Für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht – Optionszwang abschaffen -, Einbürgerung schafft Integration

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/1402 -


Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, in diesen Wochen einen Antrag zu diskutieren, der in der Überschrift das Wort „Integration“ beinhaltet, verleitet und motiviert, sich über einen Landesausländerbeauftragten und über einen Bundesbankvorstand zu äußern. Beide vereint eine Abneigung gegen Muslime, die nicht begründbar ist und die in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden muss.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beide eint aber auch, dass ihre Funktionsbezeichnung nunmehr ein „ehemalig“ vorangestellt bekommt. Das ist ebenso gut wie längst überfällig. 
Aber man muss auch etwas inhaltlich sagen. Lassen Sie mich das in der notwendigen Kürze tun, denn ich halte nicht viel von denen, die Kritik an Thilo Sarrazin gleich wieder relativieren, wenn sie auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit verweisen, um ihre eigene Debatte um Assimilation und deutsche Leitkultur zu pflegen, meine Damen und Herren.


(Beifall DIE LINKE)


Diejenigen können für sich die Bildzeitung und insbesondere deren Ausgabe vom vergangenen Samstag als Sprachrohr reklamieren. Deswegen als erste Erwiderung: Das Recht auf Meinungsfreiheit endet genau an der Stelle, an der die Würde des Menschen verletzt wird. Herr Sarrazin hat diese Stelle überschritten. Erst hat er auf das Billigste versucht mit islamophoben Vorurteilen und Stereotypen Zuspruch zu ernten, zuletzt hat er sich mit seinem genetischen Erklärungsmodell als Vertreter eines biologistischen Rassismus gemacht, der nicht allzu weit von der NS-Rassenideologie entfernt ist, wie beispielsweise der „Spiegel“ mit Verweis auf Kritiker feststellen muss. An dieser Stelle verbietet sich jede weitere Kommentierung und es verbietet sich von selbst Sarrazins unglaubliche Äußerungen zum Ausgangspunkt für eine Integrationsdebatte zu machen.

Auch der Thüringer Landesausländerbeauftragte hatte den Rahmen für eine seriöse Integrationsdebatte bereits 1999 verlassen, als er nämlich die doppelte Staatsbürgerschaft charakterisierte als - ich zitiere: „sie würde dem irrationalen völkischen Fühlen von Zuwanderern“ Rechnung tragen. Und dass Eckehard Peters wenig von Integration hielt, machte er zwei Jahre später deutlich, als er vor dem Innenausschuss vom „Einfluss vormoderner Kulturen und unaufgeklärter Religionen und damit vor einem Verlust an Humanität“ schwadronierte. Vor diesem Hintergrund ist es sehr beruhigend, den vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diskutieren zu können ohne befürchten zu müssen, dass sich Herr Peters noch dazu äußert, wenigstens nicht in der Funktion innerhalb der Landesregierung.


Meine Damen und Herren, Einbürgerung schafft Integration, der Untertitel des Antrags macht auf einen entscheidenden Punkt aufmerksam. Wirkliche Integration in eine Gesellschaft hat eines zur notwendigen Voraussetzung, soziale und rechtliche Gleichstellung. Solange diese nicht gegeben ist, wird Integration nie gelingen, nicht die Integration von Jugendlichen, nicht die Integration von Migrantinnen, nicht die von Arbeitslosen und nicht die von Rentnerinnen beispielsweise. Auf der anderen Seite finden wir eine Gesellschaft vor, die geprägt ist von denjenigen, die sozial und rechtlich bessergestellt sind, und genau dieser Teil der Gesellschaft formuliert auch die Erwartungshaltung an die Integrationsleistungen Einzelner, die aufgrund der sozialen und rechtlichen Stellung einfach nicht erfüllbar sind.

An diesem irrsinnigen Kreislauf krankt die gegenwärtige Integrationsdebatte und er kann nur durchbrochen werden durch die bereits angesprochene rechtliche und soziale Gleichstellung von Menschen. Das würde einerseits zur Verbesserung der Integrationschancen führen, offenbart aber andererseits etwas, das in der ganzen Auseinandersetzung nur allzu gern unter den Tisch gekehrt wird, nämlich: Die Integration von Menschen verändert eine Gesellschaft stetig, denn sie bereichert das gesellschaftliche Leben genau um die Erfahrungen, um die Vorlieben, Lebensweisheiten, um die Ansichten und Verhaltensweisen, die uns Menschen in unserer Individualität unterscheiden und einzigartig machen.

Wer behauptet, es gäbe so etwas wie eine soziokulturelle deutsche Einheitssoße, dem sei ein einwöchiger Aufenthalt in Angermünde und gleich anschließend in Oberammergau empfohlen. Und reduzieren Sie es bitte nicht auf die Sprache. Sprache ist ein Werkzeug, kein unwichtiges, aber weder ist das Beherrschen der Deutschen Sprache Garant, noch das Nichtbeherrschen Ausschluss für tatsächliche Integration. Aber vielleicht ist das Erlernen der Deutschen Sprache in jedem Fall Folge echter erlebter Integrationsbereitschaft einer Gesellschaft.
Das gegenwärtige deutsche Staatsbürgerschaftsrecht ist trotz aller in den vergangenen Jahren durchgeführten Reformen eins, das im letzten Jahrhundert verharrt und das Integration eher behindert als befördert. Wie wollen Sie denn Jugendlichen erklären, die, obwohl hier geboren, ungleich behandelt werden? Kinder, die hier in der Bundesrepublik geboren werden, haben die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, ohne diese mit erreichen der Volljährigkeit wieder infrage zu stellen und


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


sie, die Jugendlichen, dann vor die Entscheidung zu stellen, die deutsche Staatsbürgerschaft nur zu behalten, wenn sie die ihrer Eltern aufgeben. Dieser Entscheidungszwang ist weder begründet, noch entspricht er der Lebensrealität der mit zwei Staatsbürgerschaften aufgewachsenen jungen Menschen. Und, meine Damen und Herren der CDU, die möglicherweise am Optionsmodell festhalten möchten, so problematisch können zwei Staatsbürgerschaften ja nicht sein. Immerhin kann man ja auch deutscher Ministerpräsident werden. Oder erklären Sie mir doch mal bitte, warum es bei Herrn David McAllister nicht hinderlich für seine Integration ist - davon sollte man ausgehen können -, Mehmet oder Fatima aber vor die Loyalitätsfrage gestellt werden, Loyalität entweder gegenüber dem deutschen Staat oder den Eltern. Aus unserer Sicht ist auf der Grundlage des Optionsmodells kein moderner Staat zu machen. Auch kein moderner Staat zu machen ist mit der im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht verankerten sozialen Selektion. Staatsangehörigkeit und damit verbundene rechtliche und politische Gleichberechtigung dürfen nicht an der Lebensunterhaltssicherung festgemacht werden. Man fragt sich, aus welcher Zeit eine solche Regelung eigentlich stammt, und wenn man es nicht besser wüsste, wäre man baff erstaunt, dass diese Vorschrift bis zuletzt immer wieder die Zustimmung der Mehrheit des Gesetzgebers gefunden hat, leider auch in der Zeit der SPD-Regierungsbeteiligung und leider auch in der Zeit, als die Bündnisgrünen gemeinsam mit der SPD regiert haben - sicher auch geschuldet einer anderen Bundesratsmehrheit.


Die Fraktion DIE LINKE unterstützt die Grundintention des vorliegenden Antrags, aber nicht aus einem staatlichen Selbstzweck heraus wegen einer zu geringen Einbürgerungsquote, auch nicht aus formalen Erwägungen bzw. nicht zur Vermeidung von unnützem bürokratischem Aufwand. Wir unterstützen den Antrag als ein Angebot an die Menschen, die hier leben, sie rechtlich und sozial gleich zu behandeln. Als Voraussetzung für eine wirklich gelingende Integration können Sie in zahlreichen Initiativen im Bundestag für ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht die Forderungen der Partei DIE LINKE nachlesen; die Einbürgerung nach fünfjährigem tatsächlichen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik beispielsweise oder die Forderung der Staatsangehörigkeit per Geburt in der Bundesrepublik oder die Ermöglichung der Mehrfachstaatsangehörigkeit, die Unabhängigkeit von Einbürgerungen vom Einkommen und eine radikale Senkung der Einbürgerungsgebühren. Die Umsetzung dieser Forderungen wäre einmal ein Beitrag, nicht nur für eine gelingende Integration zu sorgen, sondern auch ein Beitrag, um Rechtspopulisten und Demagogen in die Schranken zu weisen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien