Heute schon an morgen denken – Gründer im Nebenerwerb fördern

Lena Saniye Güngör
RedenLena Saniye Güngör

Zum Antrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/5561

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Zuschauende, vor uns liegt – ich muss leider sagen – mal wieder ein recht typischer Antrag der FDP-Gruppe.

 

(Beifall Gruppe der FDP)

 

Noch ist es nicht so gut. Warten Sie mit dem Applaus, es geht noch weiter!

Lieber Herr Kemmerich, Sie haben in dem Antrag mit ganz, ganz vielen Zahlen um sich geworfen. Ich glaube, die Hälfte haben Sie gar nicht richtig zugeordnet. Also, wir haben Zahlen aus dem KfW-Gründungsmonitor von 2022, wir haben vom Gründungs- und Unternehmensreport Thüringen von 2019 und ich glaube auch einige Behauptungen, um sich einem Problem von Gründungen im Nebenerwerb zu stellen, von dem ich infrage stellen würde, ob das überhaupt so existiert, wie Sie das hier beschreiben.

Der Reihe nach: Wir sollten uns natürlich die Frage stellen, welche Faktoren haben einen positiven Einfluss auf Gründungen, welche haben einen negativen Faktor auf Gründungstätigkeit, auch im Nebenerwerb, und wie sieht das in unserem Bundesland aus. Generell sind Gründungstätigkeiten in Ballungsräumen höher, sie sind durch kurze Wege sowie eine hohe Personen- und Unternehmensdichte gekennzeichnet. In diesen Sektoren ist die Selbstständigkeit als Erwerbsform stärker verbreitet und folglich dürfte die höhere Verdichtung der westdeutschen Flächenländer auch ein Grund dafür sein, dass sie im Gründerranking typischerweise auf die Stadtstaaten Berlin und Hamburg folgen, also weiter oben liegen. Individuell spielt aber auch die jeweilige Wirtschaftsstruktur der Bundesländer eine wichtige Rolle. So wird die Gründungstätigkeit in Hamburg und Berlin stark von der Medien- und von der IT-Branche mit ihrem hohen Anteil an freiberuflichen Gründerinnen gespeist, die wir in Thüringen beispielsweise in dieser Form einfach als Unternehmenskultur so nicht vorweisen können. Eine industrielle Prägung, so wie wir sie eher haben, geht daher eher mit einer geringeren Gründungstätigkeit einher, weil Großbetriebe, wenn sie attraktive Arbeitsbedingungen bieten, für potenzielle Gründerinnen interessant sind, die sich dann potenziell weniger für Gründungen entscheiden. Deswegen sind am Ende des Länderrankings regelmäßig ostdeutsche Flächenländer vertreten. Dort belastet eine im Durchschnitt geringere Kaufkraft ebenso die Gründungstätigkeit. In Thüringen sind wir mit Platz 13 mit 21.450 Euro Kaufkraft pro Kopf versehen und liegen damit auch unter dem deutschlandweiten Durchschnitt. Auch die ältere Bevölkerungsstruktur, mit der wir in Thüringen zu kämpfen haben, wirkt sich negativ auf die Gründungstätigkeit aus, das wissen wir bereits. Je älter ich in meinem Leben bin, desto eher sinkt meine Gründungsneigung. Wir haben einen Altersdurchschnitt von 47,6 Jahren und damit bundesweit hinter Sachsen-Anhalt die zweitälteste Bevölkerung. Das alles sind jetzt eben nicht die besten Voraussetzungen, nur von dem, wie wir allgemein wissen, wie Gründungen in Thüringen vollzogen werden.

 

Aber schaut man sich nun den KfW-Gründungsmonitor an, sieht es in Thüringen eben doch gar nicht so schlecht aus, wie Sie es hier darstellen. In den letzten Jahren 2018 bis 2020 konnte sich Thüringen immerhin von Platz 14 auf 11 verbessern. Das mag jetzt nicht so viel klingen, aber a) ist es eine Verbesserung und b) ist es eine Verbesserung in einem sehr kurzen Zeitraum. Bei der Anzahl an Gründungen je 10.000 Einwohnerinnen nach Bundesland liegt Thüringen bei 83 und damit im gesunden Mittelfeld der ostdeutschen Bundesländer. Dies dürfte auch an der sehr engagierten Arbeit des ThEx liegen, das sich mit seinen Veranstaltungen zu den ThEx Awards auch bundesweit einen Namen machen konnte und dem ich an dieser Stelle dafür danke.

 

Im Gründer- und Unternehmerreport wird zudem darauf verwiesen, dass die Gründungszahlen bundesweit im Voll- und Nebenerwerb gestiegen sind. Zudem heißt es mit Blick auf den Nebenerwerb – ich zitiere –: „Der florierende Arbeitsmarkt führt mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass viele Gründungsinteressierte ihre Idee zunächst im Nebenerwerb ‚testen‘, um zu einem späteren Zeitpunkt in den Vollerwerb zu wechseln. Diese Situation ermöglicht es, ohne finanzielle Einbußen eine Idee zur Marktreife zu bringen.“

 

Allerdings – und ich finde, es ist wichtig, das auch in dieser Debatte zu berücksichtigen – haben wir natürlich in der Coronapandemie eine ganz andere Krisenbelastung wahrnehmen müssen, wo man eben nicht mal so leicht was testet und nicht so leicht ohne finanzielle Einbußen, wie es im Zitat hieß, eine Idee zur Marktreife bringen kann. Die Vorteile einer Anstellung, Einkommenssicherheit, eventuell eben auch Kurzarbeiterinnengeld, werden viele Menschen für sich neu gewichtet und sich im Zweifel eben auch gegen eine Selbstständigkeit in der Pandemie entschieden haben.

Wir als Linksfraktion im Bundestag hatten dazu einen Antrag eingereicht, in dem es darum ging, dass Selbstständige auch in der Arbeitslosenversicherung angemessen berücksichtigt werden, dass das reformiert wird. Soweit ich weiß – Sie können mich da gern noch mal ergänzen –, hat die FDP im Bund dem gar nicht zugestimmt, als es wirklich darum ging, eine Grundsicherung, eine existenzielle Sicherung für Selbstständige auch in der Pandemie zu schaffen. Denn aktuell sind laut Antwort der Bundesregierung auch auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke nur 2 Prozent aller Selbstständigen freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichert, es waren schon mal 7 Prozent. Die 2 Prozent sind also wirklich sehr klein. Die Zahl ist im Zeitraum von 2010 bis August 2020 gesunken. An diesem Zustand müssen wir doch irgendwas ändern, damit jeder und jede für sich eine existenzielle Grundlage hat, auf der heraus dann eben auch Gründungen im Neben- und im Vollerwerb möglich sind.

 

Aus Ihrem Antrag und aus der verwendeten Datengrundlage, liebe Gruppe der FDP, wird hingegen gar nicht deutlich, dass Gründerinnen in einem Nebenerwerb mehr gefördert werden müssten. In den Gründungsrichtlinien der Gründungsprämie, die man auch auf der Seite der TAB finden kann, lässt sich nachlesen, dass die Gründungsprämien den Lebensunterhalt in der Vordergründungsphase sichern und maximal sechs Monate nach erfolgter Gründung gewährt werden. Das heißt, Gründerinnen werden in dieser Gründungsphase auch bereits entlastet.

 

Auf Grundlage des Antrags kann man entsprechend nicht erkennen, warum Sie bei diesem Thema heute schon an morgen denken sollten. Ich würde Sie da wirklich sehr ermutigen, sich mit ein bisschen mehr Kreativität auch den Überschriften hier im Thüringer Landtag zu widmen, statt ständig das Gleiche einzureichen. Wir werden diesen Antrag heute ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE)

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