Versorgung mit Gebärdensprachdolmetschern in Thüringen verbessern – Anerkennung der Gebärdensprache als Fremdsprache regeln, Diskriminierung in der SED-Diktatur anerkennen 2/2
Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/8349
Herr Präsident, werte Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Meißner, vielleicht ein Satz noch zur Richtigstellung, was den Vorwurf an die Landtagsverwaltung von letzter Woche anbelangt: Wenn Sie in unsere große Tagesordnung schauen, sehen Sie, dass dieser Antrag immer gesetzt werden sollte, wenn die Tagesordnung abgearbeitet worden ist. Somit waren wir am Freitag angekommen und sie selbst waren Freitag gar nicht mehr im Hause, wo er hätte aufgerufen werden können. Darum ist es richtig, dass wir ihn heute aufrufen. Sie können kämpferisch dafür streiten und die Gebärdendolmetscher sind am Start. Ich denke schon, dass die Verwaltung genau das auch immer im Blick hat, wenn solche Themen kommen.
Werte Kolleginnen, wir reden also heute über einen Entschließungsantrag, der schon viele Monate in den Ausschüssen beredet, besprochen und auch bearbeitet worden ist. Wir reden über einen Entschließungsantrag, der im Zusammenhang mit den Änderungen des Sinnesbehindertengesetzes im letzten Jahr eingebracht worden ist. Über die Rolle des Sinnesbehindertengesetzes, über die Wichtigkeit von Blinden-, Gehörlosen- und Taubblindengeld ist hier bereits gesprochen worden. Ich will darauf gar nicht noch einmal eingehen, weil das uns sicher eint, dass ein Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen mehr als wichtig ist und dass man sich diesen auch in Perspektive genauer anschauen muss, wenn möglich sogar dynamisiert und nicht nur nach Kassenlage erhöht.
Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben darauf hingewiesen, wir haben im Ausschuss hier an dieser Stelle eine doch sehr beeindruckende Anhörung zur Thematik der Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen, Kindern und Jugendlichen zu DDR-Zeiten durchgeführt. So hat natürlich jeder seinen Blick auf das, was in den zurückliegenden Jahren passiert ist – zu DDR-Zeiten –, aber ich habe mir auch noch mal die Anhörungsprotokolle und die Möglichkeiten der damaligen mündlichen Anhörungen angeschaut. Ich bin auch sehr zufrieden, dass sich die Betroffenen eindeutig dazu artikuliert haben, dass eine Diskriminierung von gehörlosen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur zu DDR-Zeiten gegeben war, sondern das war auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht anders. Das ist, glaube ich, der Punkt, in dem wir uns gemeinsam finden, wo wir sagen, eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung – egal auf welcher Seite von Deutschland – kann und darf nicht akzeptiert und kann und darf auch nicht wirklich positiv begleitet werden.
Den Vertreter des Landesverbandes der Gehörlosen und des Gehörlosensportvereins würde ich gern zitieren. Er sagte: Das Phänomen Gebärdendiskriminierung und ‑verbot in den Schulen fand nicht nur in der SED-Diktatur statt, sondern war ein europaweites Phänomen seit 1818 bis Mitte der 2010er-Jahre. Auch die Vorgängerregierungen des Freistaats Thüringen trugen Verantwortung dafür, dass nach der deutschen Einheit ab dem Jahr 1990 in der staatlich-überregionalen Förderschule mit Schwerpunkt Hören in Erfurt keine deutsche Gebärdensprache als Unterrichts- und Sprachfach sowie fester Bestandteil einer ganzheitlichen Förderung angeboten worden ist.
Ja, wenn das so war, dann ist das zu akzeptieren, dass das auch so formuliert worden ist. Darum haben wir in unseren Änderungsantrag, der die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss beinhaltet, genau eine Aufarbeitung dieses Bestandteils eingetragen.
Der Beauftragte für die SED-Diktatur Herr Wurschi – er sitzt ja heute hier – sagte auch: Diese Diskriminierung betraf dabei den gesamtdeutschen Raum. Diese Ergebnisse des Mailänder Kongresses von 1818, der die Überlegenheit der Lautsprache gegenüber der Gebärdensprache postulierte, fand in Gesamtdeutschland Niederschlag.
Darum, werte Kolleginnen und Kollegen, haben wir den Antrag auch an der Stelle etwas abgemildert, um einfach die Gewichtung anders zu legen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben also versucht, auch in der bereits erwähnten Ausschusssitzung im März darauf hinzuwirken, dass es noch zu keiner Beschlussempfehlung kommt, weil wir zu dieser Zeit noch an einem Änderungsantrag gearbeitet haben. Das war nicht möglich, Frau Meißner, Sie hatten auf ein Abstimmen gedrungen. Das haben Sie erfolgreich mit der Beschlussempfehlung durchbekommen. An der Stelle sagen wir auch: Wir haben als Rot-Rot-Grün unsere Möglichkeiten genutzt, die Beschlussempfehlung mit den Inhalten, die uns wichtig waren, zu ergänzen und auf den Weg zu bringen.
Ich bitte daher, genau unsere Änderung der Beschlussempfehlung als Grundlage zur Aufarbeitung der Diskriminierungen zu nehmen und natürlich auch, um damit den Weg freizumachen für mehr Gebärdendolmetscherausbildungen in Perspektive und natürlich auch im Interesse der gehörlosen Bürgerinnen und Bürger, schwerhörigen Bürgerinnen und Bürger in Thüringen. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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