Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung im Jahr 2022 und zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften

Sascha Bilay
RedenSascha Bilay

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/6292

 

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will eines voranstellen: Für uns gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit in den Kommunen. So steht es auch im Gesetz, in § 40 Kommunalordnung. Der regelt nämlich als Grundsatz, dass die Tagungen sowohl der Stadträte, Gemeinderäte, Kreistage als auch der jeweiligen Ausschüsse öffentlich stattzufinden haben. Das ist ein guter Grundsatz, weil wir nämlich davon überzeugt sind, dass die Menschen vor Ort nachvollziehen können müssen, warum bestimmte politische Entscheidungen und auf welchem Weg am Ende auch dahin geführt haben, vor allem dann, wenn sie von diesen Entscheidungen konkret betroffen sind.

 

Weil immer darauf abgestellt wurde, es gibt jetzt eine Meinung. Die Formulierung in der Kommunalordnung, die die Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit der Ausschüsse bestimmt, ist nämlich gar nicht so eindeutig, sondern sie ist interpretationsfähig. Bisher ist auch diese unterschiedliche Anwendung und Auslegung der Kommunalordnung von den entsprechenden Kommunalaufsichten sehr bürgerfreundlich praktiziert worden. Herr Walk hat darauf hingewiesen, dass nämlich beispielsweise in Eisenach, aber auch in Jena und in Gera und in anderen Kommunen das sehr bürgerfreundlich ausgelegt wurde. In Eisenach, Herr Walk, wir waren da beteiligt, gibt es die Regelung oder gab es bisher die Regelung, dass alle Ausschüsse öffentlich tagen dürfen, mit Ausnahme des Rechnungsprüfungsausschusses – das sei mal dahingestellt. Und im gleichen engen kommunalpolitischen Raum, nämlich im Falle des Wartburgkreises, wird eine andere Praxis praktiziert. Da hat nämlich erst die CDU – Herr Walk, da waren Sie bei der Beschlussfassung mit beteiligt – es abgelehnt. Also diese Zwiespältigkeit in einer Person ist interessant. Bei einer Luftlinie zwischen Rathaus und Landratsamt von rund 30 Kilometern unterschiedliche Entscheidungen in ein und derselben Sache treffen zu können, das ist völlig irre aus meiner Sicht. Aber der wesentliche Auslöser war nicht irgendeine Petition von vor Jahren, sondern das war tatsächlich eine Kleine Anfrage, die ich gestellt hatte, um diesen Widerspruch zwischen Eisenach und dem Wartburgkreis aufzulösen. Bedauerlicherweise hatte die Landesregierung in ihrer Antwort sich auf eine mögliche Interpretationsfrage konzentriert. Und noch bevor dann am Ende auch eine Debatte oder weitere Diskussion zu dieser Auslegung stattfinden konnte, hat das Landesverwaltungsamt, ohne vorher gefragt zu werden, einfach mal ein Rundschreiben an alle Kommunen rausgeschickt, mit der Maßgabe, öffentliche Ausschusssitzungen, die vorberatend sind, finden nicht mehr statt. Das hat zu Recht zu enormen Protesten auf kommunaler Ebene geführt. Ich darf nur daran erinnern, in Gera hat die CDU sogar dagegen geklagt, dass plötzlich die Ausschüsse nicht mehr öffentlich tagen dürfen. Der Oberbürgermeister von Gera hat sich ja auch an die Kommunalaufsicht in Weimar gewandt und kurioserweise hat die Kommunalaufsicht dort dem Oberbürgermeister von Gera mitgeteilt: Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen. Und der Standardkommentar, den wir sonst in anderen Fragen auch zurate ziehen, sagt sogar, dass auch vorberatende Ausschüsse öffentlich tagen dürfen, auch zu den Punkten, die nicht beschließend sind, sondern zu allen Punkten. Aber wir legen den Kommentar an der Frage zur Seite. Aus meiner Sicht höchst zweifelhaft und auch gar nicht erklärbar, warum nun plötzlich dieser Sinneswandel in Weimar eingezogen ist, weil eben – wie gesagt – in vielen anderen Kommunen das über Jahre auch anders gehandhabt wurde. Im Übrigen, Herr Walk, auch das wissen Sie, die Geschäftsordnung des Stadtrats ist im Vorfeld mit dem Landesverwaltungsamt abgestimmt worden. Das habe ich ja damals als Büroleiter gemacht. Das war überhaupt kein Problem. Das wurde sehr intensiv geprüft, aber offensichtlich gab es da einen Personalwechsel im Landesverwaltungsamt und dann haben Juristen das anders gesehen.

 

Im Zusammenhang mit der Beratung heute hat ja nun auch schon mal der Gemeinde- und Städtebund seine Position deutlich gemacht und erklärt, warum er das ablehnt. Das überrascht mich überhaupt nicht, dass der Gemeinde- und Städtebund als Interessenvertretung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus meiner Sicht eine bedenkenswerte demokratietheoretisch höchst fragwürdige Position hat. Das hat er ja auch schon deutlich gemacht, als es um die letzte Änderung – Frau Merz hat es erwähnt – der Kommunalordnung ging, als wir Beteiligungsrechte der Kinder und Jugendlichen auf kommunaler Ebene eingeführt haben. Nur sehr wenige Gemeinden und Städte haben davon bisher Gebrauch gemacht, haben ihre entsprechenden Hauptsatzungen geändert. Und die wenigen Kommunen, die es auch noch geändert haben, haben auf Grundlage der Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebundes geregelt: Ob und wie die Kinder und Jugendlichen beteiligt werden, entscheidet am Ende der Bürgermeister – mit der Maßgabe, an dieser Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebundes dürfen wir nichts mehr ändern. Dann ist irgendwie der ganze Rechtsstaat irgendwie infrage gestellt, wenn sich ein Gemeinderat erlaubt, auch mal mit einer eigenen Idee von der Mustersatzung abzuweichen und sie in die Hauptsatzung der Kommune reinzuschreiben. Hier muss man nicht das Gesetz ändern, hier würde schon mal reichen, wenn das Innenministerium noch mal in ernsthafte Gespräche mit dem Gemeinde- und Städtebund eintritt, weil am Ende nämlich das Innenministerium die Musteratzung des Gemeinde- und Städtebundes freigezeichnet hat; und darauf berufen sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Damit wird aus unserer Sicht der Wille des Gesetzgebers zur Änderung der Kommunalordnung in dem Bereich faktisch unterlaufen. Deswegen haben wir hier schon den Anspruch, dass auch da noch mal das Innenministerium mit dem Gemeinde- und Städtebund deutliche Worte findet und hier auch für mehr Demokratie bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vor Ort sorgt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Was wir mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf wollen, ist ja gar keine große Revolution, sondern wir wollen einfach nur, dass der alte Rechtszustand von vor einem halben Jahr, der vor dem Rundschreiben des Landesverwaltungsamtes gegolten hat, wiederhergestellt wird – dass nämlich die Kommunen im Ermessen selbst entscheiden können – im Aushandlungsprozess, im Dialog mit den Menschen vor Ort –, ob auch alle Ausschüsse im Stadtrat oder im Kreistag öffentlich stattfinden können.

 

Herr Walk, wir können sicherlich im Ausschuss auch noch mal diskutieren, ob es irgendwelche Statistiken dazu gibt, welche Kommunen davon bisher Gebrauch gemacht haben. Ich vermute mal, eine solche Statistik gibt es nicht. Sie wissen es vielleicht als Kommunalpolitiker Ihrer Fraktion, dass oftmals auch auf Anfragen von Abgeordneten geantwortet wird: Weil es keine Verpflichtung gibt, diese Statistik zu erheben, haben wir auch keine Angaben. Wir können dann darüber reden, wir können im Ausschuss gern versuchen, da irgendwie auch ein paar Zahlen zusammenzutragen. Das darf uns am Ende aber nicht davon befreien, eine politische Entscheidung zu treffen, dass wir mehr Öffentlichkeit und Transparenz in den Kommunen wollen. Es darf am Ende aber auch das Verfahren nicht verzögern, weil ich Ihnen nämlich eine Gefahr beschreiben will. Ich glaube, Frau Henfling hat darauf hingewiesen. Wir sind jetzt in der Zeit, wo die Kommunen ihre kommunalen Haushalte aufstellen. Normalerweise müssten die alle bis zum 30. November beschlossen sein, damit die Kommunalaufsicht drüberschauen kann. Es gibt auch nichts Schlimmeres, als wenn am Ende ein demokratisch gewähltes Gremium vor Ort von seinem Königrecht Gebrauch macht und über den Haushalt der Kommune beschließt, aber die Bürgerinnen und Bürger gar nicht mehr nachvollziehen können, warum bestimmte Entscheidungen so getroffen wurden.

 

In vielen Kommunen ist es bewährte Praxis, dass ein Landrat oder ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin den Haushalt einbringt. Dann findet die Beratung in den Ausschüssen statt, am Ende gibt es eine große Debatte im Kreistag oder im Gemeinderat und dann werden noch mal Änderungsanträge diskutiert oder auch nicht. Nach dem Rundschreiben des Landesverwaltungsamts ist es jetzt so: Ihr Landrat, Herr Krebs, hat das jetzt im Wartburgkreis des Kreistags angekündigt, alles findet nicht öffentlich statt. Das heißt, es wird einmal der Haushalt in den Kreistag eingebracht, dann tagen auf jeden Fall der Haushaltsausschuss und der Kreisausschuss. Nicht einmal mehr der Kreisausschuss, der ja ein pflichtiger kommunaler Ausschuss ist, darf in einem öffentlichen Sitzungsteil jetzt noch über den Haushalt beraten. Der Kreisausschuss darf jetzt nicht mal mehr im öffentlichen Teil der Kreistagssitzung das Benehmen herstellen. Völlig irre, in welcher Republik wir gerade leben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dann finden also die Beratungen zum Haushalt in nicht öffentlichen Ausschüssen statt. Da gibt es irgendwelche Debatten, da gibt es dann Änderungsanträge, dann gibt es Verständigungen zwischen den Fraktionen, wo man noch mal ein paar Haushaltstitel hin- und herschiebt und dann kommt das Gesamtpaket. In Eisenach sind es jetzt 70 Millionen Euro Haushaltsvolumen. Der Wartburgkreis hat – ich weiß es nicht – rund 200 Millionen Euro, Erfurt dürfte mehrere 100 Millionen Euro Haushaltsvolumen haben. Wir reden hier also richtig von Geld, öffentlichen Mitteln, die die Steuerzahlerinnen uns in den Kommunen anvertraut haben, die dann hin- und herbewegt werden. Danach können die Bürger nicht mehr nachvollziehen, warum wird welches Geld für welche Positionen in welcher Prioritätensetzung ausgegeben? Der Haushalt kommt dann aus den Haushaltsberatungen der Ausschüsse wieder in den Stadtrat, in den Kreistag zurück. Da heißt es, wir haben ja darüber geredet, Kollege Dingsbums. Wir haben uns ja geeinigt, wir machen das jetzt so. Und dann sind die wenigen Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht noch ein Interesse an Kommunalpolitik haben, vor Ort und können das gar nicht mehr nachvollziehen.

Ich will ein anderes Beispiel nennen: Wir werden aufgrund der Energiepreissituation, der Inflation und Nahrungsmittelpreissteigerung vor Ort darüber reden müssen, dass die kommunalen Träger ihre Gebührensatzung für Kindertagesstätten anpassen müssen. Das wird passieren. Die Folge der jetzigen Auslegung der Kommunalordnung ist: Die Gebührensatzung für Kindergärten wird in den Stadtrat eingebracht, dann vielleicht im Jugendausschuss diskutiert oder im Sozialausschuss – ich weiß es nicht, das ist unterschiedlich. Dann kommt die Satzung wieder heraus mit einer Gebührenerhöhung für Kindergärten und die Eltern können nicht mehr nachvollziehen: Warum muss ich jetzt einen bestimmten Betrag X mehr bezahlen? Das geht aus unserer Sicht nicht, das ist ein Problem.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wenn das am Ende weiterhin so läuft, haben die Menschen aus unserer Sicht zu recht viel Frust und wenden sich am Ende von Demokratie und auch von Politik ab. Das ist etwas, was wir nicht durchgehen lassen sollten. Deswegen ist die Einbringung des Gesetzentwurfs heute notwendig, deswegen ist auch die Beratung im Innenausschuss notwendig, damit wir auch mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber reden. Aber, wie gesagt, wir brauchen zeitnah eine Entscheidung, weil uns in dieser Frage einfach die Zeit davonläuft.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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