Steht Thüringens Zukunft auf dem Spiel? – Fast jeder zehnte Thüringer Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss

Torsten Wolf

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/7458

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, natürlich auch herzlich willkommen den Gästen hier im Hohen Haus! Haben Sie eine Lösung von der AfD, die diesen Tagesordnungspunkt hier eingebracht hat, gehört?

 

(Zwischenruf Abg. Cotta, AfD: Neuwahlen!)

 

Nein, null, und das von dem selbst ernannten Führer seiner Fraktion.

 

(Zwischenruf Abg. Cotta, AfD: Ich sage doch: Neuwahlen, die Lösung des Problems!)

 

Wenn wir aber die Zahlen dieser Abgänger ohne Schulabschluss betrachten, dann sage ich, das lässt keinen von uns kalt. Wen das kaltlässt, der hat einfach seinen Beruf verfehlt, egal ob als Politikerin, als Pädagogin oder in der Verwaltung.

 

Tatsächlich ist es so, dass wir nicht erst seit Bertelsmann und nicht erst seit diesem Jahr wussten, wie die Zahlen sind. Wir liegen derzeit in Thüringen bei 9,5 Prozent Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss. Die Landesregierung wird – da bin ich mir sicher – eigene Schritte, die sie unternommen hat, um die Zahl zu senken, selber darstellen, insbesondere was die Nutzung der ESF-Mittel anbetrifft, aber auch, wie es damit weitergeht. Herr Staatssekretär, da bin ich mir sehr sicher. Deswegen möchte ich mich darauf konzentrieren, was wir als Abgeordnete tun können hier im Landtag, um unsere Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern und zu einem Abschluss zu bringen.

Lassen Sie mich die zentrale Frage stellen, die uns alle bewegt: In welche Richtung muss sich also die Politik bewegen, um hier dem entgegenzuwirken? Wir finden hier in Thüringen auch die Antwort. Denn wir stellen fest, dass wir eine Gebietskörperschaft haben, die weit unter den 9,5 Prozent liegt, wie wir feststellen müssen. Das ist die Stadt Jena. Mit 3,2 Prozent hat die Stadt Jena, und zwar kontinuierlich, in den letzten Jahren Abgänger ohne Abschluss. Nur mal als Vergleich: im Landkreis Greiz 10,7 Prozent und im Landkreis Nordhausen 15,1 Prozent. Entgegen den Behauptungen der CDU und der AfD schafft es Jena nicht trotz, sondern weil sie die Inklusionsquote deutschlandweit hat, die meisten Schüler dann auch zu einem Abschluss zu führen. Entgegen der politischen Polemik durch CDU und AfD gelingt es Jena nicht trotz, sondern wegen einer erfolgreichen Schulstrukturpolitik, dass wir in Jena nur noch Gemeinschaftsschulen und Gymnasien haben und dass der Anteil durch die Schulstrukturpolitik der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss eben auf dem niedrigsten Stand ist. Ebenso wichtig: In Jena gibt es trotzdem eine ausdifferenzierte Schullandschaft, in der für jedes Kind die richtige Schule mit dem passenden Konzept angeboten werden kann, bis hin zu einer konsequent praxisorientierten Gemeinschaftsschule von der Klassenstufe 1 bis 10; das ist die Werkstattschule. Die Abmilderung des gegliederten Schulsystems führt also zu weniger Schulabgängern ohne Schulabschluss und zu mehr Bildungsgerechtigkeit.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Lassen Sie uns in die Bertelsmann-Studie sehen und wir stellen fest, dass wir in den Förderschulen mit 50 Prozent den höchsten Anteil Schulabgänger haben, die keinen Schulabschluss haben und mit den Gymnasien etwa 2 Prozent. Wenn wir also – und das zeigt das Beispiel Jena eindrücklich – den Anteil der Schüler ohne Hauptschulabschluss verringern wollen, brauchen wir nicht weniger Inklusion, sondern mehr.

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Deswegen fragen Sie Regelschulplätze im Saale-Holzland-Kreis nach?)

 

Natürlich brauchen wir gute Bedingungen für eine inklusive Schule in den Regel- und Gemeinschaftsschulen. Lassen Sie uns als demokratische Fraktionen darüber diskutieren.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Es gibt noch weitere Antworten, die aber auch in unserem Schulgesetz schon angelegt sind. Nehmen wir zum Beispiel die Praxisorientierung. Wir wissen, dass durch Praxisorientierung im Unterricht die Schüler erreicht werden können, die sich in Schulabstinenz befinden oder durch Misserfolge beim Lernen demotiviert sind. Deswegen begrüßen wir ausdrücklich das Modellprojekt in Nordthüringen „Tag in der Praxis“ und haben es eben gerade in unser Schulgesetz aufgenommen. In der Anhörung zum Schulgesetz haben sich alle Anzuhörenden positiv dazu geäußert. Wir wissen, dass gerade in sozialen Brennpunkten Schulen besondere personelle Ressourcen brauchen. Deswegen haben wir pädagogische Assistenzen im Schulgesetz mit aufgenommen und die Schulsozialarbeit. Wir wissen, dass die Qualität an den Schulen unerlässlich mit den spezifischen Herausforderungen gekoppelt ist, das heißt Schulentwicklung.

 

An die demokratischen Fraktionen: Lassen Sie uns ernsthaft über diesen Schulgesetzentwurf diskutieren. Wir haben die richtigen Antworten zur richtigen Zeit. Das macht verantwortliche Politik aus. An diese Fraktion sage ich ganz klar: Ihre Vorschläge haben Sie hier nicht dargestellt. Sie haben kein Schulgesetz vorgelegt. Und wenn Sie tatsächlich an der Zukunft Thüringens interessiert sind und Sie sie nicht weiter gefährden wollen, Schaden von der Demokratie und der Gesellschaft und der Wirtschaft abwenden wollen, empfehle ich Ihnen: Lösen Sie sich einfach auf! Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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