Handeln gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken

Aktuelle Stunde - Drucksache 5/1437 -


Werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerpräsidentin, auf den ersten Blick hat man ja das Gefühl, da Thüringen kein Atomkraftwerk hat, ginge es uns relativ wenig an. In Wirklichkeit ist es so, das wissen wir seit Tschernobyl, dass an keinen Grenzen atomarer Fallout sich beschränken würde.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber wir diskutieren heute nicht aus einem moralischen oder aus einem ängstlichen Impetus heraus, sondern wir diskutieren aus einer Sichtweise, bei der ich langsam das Problem habe, dass diese Bundesrepublik Deutschland in ihrer Investitionstätigkeit und in ihrer Verlässlichkeit sich immer weiter zum Klops macht, international deutlich macht, dass offenkundig Verträge, die in Deutschland abgeschlossen werden, nicht dauerhaft eingehalten werden. Pacta sunt servanda, Frau Ministerpräsidentin, scheint für Deutschland nicht zu gelten. Der Atomausstieg ist nach meinem Dafürhalten, sagen wir einmal, freundlich gesagt, kritikwürdig gewesen. Aber er ist vollzogen worden und die Stromkonzerne haben den Vertrag unterschrieben. Das war der Punkt, bei dem ein gesetzlicher Atomausstieg nicht beschlossen wurde, sondern es gab einen vertraglichen Atomausstieg und auf diesen Ausstieg, Frau Ministerpräsidentin, beziehen sich sämtliche Investitionsleistungen auch unserer Stadtwerke hier in Thüringen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt, alle, die im Vertrauen darauf, dass das, was der Staat macht, auf Verlässlichkeit in der Investitionstätigkeit im Verlauf von 20 oder 30 Jahren ausgerichtet ist, das wird hier mit einem Federstrich aus ideologischen Gründen und aus Gründen des Lobbyismus vom Tisch gewischt. Deswegen werbe ich auch darum, dass wir diese Debatte des Ausstiegs nicht wieder wiederholen mit all den Fragen, die an dem technologischen Angstthema Atom hängen. Sondern ich diskutiere aus dem Blinkwinkel Thüringens, das Land, dass bisher die meiste Energie einführen musste. Was immer ein strategischer Nachteil war, ist unser strategischer Vorteil, wenn wir dezentral, regional und regenerativ so viel Energie produzieren, wie wir selber verbrauchen. Dann wären wir ein Musterland in Deutschland und wir wären damit Treibriemen für eine neue technische innovative Revolution, die wir dringend brauchten und ein Leitbild für dieses Land, bei dem man stolz ist, in diesem Bundesland tätig zu sein. All diese Themen haben aber etwas damit zu tun, dass die Grundarchitektur des Atomausstiegs eingehalten wird, unabhängig davon ob meiner Fraktion der Ausstieg richtig erschienen ist oder nicht. Aber dass dieser Vertrag einfach am Sonntag aus dem Fenster geworfen wurde und dass dann die Menschen noch belogen werden, Frau Ministerpräsidentin, da kann doch auch ein Mitglied ihrer Partei nicht mehr schweigen und ruhig sein, dass man sagt, es wird eine Brennelementesteuer eingeführt und die darf dann der Stromkonzern noch von seinen Steuern abziehen. Ich habe noch nie gehört, dass ein Arbeitnehmer der arbeiten geht, seine Lohnsteuer von der Lohnsteuer wieder abziehen kann. Aber die Stromkonzerne können in Zukunft ihre Brennelementesteuer abziehen und wir schädigen direkt die Thüringer Kommunen, wir schädigen direkt die kommunale Familie und wir schaden direkt den Stadtwerken in Thüringen. Es ist also nicht so, als ob uns das Thema nicht in irgendeiner Form tangieren würde, sondern die gesamten Investitionsleistungen, die die Stadtwerke entwickelt haben, basieren darauf, dass wir den Ausstieg ernst meinen, dass wir den Umstieg ernst meinen und dass wir Technologien entwickeln und vorantreiben, bei denen es eben nicht nur um Windkraft geht. Das wäre ja schon ein wichtiges Element, wenn bei Umformtechnik in Erfurt die Voraussetzungen geschaffen werden. Frau Ministerpräsidentin, sie hatten mich ja mitgenommen auf ihrer Sommertour, da hat uns ja die Firmenleitung dokumentiert, man möchte bei Umformtechnik...


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie sind mitgelaufen, aber nicht mitgenommen.)


Sie hat mich mitgenommen. Den Herrn Mohring stört das, aber ich bin freundlichst eingeladen gewesen. Ich bin mitgenommen worden und es war mitreißend, wie uns der Vorstand erläutert hat, dass man in Zukunft in Thüringen, in Erfurt, Windkraftanlagen als industrielles Fertigungsprodukt produzieren wird und dass es eine Erwartungshaltung an die Landesregierung an Unterstützung gibt, dass diese Referenzobjekte auch in Thüringen aufgebaut werden können. Auch da gilt wieder pacta sunt servanda. Die haben eine Zusage in Limlingerode gehabt. Die hatten eine feste planbare Größe gehabt und anschließend wurde das Windvorranggebiet wieder abgeschafft und jetzt stehen die mit ihrem Vertrag da und können die Referenzobjekte nicht bauen.

Frau Ministerpräsidentin, es geht um Thüringer Arbeitsplätze. Es geht also nicht um irgendeine Architektur Schwarz-Gelb einer Katastrophenkoalition, einer Wespenkoalition in Berlin. Da muss man auch nicht denen beistehen und sagen, nein, die müssen jetzt auch mal eine schöne Performance haben, die dürfen jetzt auch mal Lobbyvertreter sein; nein, es geht um Thüringen und die Landesregierung hat ihren Schwur auf Thüringen geleistet. Die Thüringer Interessen sind massiv tangiert, wenn Verträge, die geschlossen worden sind, nichts mehr gelten. Das Verhalten kritisiere ich, als es um die Solarstromeinspeisevergütung ging, habe ich noch genau in Erinnerung, wie Herr Kurth von der FDP großmündig verkündet hat, was er alles tun wird, dass diese katastrophale Absenkung nicht stattfindet.


Präsidentin Diezel:


Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.


Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:


Gern. Aus dieser großmütigen Ankündigung, die viel Wind gemacht hat, kam hinterher nichts raus, sondern eine Absenkung, die doppelt so hoch war wie das, was angekündigt war. Wenn wir so mit den Interessen Thüringens umgehen, schaden Sie alle mit diesem ideologischen Gewäsch dem Freistaat Thüringen. Lassen Sie uns gemeinsam gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg kämpfen. Deswegen am 18. September - ich hoffe, Sie sind alle dabei - in Berlin gesellschaftlich deutlich zu machen, wir sagen Nein aus dem Ausstieg des Ausstiegs.


(Beifall DIE LINKE, SPD)

Dateien