Umsetzung des 9-Euro-Tickets in Thüringen

Dr. Gudrun Lukin
RedenDr. Gudrun Lukin

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 7/5415

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, erst einmal ein herzliches Dankeschön für die Aktuelle Stunde zum geplanten bundesweiten 9-Euro-Ticket für den ÖPNV.

 

Einen Vorzug hat die Initiative des Bundes: Der ÖPNV ist in der Diskussion, einmal, was die fahrgastfreundliche Ticketlösung anbetrifft, aber auch seine unzureichende Finanzierung, die leider zu eingeschränkten Angeboten geführt hat und auch noch führt. Einige Beispiele hat Frau Tasch benannt.

 

Das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Ticket soll ab 1. Juni für drei Monate gelten, den Nahverkehr attraktiver gestalten und Menschen zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegen. Zugleich könnten auf diesem Wege auch Fahrgäste, die in der Pandemiezeit verloren gingen, zurückgewonnen werden. Es ist zugleich ein klimafreundliches Äquivalent zur Pendlerpauschale. Erstmalig werden auch Fahrgäste des ÖPNV bzw. diejenigen, die es werden wollen oder können, für einen Umstieg auf die klimafreundliche Bahn, Straßenbahn oder den Bus belohnt. Hierbei muss jedoch gesichert werden, dass die Verkehrsunternehmen, die die Umsetzung in kürzester Zeit vornehmen, keine Verluste einfahren, denn Fahrgasteinnahmen sind nach wie vor leider ein wichtiger Bestandteil der Kostenkalkulation bei den Verkehrsunternehmen. Deren Aufwendungen sind in den letzten Monaten enorm angewachsen.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wem nutzt das?)

 

Hier ist vor allen Dingen der Bund gefragt, denn durch explodierende Bau- und Energiekosten auch infolge des Ukraine-Krieges und die Folgen der Pandemie stehen die Verkehrsunternehmen unter hohem wirtschaftlichen Druck. Der Bund muss unbedingt sicherstellen, dass die vorgesehenen 2,5 Milliarden Euro, für Thüringen schon erwähnt 33 Millionen, gegebenenfalls erhöht werden, um das preiswerte Ticket und die notwendigen zusätzlichen Fahrten für die Verkehrsunternehmen zu ermöglichen, denn weder gekürzte Fahrpläne noch überfüllte Züge und Bahnen verlocken auf längere Sicht zum Umstieg auf den ÖPNV.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Die Bahn hat keine Reserven und die Busunternehmen haben auch keine Reserven!)

 

Dazu kommt: Keinesfalls darf es aufgrund von fehlenden Mitteln im Anschluss an diese gute Aktion zu einem Anstieg der regulären Ticketpreise kommen, wenn eventuell die Kosten für die Betriebe aus dem Ruder gelaufen sind. Insofern ist die wissenschaftliche Begleitung dieser Maßnahme von großer Bedeutung. Ohnehin gilt es, den erwarteten Ansturm an zusätzlichen Fahrgästen zu bewältigen. Hier sind die Möglichkeiten der ÖPNV-Unternehmen aufgrund der Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte leider nicht groß. Gerade in der Urlaubssaison werden die Herausforderungen für Personal und Fahrzeuge enorm sein. Wenn bereits jetzt ein Mangel an Bus- und Straßenbahnfahrern in vielen Verkehrsunternehmen herrscht, müssen wir zeitnah über eine generelle Verbesserung der ÖPNV-Finanzierung bundesweit und in den Ländern nachdenken.

Das von der Bundesregierung vorgeschlagene 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn könnte der Auftakt zu einem verkehrspolitischen Neuanfang sein, nämlich Alternativen zum Auto zu starten und die Preise für klimafreundliche Mobilität mit Bus und Bahn günstiger und attraktiver zu machen. Auf lange Sicht wäre das nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Daseinsvorsorge vor allen Dingen für Kinder, Jugendliche, ältere Fahrgäste und Menschen mit Handicap und geringerem Einkommen, also für diejenigen, die besonders auf den ÖPNV angewiesen sind, sondern auch für den Klimaschutz. Der konkrete Vorschlag hat allerdings eine Vielzahl von Problemen im Gepäck: einmal die noch nicht geklärte Finanzierung von Ausgleichsmaßnahmen und zum anderen einen enormen bürokratischen Aufwand für die Verkehrsunternehmen und -verbünde. Denn bundesweit müssen spezielle Tickets eingeführt werden, Automaten umgestellt werden und eine Vielzahl von Fragen beantwortet werden.

 

Die Sonderkonferenz der Verkehrsminister hatte deshalb mit 11 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen, anstelle der 9-Euro-Lösung in einen auf drei Monate befristeten Nulltarif zu setzen, vollfinanziert durch den Bund. Weniger Bürokratie, weniger Kosten bei der Vorbereitung und Organisation wären das positive Echo gewesen. Wir müssen allerdings aufpassen, dass sich jetzt im Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes nicht die Bundesregierung aus der Vollfinanzierung mogelt, denn mit einer Pauschale werden die Leistungen und der enorme Aufwand nicht abgeglichen.

 

Ich möchte hier noch einmal ganz herzlich Dank sagen, denn in Thüringen haben die Verkehrsunternehmen und der VMT viele Anstrengungen unternommen, um am Tag nach dem zustimmenden Votum der Bundesratssitzung am 20.05. überhaupt den Ticketverkauf in Thüringen zu ermöglichen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

An Fahrausweisautomaten, in Fahrzeugen und Haltestellen, in Servicezentren, in den Regionalbussen beim Fahrer werden diese Tickets angeboten werden können, auch wenn die Deckung der Finanzierungslücke durch den Bund noch nicht geklärt ist und lediglich die Hoffnung auf die erste Ausgleichszahlung durch den Bund im Juni besteht. Hier sollte unsere Botschaft sein, dass wir sowohl eine günstige Ticketstruktur als auch den Ausbau des ÖPNV im Land brauchen. Konsequent wäre es, die Preise dauerhaft günstig zu gestalten und gleichzeitig das Angebot auszubauen.

 

Vizepräsidentin Henfling:

 

Frau Lukin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

 

Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE:

 

Hier müssen Bund, Länder und Kommunen noch mehr Hand in Hand gehen und zusammenarbeiten. Schönen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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