Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes

Dr. Marit Wagler
RedenMarit Wagler

Zum Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/6811

 

Sehr geehrte Präsidentin, werte Abgeordnete, Zuschauerinnen und Zuschauer, den hier vorliegenden Gesetzentwurf begreife ich als direkte Reaktion auf die erfolgreiche Klage des Thüringer Waldbesitzerverbandes gegen die Ende des Jahres 2020 beschlossene Waldgesetzänderung. Der Knackpunkt der beschlossenen Waldgesetzänderung war das Verbot der Errichtung von Windkraftanlagen im Wald. Das Bundesverfassungsgericht hatte hierzu bereits im Herbst letzten Jahres entschieden, das Thüringer Waldgesetz ist in Teilen verfassungswidrig. Die Gesetzgebungskompetenz liegt hier nicht beim Land. Die Bundesländer können die Errichtung von Windrädern im Wald nicht generell verbieten. Der Eingriff in das Eigentumsrecht der Waldeigentümer ist deshalb nicht gerechtfertigt. Diese Entscheidung der Karlsruher Richter setzte also den Teil des Thüringer Waldgesetzes, der den Bau von Windkraftanlagen im Wald im Freistaat verbietet, außer Kraft. Hier möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen: Es sind die Waldbesitzer, die den klimaresilienten Mischwald von morgen auf den kalamitätsbedingten Kahlflächen von heute und morgen wieder aufbauen müssen. Sie sind auch in besonderem Maße von den klimabedingten Waldschäden, die man mit den Worten „Dürrestress“, „Borkenkäfer“ und „Sturm“ zusammenfassen kann, betroffen. Gleichzeitig wurden die Holzvorräte der nächsten Generationen in vielen Teilen Thüringens empfindlich reduziert oder sogar von der Borkenkäferkatastrophe aufgezehrt. Im Jahr 2020 war dabei der Holzpreis auch noch völlig zusammengebrochen. Wo sollen denn also die Gewinne herkommen, die für die Wiederbewaldung und Wiederaufforstung der jetzigen und noch kommenden Kahlflächen benötigt werden? Natürlich, staatliche Förderung ist möglich, aber nicht in dem Maße, dass die Waldbesitzer auf eine Teilhabe an der Windenergieerzeugung verzichten können.

 

Auch wir als Gesellschaft können nicht mehr verzichten. Allein im Thüringer Norden müssten wir 4 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete für Windkraftausbau ausweisen. Mit der Windkraft im Wald sind es aber nur 2,5 Prozent – also wesentlich verträglicher. Auch der Thüringer Mittelstand, wie wir vorgestern beim parlamentarischen Abend erfahren durften, will in die Erneuerbaren, allem voran in die Windkraft, als Spitzenlasttechnologie investieren. Kein Wunder, denn die vorangegangene Waldgesetzänderung fand unter grundlegend anderen energiepolitischen Grundvoraussetzungen statt. Billige Energie aus Russland war scheinbar unbegrenzt verfügbar und auch quasi in unbegrenzter Zeit. Jetzt ist die Sachlage anders. Um eine Energieversorgung nachhaltig, also dezentral, regional und auch auf erneuerbaren Energieträgern basierend umzubauen, haben wir keine Zeit mehr. Wir haben keine Zeit mehr, nicht nur aus klimatischen, sondern auch aus wirtschaftlichen und aus existenziellen Gründen.

 

Jetzt aber zurück zum Gesetzentwurf der FDP: Zu befürworten ist, dass das Verbot zur Errichtung von Windenergieanlagen im Wald gestrichen werden soll. Damit bedarf es aber eigentlich auch nicht mehr der sich auf das Windkraftverbot beziehende Evaluierungsklausel, diese sollte also ebenfalls entfallen. Weiterhin beinhaltet die Waldgesetzdefinition nach Thüringer Waldgesetz bereits jetzt sogenannte kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen; diese müssen also gar nicht noch mal gesondert definiert werden.

 

Außerdem wollen Sie, dass die Ausgleichsaufforstung, die die Errichtung von Windkraftanlagen nach sich zieht, nicht auf landwirtschaftlichen Flächen vorgenommen wird. Hier tragen Sie natürlich der Tatsache Rechnung, dass besonders die landwirtschaftliche Fläche durch verschiedene Ursachen, besonders aber die Errichtung von Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur, seit Jahrzehnten vom Rückgang betroffen ist. Das ist unbestreitbar eine bisher unterschätzte Gefahr, der wir in Zukunft unbedingt stärker entgegentreten müssen. Allerdings können wir den landwirtschaftlichen Flächenschwund mit Ihrem Vorschlag leider nicht verhindern. Die pauschale Einschränkung würde die Flächen, die für die Ausgleichsaufforstungen zur Verfügung stehen, in unverhältnismäßige Weise verringern. Bei Erstaufforstungen müssen bereits jetzt nach Thüringer Waldgesetz die obere Landwirtschaftsbehörde und die Flurbereinigungsbehörde beteiligt werden und landwirtschaftliche Belange also zwingend berücksichtigt werden. Des Weiteren ist landwirtschaftliche Fläche nicht gleich landwirtschaftliche Fläche. Die Regelung ist zu starr, denn Flächen, die beispielsweise wegen ihrer Unwirtschaftlichkeit aus der Bewirtschaftung gefallen sind, für die ist eine Aufforstung beispielsweise sogar zu begrüßen. Und wo wollen wir denn die Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen bzw. welche Siedlungs- bzw. Gewerbeflächen wollen wir dazu abreißen? Es dürfte kaum möglich sein, genügend Brachfläche zu finden. Und für diejenigen, die hier eine Windkraftanlage bauen wollen, ist das ein handfester Wettbewerbsnachteil.

Auch das zusätzliche Aufführen der Windkraftanlagen als Waldbrandgefahr ist obsolet, denn das Thüringer Waldgesetz ermöglicht schon jetzt in adäquater Weise, dass die zuständigen Forstbehörden Schutzmaßnahmen zur Waldbrandverhinderung bedarfsgerecht anordnen können.

 

Ich fasse jetzt noch mal zusammen: Die FDP greift mit diesem Gesetzentwurf nicht nur die eigene Bundesgesetzgebung an, sondern bringt es auch nicht fertig, die oberste Gerichtsbarkeit im Land zu respektieren. Stattdessen wollen Sie den Bau von Windkraftanlagen verhindern, indem Sie einen riesigen Brandschutzring darumlegen und außerdem die Ausgleichsfläche für diese Maßnahmen so verringern, dass sie unmöglich sind. Außerdem wollen Sie die Errichtung auf den entstandenen Kahlflächen, wo es gerade sinnvoll wäre, verhindern. Was macht denn die angebliche Unternehmerpartei hier eigentlich? Sie will ca. 200.000 Waldbesitzern, also 200.000 Unternehmern in diesem Lande, die Investition verunmöglichen und wirtschaftliches Handeln verhindern. Werte FDP, den Anfall von Populismus tragen wird nicht mit. Er würde das Bundesverfassungsgericht erneut sowieso nicht überstehen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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