Lebensmittelherstellung nicht durch Biokraftstoffproduktion gefährden

Dr. Marit Wagler
RedenMarit Wagler

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/5369

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Zuschauer, Biokraftstoffe spielen eine wichtige Rolle, um die Klimaschutzvorgaben einzuhalten und CO2 nennenswert einzusparen. Sie sind bisher die einzige in größerem Maße wirksame Option zur Minderung von Treibhausgasemissionen beim Individualverkehr. 4,2 Millionen Tonnen Biokraftstoffe werden pro Jahr in Deutschland in den Verkehr gebracht. Die Beimischungen von Biodiesel und Bioethanol führen damit zu einer CO2-Reduktion von circa 12,8 Millionen Tonnen im Verkehrssektor. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts ist die Quotenerfüllung zur Reduktion der Treibhausgase im Verkehr im Jahr 2021 mit über 90 Prozent zum überwiegenden Teil überhaupt erst durch Biokraftstoffe gedeckt worden. Die Erzeugung von Biokraftstoffen einschließlich des Anbaus der Rohstoffe ist auch schon längst an Nachhaltigkeitsstandards gebunden. Die Verwendung des Biodiesels erfolgt gegenwärtig überwiegend in Form der Beimischung zu fossilem Diesel in den Erdölraffinerien.

 

In Thüringen ist eine Verarbeitungskapazität von 200.000 Tonnen für die Verarbeitung der Rapssaat zu Rapsöl und Rapsdiesel etabliert. Die bei der Herstellung anfallenden Nebenprodukte wie Rapskuchen und Rapsextraktionsschrot sind überdies eine wertvolle Proteinquelle und Tiernahrung und damit auch besonders geeignet, gerade Sojaimporte aus dem Ausland zu vermeiden. In Zeitz, in der unmittelbaren Nähe zu Thüringen, befindet sich die größte Anlage, die Getreide und Zuckerrüben zu Bioethanol für den Kraftstoff verarbeitet. Auch hier fällt ein eiweißreiches Nebenprodukt, nämlich die Schlempe, an, die ebenfalls zur Tierernährung dienen kann. Und in der Biomethanproduktion können mehrjährige Energiepflanzen, wie Energieampfer oder zum Beispiel Durchwachsene Silphie und noch viele andere, einen wertvollen Beitrag zur Erhöhung der Biodiversität in der Agrarlandschaft leisten. Ihre ganzjährige Bodenbedeckung ermöglicht einen Erosionsschutz, auch im Winter. Hinzu kommen weitere ökologische Wirkungen, zum Beispiel als Bienenweide, zum Humusaufbau, als Lebensraum für Tiere. Ihr Anbau gestaltet sich außerdem nach der Etablierung auch kostensparend und ressourceneffizient.

 

Die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten wird in Ihrem Antrag ebenfalls angesprochen, die Exporte von Lebensmitteln ignorieren Sie aber geflissentlich. Deutschland ist beides, ein großer Importeur von Agrarrohstoffen und ein großer Exporteur von veredelten landwirtschaftlichen Produkten. Das dabei Erschreckende ist, dass bei den Landwirten an sich erschreckend wenig von der Wertschöpfung hängenbleibt, und das verdanken wir dem Mercosur-Handelsabkommen, das den europäischen Markt für billige Agrarimporte geöffnet hat, um zum Beispiel Autos in alle Welt verkaufen zu können. Den Zuckerrübenanbau, auch hier in Thüringen, hat man damit fast geopfert. Gerade in Thüringen ist aber der Anbau von Zuckerrüben und Raps besonders wichtig, da wir in großen Teilen sonst nur Getreide anbauen würden, und das hat mit vielfältigen Fruchtfolgen und Agrarbiodiversität gar nichts zu tun.

 

Die Möglichkeit, nachwachsende Rohstoffe für Biomasse und Bioenergienutzung anzubauen, bietet für die Landwirte überdies auch eine dringend notwendige Stabilisierung ihrer Einkommenssituation. Die von Ihnen beschriebene Inflation bei Lebensmitteln hat andere Gründe. Vor allen Dingen die höheren Energiepreise sorgen für höhere Kosten bei der Herstellung von Dünger, höhere Transportkosten, höhere Kosten bei der Bestellung der Felder und der Verarbeitung von Lebensmitteln. Durch den Krieg in der Ukraine ist der weltweite Getreidefutter-, Mais- und Sonnenblumenölmarkt stark beeinträchtigt, was die Preise auch über Getreide, Mais und Sonnenblumenöl hinaus in die Höhe treibt bzw. Volatilitäten erzeugt. Der Anbau von Bioenergiepflanzen und die energetische Nutzung von ohnehin anfallenden Reststoffen sind hier nicht die Treiber. Die für die nachwachsenden Rohstoffe in Anspruch genommene Fläche ist überdies seit vielen Jahren schon stabil. Sie machen eine Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelherstellung hauptsächlich bei den Biokraftstoffen fest, das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Flächenkonkurrenz entsteht hauptsächlich durch nicht landwirtschaftliche Nutzungsformen und durch stetig steigende Boden- und Pachtpreise, die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr rentabel werden lassen.

 

Das ist hier für Thüringen auch in den Antworten zu unserer Großen Anfrage „Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche durch konkurrierende Flächennutzung in Thüringen“ zu entnehmen. Außerdem sorgt auch die Flächenversiegelung dafür, dass die endliche Ressource Boden jedes Jahr ein bisschen kleiner wird. Die Maßgabe „Teller vor Tank“ ist grundsätzlich richtig und die energetische Nutzung sollte natürlich am Ende jeder Nutzungskaskade stehen. Der Idealfall ist die energetische Nutzung von Rest- und Abfallstoffen. Aber diese Art der Kaskadennutzung wurde auch schon längst in einem Beschluss der Umweltministerkonferenz im Mai des letzten Jahres festgelegt.

Deshalb, meine Damen und Herren von der AfD, geht Ihr Antrag an der Sachlage generell vorbei und hilft weder den Landwirten noch geht er den eigentlichen Ursachen der Preissteigerung im Lebensmittelbereich und dem Verlust von landwirtschaftlicher Fläche für die Lebensmittelherstellung auf den Grund. Deshalb lehnt die Koalition ihn ab.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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