Thüringer Gesetz zur Modernisierung des Schulwesens

Torsten Wolf
RedenTorsten Wolf

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/6573

 

Schönen guten Morgen, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, schade, dass die Schülerinnen und Schüler sich gerade jetzt auf den Weg machen, sich unseren Thüringer Landtag weiter anzusehen und diese sicherlich spannende Debatte nicht verfolgen können.

 

Wer wie ich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, viel an unseren Schulen ist, um sich ein Bild vor Ort zu machen, weiß, wie vielfältig, bunt, mehrsprachig und modern in der Ausstattung und den Konzepten unsere Schulen aufgestellt sind. Dies ist vor allem ein Verdienst unserer Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch vieler engagierter Eltern. Ich will hier beispielgebend und auch dankend für die langjährige Arbeit Roul Rommeiß benennen, der vor einigen Tagen als Landeselternsprecher sein Amt nicht noch mal angetreten hat, aber auch Claudia Koch – die neue Landeselternsprecherin –, der wir viel Erfolg bei der Übernahme dieses Amts wünschen.

 

Es braucht natürlich auch ein gutes Umfeld wie Schulämter, aber eben zum Beispiel auch Unternehmen und Vereine, die sich in Schule mit engagieren. Jede Schule soll im Rahmen des Gesetzes ihren Weg gehen können. In der Schule der nahen Zukunft soll der Umgang mit digitalen Medien ebenso selbstverständlich wie das längere gemeinsame Lernen an einem Ort ganztags auch an weiterführenden Schulen ebenso flächendeckend anzutreffen sein wie die Praxisorientierung als verpflichtendes Prinzip in den Regel- und Gemeinschaftsschulen, Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund unterschiedslos von Lehrerinnen und pädagogischer Assistenz in ihrer Entwicklung bestmöglich gefördert werden. Schule ist nie vollendet, ist nie fertig, sondern ist in ständiger Entwicklung begriffen. Deshalb muss sich auch die Lehrerinnenbildung diesen Herausforderungen stellen.

 

Lassen Sie mich bitte einige Punkte unseres Gesetzes kurz erläutern. In der Zeit der Pandemie wurde wie unter einem Brennglas deutlich, an welcher Stelle wir in der Entwicklung und Ausstattung unserer Schulen sprichwörtlich unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben. Alle – Pädagoginnen, Schülerinnen sowie Eltern – standen bei geschlossenen Schulen vor der Frage, wie geht es jetzt weiter? Weder gab es eine technische Ausstattung, notwendige Endgeräte, noch die pädagogischen Konzepte, wie mit Distanz- und Hybridunterricht umgegangen werden soll.

 

Wir als demokratische Fraktionen, also Rot-Rot-Grün mit der CDU und der FDP, haben vor gut einem Jahr einen Antrag zur Digitalität an Schulen auf den Weg gebracht und – Herr Tischner, weil Sie es in der Öffentlichkeit offensichtlich nicht mehr ganz so präsent haben – dort haben wir uns zu Hybridunterricht ausdrücklich zusammen positiv geäußert. Was es aber neben der Umsetzung auch braucht, ist der Rechtsrahmen, damit Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sicher wissen, wie mit digitalen Medien in und im Rahmen des Unterrichts umgegangen werden muss. Es braucht also dann nicht mehr die Einwilligung der Eltern, sondern in der Schule wird entschieden, wie gelernt wird.

Besonders wichtig dabei war meiner Fraktion, dass wir in die digitale Lernmittelfreiheit einsteigen, indem wir als Land mit Wirkung des Gesetzes jedes Jahr einen Jahrgang der Klassenstufe 5 mit digitalen Endgeräten ausstatten. Es gehört im Folgenden dazu, dass die Lehrerdienstordnung – 30 Jahre alt – modernisiert wird, die Medienkonzepte in den Schulen fortgeschrieben, die Lehrkräfte sich weiter fortbilden und alle Schulen durch die Schulträger endlich an ein leistungsfähiges Datennetz angeschlossen werden. Wie unsere Schülerinnen heute lernen, so können sie in Zukunft unser Land gestalten. Und dies wird wesentlich digital geprägt sein. Deswegen werben wir um Zustimmung.

 

Punkt Nummer 2: Rot-Rot-Grün und CDU eint, dass wir uns Gedanken um die Zukunft der Regelschulen machen. Die CDU will mit einer zusätzlichen Differenzierung mehr Regelschüler nach der 10. Klasse ans Gymnasium bringen. Wir sagen, dass diese Differenzierung aufgrund der Kleinzügigkeit unserer Regelschulen nicht möglich sein wird und die Regelschulen vor allem den Auftrag haben, auf eine duale Berufsausbildung hin vorzubereiten. Auch hier können wir von den guten Modellen an unseren Schulen als Politik lernen und diese auf alle Schulen dieser Schulart übertragen. Im Schulamt Nordthüringen machen sich unter Schulamtsleiter Dr. Althaus und Projektleiterin Franka Hitzing zwölf Regelschulen derzeit auf den Weg, um in den Klassenstufen 8 und 9 einen kompletten Tag in der Woche in der Praxis – also in Unternehmen, Verwaltung, sozialen Einrichtungen usw. – zu absolvieren.

 

Kollege Dr. König und ich waren im Spätsommer vor Ort und haben mit allen Beteiligten gesprochen. Als Resümee lässt sich feststellen: Die Schülerinnen lernen konzentrierter und zielorientierter. Sie sagen selbst, sie hätten jetzt genaue Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Die Lehrerinnen berichten, dass Schülerinnen so besser gefördert werden können. Die Wirtschaft steht tatsächlich Schlange, um für drei Monate gute Praktikumsplätze anzubieten und so Nachwuchs zu gewinnen. Letztlich ist dies erfahrungsgemäß ein Mittel, um die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss deutlich zu reduzieren. Unser Vorschlag, praxisorientierten Unterricht zu stärken, kennt also nur Gewinner. Wir werben darum, dass dies umgesetzt wird.

 

Nun zu einem Anachronismus in unserem Schulsystem – die Besondere Leistungsfeststellung: In 13 Bundesländern erhalten die Schülerinnen mit Bestehen der zehnten Klasse am Gymnasium den Realschulabschluss. Warum in Thüringen nicht? Sind unsere Schülerinnen schlechter vorbereitet, die Oberstufe zu bestehen? Haben wir schlechtere Lehrerinnen oder Lehrpläne? Dem würde wohl keiner zustimmen. Tatsächlich verbringen die Lehrkräfte und Schülerinnen zwei bis drei Monate in der zehnten Klasse damit, sich auf eine Prüfung über dem Niveau des Realschulabschlusses vorzubereiten – eine in der Lernentwicklung völlig tote Zeit. Warum also? Weil es dienlich ist, eine Prüfung schon einmal gemacht zu haben? Benachteiligen also 13 andere Schulministerinnen ihre Schülerinnen bewusst? Nein, sie haben einfach andere Lösungen und Instrumente gefunden, die meiner Meinung nach intelligenter sind, um auf Prüfungen vorzubereiten. Eine Gymnasiallehrerin sagte neulich in einer Veranstaltung, bei der ich zugegen war: Ich hasse es jedes Jahr aufs Neue, die BLF vorbereiten, durchführen und kontrollieren zu müssen – parallel zu den Abiturprüfungen. Auch die Thüringer Philologen- und die Landeselternvertretung befinden sich hier noch in einem Meinungsbildungsprozess.

Lassen Sie uns zusammen Lehrkräfte und Schülerinnen von diesem Anachronismus BLF befreien und den Schulen die Freiheit geben, bessere Möglichkeiten zur Förderung und Vorbereitung auf das Abitur zu geben, wie wir es bereits sehr erfolgreich mit der Seminarfacharbeit getan haben. Wir werben hierfür um Ihre Zustimmung.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Letzter Punkt – zur Lehrerbildung: Mit dem vorliegenden Gesetz packen wir auch eine andere Reform an. Wenn wir die Qualität in der Schule weiterentwickeln, längeres gemeinsames Lernen, Vielfalt an der Schule und im Unterricht noch besser absichern wollen, kommen wir nicht darum herum, auch die Ausbildung künftiger Lehrerinnen in den Blick zu nehmen. An der Universität Erfurt und an der Universität Jena werden die Lehrerinnen von morgen heute bereits auf hohem Niveau nach Schularten ausgebildet. Wir wollen einen weiteren großen Schritt voranmachen: Statt schulartbezogen wollen wir die künftigen Lehrkräfte schulstufenbezogen ausbilden. Statt die Trennung von Schularten – und damit auf Laufbahnen – fortzuführen, wollen wir berufliche Perspektiven für zukünftige Lehrerinnen öffnen und den Blick auf die altersgerechte Bildung der Schülerinnen legen. Mit der Umstellung von der schulartbezogenen auf die schulstufenbezogene Ausbildung können wir tatsächlich auch längeres gemeinsames Lernen, aber auch bestimmte Schularten stärken. Wir alle wissen um die Herausforderungen, insbesondere für die Regelschulen in Thüringen,

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Andere Schularten schwächen Sie!)

 

– Sie sind doch dann noch dran! – genügend Lehrerinnen auszubilden. Die strikte Trennung der Ausbildung nach Schularten wirkt hier wie ein Hemmschuh. Wenn wir allerdings künftig Lehrkräfte danach ausbilden, ob sie in der Primarstufe Sek I oder Sek II unterrichten, schaffen wir Durchlässigkeit, die wir dringend brauchen, um Personal flexibler einzusetzen.

 

Hier noch ein paar Zahlen von mir: In dem aktuellen Semester Lehrerinnenausbildung in Thüringen werden derzeit – Erstsemester – für das Regelschullehramt 162 Studierende geführt, für die Gymnasien 1.176. Nur mal für das Fach Physik: für die Regelschulen einer, für die Gymnasien 34. Jeder, der hier sagt, ihm liegen die Regelschulen besonders am Herzen, sollte sofort einsichtig sein und unserem Gesetzesvorschlag zustimmen.

Ich bitte um Überweisung und Diskussion im Bildungsausschuss. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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