der Mehrwertsteuerreglung berücksichtigt werden.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Außerdem wird sich Die Linke weiterhin einsetzen für eine starke öffentliche Infrastruktur, die allen Kindern Förderung und Teilhabe ermöglicht, eine gebührenfreie Bildung, die soziale Unterschiede ausgleicht und gleiche Chancen eröffnet, eine familienfreundliche Arbeitswelt und gute Arbeitsbedingungen, die allen gesellschaftliche Teilhabe und finanzielle Sicherheit gibt, den Ausbau des Sozialstaates, der die von Armut Betroffenen nachhaltig unterstützt und den Namen Sozialstaat auch verdient. Und wir werden uns einsetzen für eine eigenständige Kindergrundsicherung. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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