Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 3 des Thüringer Klimagesetzes / hier: Beratung und Stellungnahme durch den Landtag

Tilo Kummer

Zum Antrag der Landesregierung - Drucksache 6/7266

 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei Teilen der Debatte hatte ich den Eindruck, dass die Erkenntnisse von den Grenzen des Wachstums, die ja zum Glück schon vor über 30 Jahren aufgekommen sind, bei dem einen oder anderen noch nicht wirklich verinnerlicht wurden. Wir stehen aktuell in einer Situation, wo deutlich wird, dass es so nicht weitergeht, und unterhalten uns über Kosmetik. Lieber Mike Mohring, das, was eben hier vorgetragen wurde zu der Frage des Ermöglichens und des nicht Verbietens und was wir alles machen können, um die Menschen mitzunehmen, das alles ändert doch nichts daran, dass jeder heute produzierte Diesel dafür ausgelegt ist, die nächsten 10 Jahre so weiter zu emittieren wie bisher, dass jede heute produzierte Heizungsanlage auf Gas- oder Ölbasis dafür ausgelegt ist, 20 Jahre so weiter zu produzieren wie bisher,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

und dass wir diese Emissionen, die diese Anlagen in ihrem Lebenslauf mit sich bringen werden, folgerichtigerweise, dass wir diese Emissionen eigentlich nicht mehr emittieren dürfen. Und wenn das die Logik ist, dann dürfte ich heute kein Heizkraftwerk auf Gasbasis, auf Erdgasbasis mehr errichten, denn das läuft über 25 Jahre. Wir müssen uns doch nur mal die Laufzeiten angucken. Wenn ich dort eingreifen will, dann ist es ein Eingriff ins Eigentum, dann ist es eine Verletzung der Menschen, die geglaubt haben, dass sie das Recht hatten, das jetzt noch zu errichten.

 

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ja!)

 

Deshalb müssen wir auch die Wahrheit sagen. Es macht uns gerade als etablierte Politik unglaubwürdig, wenn wir immer wieder den Eindruck erwecken, es könnte so weitergehen wie bisher, obwohl allen klar ist, dass es nicht so weitergeht. Wir haben in Thüringen schon mal einen Fehler gemacht. Wir haben gesehen, dass der Waldumbau notwendig ist vor dem Hintergrund dessen, was uns Wissenschaftler an Klimaprognosen gegeben haben. Da gab es ein Worst Case, da gab es eine bessere Variante. Das, was wir erlebt haben, war schlimmer als der Worst Case. Ein Waldumbau auf 500 Jahre, wie er angelegt war, hat sich eben als ein massiver Fehler erwiesen. Wir hätten ihn auf 20 Jahre anlegen müssen. Das lässt sich nicht wieder einholen. Wir können aber den gleichen Fehler jetzt nicht noch mal machen.

 

Ich bin ausgesprochen dankbar, dass der Nachhaltigkeitsbeirat des Thüringer Landtags, der erste eines Landesparlaments, jetzt in seiner abschließenden Runde in dieser Woche fraktionsübergreifend einstimmig gesagt hat: Wir müssen künftig an die Gesetzesfolgenabschätzung ran. Wir müssen sehen, dass jedes Gesetz, das in diesem Haus verabschiedet wird, im Vorfeld darauf geprüft wurde, ob die Inhalte mit den Nachhaltigkeitszielen des Freistaats übereinstimmen. Nachhaltiges Handeln heißt eben auch: Grenzen des Wachstums berücksichtigen. Nachhaltiges Handeln heißt, auf der einen Seite den Klimawandel zu berücksichtigen, das aber in den Kontext zu bringen mit den Notwendigkeiten einer sozialen und ökonomischen Entwicklung. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir diese Ziele fraktionsübergreifend in der nächsten Legislatur umsetzen und das in einem ganz anderen Maß, als es kosmetische Dinge mit sich bringen können. Ich muss ehrlich sagen, wenn ich das höre: Wir nehmen die Stromsteuer runter und machen eine CO2-Bepreisung, am Ende soll es den Menschen nicht mehr kosten. Wo soll denn dann die Lenkungswirkung sein?

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wenn ich sage: Ich mache eine Bepreisung beim Diesel und ich gebe es über die Pendlerpauschale wieder. Wo soll denn da die Lenkungswirkung sein? Wann soll denn da ein Effekt davon rauskommen?

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das wird keinen Effekt geben. Am Ende sind es die Rentner, die einen teureren Diesel haben beim Einkaufen, weil sie mit dem Bus nicht mehr in die Stadt kommen. Das sind die einzigen, die dann dieses System tragen sollen. Das kann doch nicht unser Ansatz sein. Wir müssen sehen – eigentlich wäre der beste Weg, wir würden endlich mal zu einer 30-Stunden-Woche kommen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dass wir sagen, wir reduzieren dadurch Produktion von Gütern, die eigentlich keiner mehr braucht, die uns in unserem täglichen Leben zu weiten Teilen belasten, die von ihrer eigenen Ressourceneffektivität eine Katastrophe sind, die nach Möglichkeit schnell kaputtgehen sollen, damit wir zu noch mehr Wirtschaftswachstum kommen. Das sind doch Dinge, über die wir mal reden müssen: Wie können wir den Menschen mehr Lebenswert geben? Indem wir ihnen mehr Zeit geben. In der Zeit wird nichts Unsinniges produziert.

Ich glaube, wir brauchen wesentlich gravierendere Entscheidungen, um uns in der aktuellen Situation voranzubringen. In der Hinsicht hoffe ich, dass die Debatte in der nächsten Legislatur weitergeht und dass das Thema übergreifend entsprechend ernst genommen wird. Ich hoffe, dass das dann auch wirklich ein Ansinnen von allen ist, die sich im nächsten Thüringer Landtag mit diesen Fragen beschäftigen. Danke.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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