Thüringer Gesetz zur Neufassung und zur Änderung polizeiorganisatorischer Regelungen

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1758 -


Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, ich will beginnen mit dem Zitat eines Kollegen. Er sagte heute Morgen „ohne Leitbild keine Reform“ in einer anderen Debatte, in einer Debatte zur Frage der Einkreisung Eisenachs. Das war der Kollege Gentzel von der SPD. Ich hoffe, Sie stehen zu diesem Wort.


(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Im Prinzip …)


Und wenn dieses Wort gilt: „Ohne Leitbild keine Reform“, dann erwarte ich, dass Sie im Nachgang unseren Entschließungsantrag mit unterstützen werden.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist noch kein ernsthafter Schritt in Richtung Polizeistrukturreform. Wir finden zwar die Worthülse „Reform“ im Teil A des Gesetzes und auch Herr Innenminister Huber sprach eben von „Strukturreform“, aber wenn wir in die Regelung hineinsehen, ist da kein Inhalt, keine Richtung und keine Konsequenz. Warum, Herr Minister Prof. Huber, haben wir es mit einem derartig substanzlosen Vorschlag zu tun, ohne die dahinter stehenden harten Fakten wie Personalentwicklung, Aufgabenzuordnung gleichfalls auf den Tisch zu legen? Vielleicht haben Sie sich ja informiert, woran Ihre Vorgänger gescheitert sind. Verlorene CDs hatten wir da, illegale Überwachungsanlagen und zuletzt ein Minister der an OPTOPOL oder besser an den Gegnern von OPTOPOL gescheitert ist. Haben Sie sich deshalb so beschränkt, um nicht zwischen interministeriellen und innerpolizeilichen Fäden zerrieben zu werden?


(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: ... an den Inhalten.)


Oder vermieden Sie womöglich, sich Ärger mit Herrn Fiedler einzuhandeln? Damit ist es einem anderen Minister hier ja ziemlich schlecht gegangen. Ich weiß es nicht, es ist auch müßig, darüber zu spekulieren, aber es ist schade um die vergebene Chance, das Parlament umfänglich zu informieren, um dieses erst in die Lage zu versetzen, sachgerecht auch das die Strukturreform umsetzende Gesetz beraten und beschließen zu können.


Aus Sicht der LINKEN bedeutet der vorgelegte Gesetzentwurf zur Polizeistrukturreform erst einmal nicht mehr, als dass die bestehende Struktur grundsätzlich mit neuen Bezeichnungen erhalten bleibt und es einen neuen Verwaltungs- und Polizeiapparat geben wird. Ob die de facto Wiedereinführung des einst abgeschafften Polizeipräsidiums und des ebenfalls abgeschafften Polizeiverwaltungsamts in Form der Landespolizeidirektion tatsächlich die erwünschte Wirkung zeitigt, muss parlamentarisch meiner Meinung nach intensiv beraten werden. Entscheidend aus Sicht der LINKEN ist letztlich nicht die Struktur, sondern die Qualität der Aufgabenerfüllung. Dazu gehören die Kriterien Bürgernähe, Ermöglichung von Mitbestimmung und Transparenz im Polizeiapparat sowie eine effektive Aufgabenerfüllung im Alltag und nicht nur bei landesweiten Einsatzlagen. Ob Zentralisierung hier wirklich die richtige Antwort ist, muss offen diskutiert werden. Es ist ein richtiger Schritt - und da haben Sie unsere Unterstützung - Vollzugsbeamte von Verwaltungsaufgaben zu befreien und sie somit für den polizeilichen Dienst wieder verfügbar zu machen. Aber wird dies durch diesen Gesetzentwurf wirklich erreicht? Dies ist angesichts der dürren inhaltlichen Ausführung im Gesetz nicht zu erkennen.


Sie haben eben gesagt, Herr Innenminister Huber, Einspareffekte bedürfen keiner näheren Darlegung. Doch, wir hätten gern etwas gewusst zu den erwarteten Einspareffekten. Wir hätten es als Parlament auch verdient, im Vorfeld zu diesem Gesetz darüber informiert zu werden. Bislang habe ich keine Aussagen zum Personalentwicklungskonzept und zur Aufgabenzuordnung gehört, auch nicht im Rahmen der Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss, wo ich dies angemahnt habe. Auch Aussagen zu den Kosten sind eher vage, so sollen durch die Straffung der Behördenstruktur Kosten minimiert werden - wo, wie und in welchem Maße ist unklar. Herr Innenminister, Sie haben es eben noch einmal bestätigt, Sie haben gesagt, das sei eine Operation am offenen Herzen und da wissen wir noch nicht, in welche Richtung es geht. Entschuldigung. Wieso haben Sie den Patienten aufgeschnitten, bevor Sie die Krankheit diagnostiziert haben?


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die notwendige Anschubfinanzierung für die Landespolizeidirektion soll sich mittelfristig kompensieren - wie, wann und in welchem Maße, das wissen wir nicht. Auch das ist eine Frage, die dem Parlament zugestanden hätte, im Vorfeld beraten zu werden.

Etwas Positives: Bestandteil des Gesetzes ist auch der Themenbereich der Aufsichtsbeschwerden. Hierzu werden wir sicherlich im Rahmen der Ausschussberatung auch einen Änderungsantrag einbringen. Sie wissen, wir haben lange schon die Forderung, Schaffung einer Polizeibeschwerde, erhoben und wir sehen durchaus Ansatzpunkte, dies hier in diesem Rahmen dann auch einzubringen.


Und noch etwas Grundsätzliches: Durch den Gesetzentwurf werden auch Zuständigkeiten für verfassungsrechtlich höchstgradig bedenkliche polizeiliche Befugnisse aus dem PAG zunächst formal an die neue Polizeistruktur angepasst. Deswegen können wir dies so nicht mittragen. Da dieses Gesetz ohnehin erst zum 01.01.2012 in Kraft treten soll, besteht auch keine formelle Notwendigkeit dieser Anpassung. Oder - das ist meine Frage - müssen wir aus dieser Regelung ablesen, dass wir nicht in 2011 mit einer überfälligen Anpassung des PAGs an die Vorgaben des Verfassungsgerichts rechnen können? Ich hoffe, das ist nicht der Fall.


Zurück zu unserer am Anfang geäußerten grundsätzlichen Kritik: Ihnen liegt unser Entschließungsantrag vor. Wir fordern den Landtag auf, nicht den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen. Der erste Schritt muss sein, Vorlage eines Personalentwicklungs-, Aufgabenzuordnungs- und Finanzierungskonzepts für die dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden geplanten Polizeistrukturreformschritte, und dann den zweiten Schritt zu gehen, die sich anschließende Strukturveränderung auch gesetzlich festzuschreiben.

Ich darf noch einmal Herrn Gentzel zitieren: „Ohne Leitbild keine Reform“.


Danke.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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