Setzt die Thüringer Landesregierung falsche Anreize mit ihren Aufnahmeforderungen nach dem Brand im Auffanglager für Flüchtlinge in Moria?

Patrick Beier

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/1646

 

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Vornweg, es ist doch erschreckend, was dabei herauskommt, wenn dieses Hohe Haus zu einer Bühne für einen Faschisten wird.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die AfD-Fraktion wirft in dieser Aktuellen Stunde eine Frage auf, die wie so oft am Wesentlichen vorbeigeht. In Ihrer Begründung beschreiben Sie, man würde für den Akt der Brandstiftung mit Ausreise in Wunschzielländer wie Deutschland belohnt und die darin zum Ausdruck kommende Anreizpolitik Thüringens sei kritisch zu hinterfragen. Ist das eigentlich Ihr Ernst? Was soll mir das sagen? Man muss nur zufällig in einem Kriegsgebiet leben, Haus und Familie zurücklassen, sich auf eine Tausende Kilometer lange Reise begeben, eine Überfahrt über das Mittelmeer überleben, Monate in einem Elendslager auf einer griechischen Insel überstehen, vor einem Brand fliehen, danach in Obdachlosigkeit leben und am Ende wird man schon belohnt. Ich frage mich ganz ehrlich: Glauben Sie das wirklich? Ist das Ihr Ernst?

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ein anderer Punkt: Ihr Kampfbegriff der Anreizpolitik entpuppt sich schnell als das, was Kampfbegriffe für gewöhnlich sind: Sie sind inhaltsleer. So etwas wie ein migrationsverstärkender Pulleffekt existiert laut empirischer Forschung schlichtweg nicht. Die Wirklichkeit schaut nämlich anders aus als in Ihrer Filterblase. Wie Dr. Franck Düvell vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung bereits im vergangenen Jahr feststellte:

 

(Unruhe AfD)

 

Der Hauptgrund für Migration ist die Lage in den Heimatländern. Zusammengefasst möchte ich Ihnen sagen: Schämen Sie sich!

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen sagen, was wir, was Rot-Rot-Grün, gemeinsam mit der Landesregierung macht: Wir übernehmen nämlich Verantwortung.

 

(Unruhe AfD)

 

Wir wollen und werden Menschen aus unerträglichen Situationen retten, wir wollen ihnen eine Perspektive geben, wir wollen ihnen ein Leben in Würde geben.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Nicht erst seit den neuesten bekanntgewordenen Aussagen eines Mitarbeiters Ihrer Bundestagsfraktion sollte sogar dem Letzten klar sein, dass Sie keinerlei Interesse an einem würdigen Leben für alle Menschen auf dieser Welt haben.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Aber wissen Sie was, Sie können ganz beruhigt bleiben: Sie sind und werden nie der Maßstab für menschenwürdige Politik sein in diesem Land.

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das werden wir sehen!)

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Lassen Sie mich festhalten, dass wir es heutzutage mit einer Gesellschaftsordnung zu tun haben, in der es ein Bekenntnis zur Chancengleichheit nur für Menschen innerhalb der Staaten gibt und das auch nur in einem gewissen Maße, aber es keinen staatenübergreifenden Anspruch auf Chancengleichheit, ja noch nicht einmal entsprechende Bestrebungen gibt, die auf EU- oder gar globalpolitischer Ebene nennenswert wären. Unsere Chancen – man muss es leider so hart sagen – sind jenem Menschen, die aus anderen Staaten zu uns kommen und obendrein vor Krieg, Verfolgung und Menschenrechtsverletzung fliehen, einfach verschlossen. In diesem Sinne müssen wir uns klarmachen, dass die moderne Welt den Feudalismus scheinbar noch nicht gänzlich überwunden hat. Denn noch immer bestimmen die sozialen Umstände der Geburt weitgehend über die Chancen des einzelnen Menschen. Beschränkungen der Freizügigkeit dienen dabei auch dem Aufrechterhalten eben dieser Strukturen. Sie helfen dabei, Chancen von Menschen mit Talenten und Motivation, aber den – in Anführungszeichen – falschen sozialen Geburtsumständen zu begrenzen. Wir als Linke wollen das ändern. Chancenungleichheit, egal welchen Maßstabs, ist nicht zu rechtfertigen, Einwanderungsbeschränkungen, die Chancenungleichheit notwendigerweise nach sich zieht, folglich auch nicht.

 

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an dieser Stelle all jenen danken, die gegen dieses europäische Grenzregime auf die Straße gehen,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

denen danken, die noch einmal betonen, wie wichtig eine Landesaufnahmeanordnung ist, um den eigenen Ansprüchen als Mensch und den Ansprüchen an diese Europäische Union gerecht zu werden.

 

Wir werden weiter dafür kämpfen, dass wir gemeinsam mit so vielen am Ende Menschenleben retten dürfen. Wir werden dafür sorgen, dass ankommende Menschen in Thüringen ein Zuhause finden und in Würde und Frieden leben können. Und wenn das am Ende bedeuten soll, dass wir auf unsere Landesaufnahmeanordnung klagen müssen – mir persönlich wäre es das wert. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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