Fünftes Gesetz zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Patrick Beier
RedenPatrick Beier

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/2286

 

Aber es kommt doch zum späten Abend noch mal Stimmung rein. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, zumindest die, die noch Lust haben, der Debatte zu lauschen! Herr Schard, ich frage mich manchmal wirklich, was eigentlich bei Ihnen in Ihrer Welt so los ist.

 

Wir bereiten der AfD den Weg. Was haben Sie denn vorhin, was hat Ihre Fraktion denn vorhin hier gemacht? Sie wählen diese Leute auch noch. Sie wählen diese Leute auch noch. Wenn hier jemand der Wegbereiter …

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist ihr gutes Recht!)

 

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Das war eine geheime Wahl!)

 

Ach, Herr Möller, ich habe überhaupt keinen Bock, mich mit Ihnen zu unterhalten.

 

(Unruhe CDU)

 

Sie sind hier der Wegbereiter, auch in diesem Parlament.

 

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Sie wählen ja nicht mal die eigenen Leute!)

 

Ja, alles klar.

 

Aber reden wir doch über Ihren super Gesetzentwurf, den Sie hier eingebracht haben. Denn der überwiegende Teil der Stellungnahmen – und de facto gab es tatsächlich einen Ausreißer –, die uns im Ausschuss im Zuge des Anhörungsverfahrens erreicht haben, kommen in der Sache zu dem Ergebnis, dass der Gesetzentwurf der CDU sowohl aus rechtlichen als auch aus ethischen Gründen abzulehnen sei.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Hört, hört!)

 

Ganz allgemein lässt sich aber eine deutliche Diskrepanz zwischen der Problemanalyse und Ihren Lösungsvorschlägen feststellen. Eine Auffassung, die auch in Stellungnahmen des Gemeinde- und Städtebunds Thüringen, der Gewerkschaft der Polizei, des Thüringischen Landkreistags, der Katholischen Kirche sehr deutlich wurde. Die Liste könnte jetzt noch echt länger werden, aber dafür reicht die Redezeit wahrscheinlich nicht aus. Nicht nur, dass sich die im Gesetzentwurf genannten Probleme mit den vorgeschlagenen Lösungen gar nicht bewältigen lassen, Sie präsentieren Lösungen für Probleme, die Sie gar nicht formuliert haben. In der Schule wäre dieser Gesetzentwurf ein Ungenügend gewesen – definitiv.

 

Kurz gesagt zu diesem Gesetzentwurf: Die CDU wollte hier mit diesem Entwurf die Verweildauer von Geflüchteten in der Erstaufnahmeeinrichtung verlängern, wenn sie ihre Identität nicht nachweisen können oder wollen. Somit wollten Sie Druck auf diese Menschen aufbauen. Interessant ist hierbei, dass die CDU vor Ort in Person des Oberbürgermeisters Knapp zumindest bis vor Kurzem diese Erstaufnahmeeinrichtung schließen wollte – Sie wollen die Verlängerung des Aufenthaltes. Aber letztlich hat selbst er eingesehen, dass dies offensichtlich überhaupt nicht der richtige Weg ist oder zumindest, dass sein Missbrauch einer Petition als, wie er es nennt, Hilferuf, gehörig vor den Baum geht.

 

Sehr geehrte Kolleginnen der CDU-Fraktion: Sie suggerieren mit Ihrem im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz abgelehnten Vorschlag, dass Geflüchtete im Wesentlichen darauf aus sind, sich durch Verschleiern ihrer Identität ein Vorteil zu verschaffen, und wollen dies

 

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Das hat niemand gesagt!)

 

mit einem längeren Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung bestrafen.

 

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bis zu 18 Monaten!)

 

18 Monate – anderthalb Jahre!

 

Die Anhörung hat uns gezeigt, dass Ihr Gesetzentwurf nicht nur handwerklich schlecht gemacht und wohl kaum umsetzbar ist, sondern aus rein logischen und ethischen Gründen abzulehnen ist.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wir diskutieren das Thema „Erstaufnahmeeinrichtung“ regelmäßig im Ausschuss und eigentlich dürften mittlerweile nahezu alle im Bilde sein, was getan werden muss, aber offensichtlich muss man es noch mal wiederholen. Statt einer nicht notwendigen Verlängerung des Aufenthalts auf dem Friedberg brauchen wir zügige Verfahren, deutlich bessere Lebens- und Wohnbedingungen und eine schnelle, unkomplizierte Verteilung auf die Kommunen.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ihr Gesetzentwurf hätte im Gegensatz dazu jedoch erhebliche negative Auswirkungen hinsichtlich des Erfolgs des Asylverfahrens und des Ankommens dieser Menschen hier in Thüringen. Neben beschränkten oder verzögerten Zugangsmöglichkeiten zu rechtlichen Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, zu Sprach- und Integrationskursangeboten sowie zu Fachärztinnen und therapeutischen Angeboten ist besonders auch noch mal hervorzuheben, dass sich weitreichende Folgen für Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren ergeben, da diese dann de facto auch von der Schulpflicht ausgeschlossen werden, die Schulpflicht verletzt werden würde. Sie bestrafen also Kinder, wenn ihre Eltern ihre Identität aus ganz faktischen Gründen nicht nachweisen können. Sie wollen Menschen auf dem Friedberg verwahren. Sie begeben sich damit in den krassen Widerspruch zu notwendigen Maßnahmen und wollen sich damit den kleinen Traum eines Ankerzentrums schaffen. Ein Konzept, welches nachweislich gescheitert ist.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Liebe Kolleginnen, ich würde es sehr begrüßen, wenn wir statt solcher Irrlichter wie diesem Gesetzentwurf tatsächlich im demokratischen Spektrum darüber reden würden, wie wir die Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung und drumherum nachhaltig für alle Menschen verbessern können. Vorschläge dazu, wie gesagt, liegen auf dem Tisch: kürzere Aufenthaltsdauer, Verteilung auf die Kommunen, angemessene medizinische und rechtliche Betreuung, vielleicht auch keine Security, die Schutzsuchende bedroht und beleidigt, und vor allem die Neuausrichtung der Verwaltungsstruktur im Bereich Asyl und Migration durch die zügige Bildung eines zuständigen Landesamts.

 

Wir sind in den Haushaltsverhandlungen, lieber Herr Schard, vielleicht auch der Kollege Malsch, Sie haben da ja die Chance nachhaltig einiges mit zu verbessern. Aber der hier abzulehnende Gesetzentwurf zeigt, die CDU hat offensichtlich kein wirkliches Interesse an einer Verbesserung in Suhl, und das schmerzt am Ende sehr. Vielmehr bestünde die Gefahr, dass die von Ihnen angestrebten Regelungen zur Verschlechterung vor Ort beitragen würden, da alle Strukturen in Suhl, sowohl in der Stadt als auch in der Erstaufnahmeeinrichtung, gar nicht für so einen langen Aufenthalt ausgelegt sind. Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst wird in Anbetracht der angespannten und von den Bewohnerinnen und Bewohnern zu Recht häufig kritisierten Lebens- und Wohnsituationen in der Erstaufnahmeeinrichtung die psychische Belastung deutlich ansteigen.

 

Liebe Kolleginnen, machen wir uns nichts vor: Die Erstaufnahmeeinrichtung ist ein Dauerthema. Wir haben dort viel zu tun und wir arbeiten auch alle daran. Niemand verschweigt, dass es Probleme gibt. Es gibt auch Dinge, die sich sukzessive verbessern. Dieser Gesetzentwurf der CDU-Fraktion ist jedoch auch angesichts der Ergebnisse der Anhörung abzulehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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