Grundlegende Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ermöglichen, Staatsverträge kündigen, Rundfunkbeitrag abschaffen

André Blechschmidt
RedenAndré Blechschmidt

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/6697

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir reden heute wieder einmal über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, jenes Mediensystem, das nach dem Zweiten Weltkrieg als Antwort auf Gleichschaltung aller Medien, als Antwort auf Propaganda und politische Beeinflussung begründet wurde und welches seitdem den öffentlichen Auftrag hat, ein inhaltlich wie finanziell unabhängiges, vielfältiges Medienangebot zu schaffen, was auch höchstrichterlich durch das Bundesverfassungsgericht in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder bestätigt wurde.

 

Unabhängig vom Antrag sage ich aber in aller Deutlichkeit: Auch wenn wir gerade in der jüngsten Zeit einige Fortschritte zur Kenntnis nehmen konnten, gehen die Reformen innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht weit genug – zum Beispiel Programmauftrag oder Spitzengehälter –. Also es gibt nach wie vor beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk einiges zu tun. Dieser Reformprozess, der eingeläutet worden ist, ist noch nicht zu Ende und nach unserer Auffassung eben auch nicht gescheitert, so wie es im Antrag der AfD formuliert worden ist.

 

Meine Damen und Herren, ein öffentlich ausgewogenes Programm besteht aus Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung, denn das ist nicht nur eine zentrale Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern gleichsam auch wichtige Voraussetzung, um breite Teile der Bevölkerung zu erreichen und – wie von mir schon angesprochen – als öffentlich-rechtlicher Rundfunk die entsprechenden gesellschaftlichen Aufgaben zu übernehmen und auszufüllen.

 

Der Antragsteller hingegen zeigt mit seinen Vorschlägen immer wieder, was er von einem vielfältigen und unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit gut informierten Bürgerinnen und Bürgern hält: nicht so viel, um nicht zu sagen, gar nichts. Wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf ein Minimalprogramm von zensierter Information, Bildung und Kultur beschränken will – und nichts anderes sind die 10 Prozent volumenreduzierter Programmvorschläge der AfD –, der verkennt, welche Meinungs- und Zielgruppenrelevanz Unterhaltungsprogramme haben, denn auch darin werden aktuelle, relevante Zusammenhänge aus Gesellschaft, Geschichte und Politik integriert, aufbereitet und dem Publikum vermittelt. Dazu gehören auch Themen wie alternative Familien- und Lebensentwürfe, Migration oder Umweltschutz. Wie gesagt, wer das nicht will, will eine andere, vielleicht polnische oder ungarische Medienlandschaft. Dies wollen wir nicht.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wir dürfen hier auch nicht zulassen, meine Damen und Herren, dass Begriffe wie Ausgewogenheit und Vielfalt verunglimpft werden. Wenn man zum Beispiel eine Talkshow organisiert, bedeutet Vielfalt, einen öffentlichen Diskurs zu organisieren, der unterschiedliche Meinungen auf der Basis gesicherter Fakten repräsentiert, und nicht – wie aktuellen Beispielen und Vorgängen zu entnehmen ist –, vermeintliche Vielfalt zu schaffen, indem man jemanden einlädt, der Putins Vernichtungskrieg verharmlost, Fakten über den Ukrainekrieg verzerrt oder den Klimawandel leugnet.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Zwar muss auch Minderheiten- und Außenseitermeinungen Raum eingeräumt werden, dem Zuschauer darf aber kein mediales verzerrtes Gefühl falscher Mehrheiten in der Gesellschaft vermittelt werden.

 

(Zwischenruf Abg. Czuppon, AfD: Zuschauer sind nicht dumm …!)

 

Meine Damen und Herren, während die AfD hier auf der einen Seite eine vermeintliche Vielfalt fordert, um alle oder zumindest ihre Gruppen der Gesellschaft anzusprechen und abzubilden, fordert sie auf der anderen Seite, wie gesagt, ein Zusammenstreichen des Gesamtetats der Sender und Programme auf 10 Prozent. Wenn Sie sich, meine Damen und Herren, jetzt mal vorstellen, ich nehme mir eine Fernsehzeitung und bastle mir ein Programm aus 10 Prozent zusammen aus den, wie gesagt, dort vorhandenen Angeboten, werde ich sicher auch etwas Zufriedenstellendes finden. Aber wie viele von Ihnen würden wohl die gleiche Sendung aussuchen? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht Vielfalt auch im Programmangebot, Anzahl und Breite, ganz zu schweigen vom Internetauftritt. Stattdessen soll auch das Internetangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks komplett abgeschafft werden, dessen Ausbau in den letzten Jahren eine wichtige Forderung der demokratischen Parteien gewesen ist und auch bleibt. Gerade öffentlich-rechtliche Informationsangebote sollen zeitlich unbegrenzt, kostenlos und auf aktuellem Stand der Technik im Internet bereitgestellt werden. Denn auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich wandelnden Medienkonsumgewohnheiten anpassen und die Zuschauer dort abholen, wo sie sind, auch und gerade junge Menschen.

 

Meine Damen und Herren, ohne Zweifel gibt es wohl bei Programmen als auch bei Online-Angeboten noch zahlreiche Einspar- und Synergieeffekte, die durch die Sender aufzuspüren und umzusetzen sind. Ich glaube aber deutlich gemacht zu haben: Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen keinen derartigen finanziellen oder regulatorischen Beschränkungen unterliegen, die sie daran hindern, ihrem Auftrag gerecht zu werden. Denn in unserer Verantwortung liegt es, einen Rahmen vorzugeben, in dem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk frei entfalten kann und kein Korsett erhält, so wie es der Antrag der AfD vorsieht, in welchem er sich langsam und mit zunehmender Zeit zur Bedeutungslosigkeit erstickt. Wir müssen also besonders dann, wenn wir berechtigte Effizienz einfordern, gleichzeitig dafür sorgen, dass zum Beispiel Spitzengehälter von Intendanten und Führungspersonal beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem vernünftigen Verhältnis zu den Rechten und Möglichkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einschließlich der freien Mitarbeiterinnen bestehen und gezahlt werden kann.

 

Meine Damen und Herren, es ist bitter, dass erst in Anknüpfung der Skandale bei rbb und BR eine beschleunigte Debatte in der breiten Öffentlichkeit stattfindet. Jetzt gilt es, diese Entwicklung zu nutzen und zeitnah nachhaltige Reformen unter Mitwirkung der Aufsichtsgremien umzusetzen. Denn die sind existenzielle Grundlagen für den Erhalt und die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit eine wichtige Säule unserer Demokratie und Gesellschaft. Schließlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz aller berechtigten Kritik für die mediale Teilhabe und Grundversorgung der Gesellschaft in Deutschland notwendig.

 

In diesem Sinne ist es unsere Aufgabe, Sorge dafür zu tragen, dass Rundfunkfreiheit und Rundfunkautonomie der Anstalten bewahrt werden. Der von der AfD hier angeführte Antrag, der auf dem Parteiprogramm vom „Grundfunk“ basiert, ist das Gegenteil. Es wäre ehrlich, wenn die Partei einfach zugeben würde, dass sie die Vielfalt der Programme ablehnt und die freie Presse abschaffen will. Wir brauchen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Antrag ist deshalb entschieden abzulehnen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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