Existenzsichernde Kindergrundsicherung schnellstmöglich auf den Weg bringen – Sicherung von Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe von Kindern in Thüringen

Daniel Reinhardt

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 7/7517

 

Es ist schon traurig, dass wir im 21. Jahrhundert in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Welt, noch immer über Kinderarmut im eigenen Land debattieren müssen.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne, liebe Familien, die Aktuelle Stunde der Linksfraktion hier im Thüringer Landtag beschäftigt sich mit dem knackigen Thema „Existenzsichernde Kindergrundsicherung schnellstmöglich auf den Weg bringen – Sicherung von Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe von Kindern in Thüringen“. Es geht also um das Thema „Kindergrundsicherung“ und das, was die Bundesregierung da aktuell vorgestellt hat. Das, was sie da vorgestellt hat, ist in meinen Augen ein billiger Etikettenschwindel.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Aber, das sehe nicht nur ich so, sondern meiner Recherche nach sieht das mindestens kritisch auch noch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Und warum? Letztendlich werden alle Geldleistungen, die man aktuell schon in Deutschland für Kinder erhalten kann, wie zum Beispiel Kindergeld, Kinderfreibeträge, Geld für Bildung und Teilhabe am Leben, unter dem Begriff „Kindergrundsicherung“ zusammengefasst. Es geht also nur darum, wie viel Geld ich bekomme und wo ich es beantragen kann. Nichts, aber auch gar nichts daran verhindert Kinderarmut in Deutschland. Es gibt keinen Handlungsspielraum für unsere Kommunen, die gegen eine strukturelle Kinder- und Jugendarmut vorgehen könnten. Das ist im wesentlichen mein Kritikpunkt an den aktuellen Vorschlägen.

Der Vorschlag der Kindergrundsicherung soll erreichen, dass genügend Geld für Kinder da ist. Es ist immer die Frage: Wie viel Geld braucht man und wo ist es richtig angelegt? Als Beispiel: Ist ein Kind nicht mehr arm, wenn es jeden Tag genügend Schokolade zu essen hat? Oder wäre es wichtiger, dass jedes Kind ein gesundes und ausgewogenes warmes Mittagessen erhält? Ist es wichtig, dass jedes Kind genügend Bücher hat oder jedes Kind in einen Kindergarten gehen kann, in eine Schule? Oder aber brauchen die Familien selbst das Geld, weil sie selber genau wissen, wofür sie das Geld für ihre Kinder einsetzen wollen? Ein paar aktuelle Daten aus einer Bertelsmann-Studie von Antje Funcke und Sarah Menne zum Thema „Kinder- und Jugendarmut“ verdeutlicht das Problem. In Deutschland galten im Jahr 2021 2,88 Millionen Kinder unter 18 Jahren sowie 1,55 Millionen junge Erwachsene als armutsgefährdet. Das heißt, mehr als jedes fünfte Kind leidet unter Armut. In Thüringen sind es in etwa 23,7 Prozent der Kinder, die betroffen sind. Auch noch mal in Zahlen: 76.770 Kinder, hinzu kommen noch die 42.853 jungen Erwachsenen. Wenn man als Indikator für Armut SGB-II-Transferleistungen nimmt und die Kinder, die das erhalten, ist die Stadt Gera – leider Gottes – mit Abstand die Stadt mit der meisten Kinderarmut hier im gesamten Freistaat. Die Quote liegt bei 22,3 Prozent, die Kinder mit SGB-II-Bezug haben. In keinem anderen Landkreis, in keiner anderen kreisfreien Stadt ist die Quote so hoch wie in Gera. Als Nächstes kommen Nordhausen mit 18 Prozent, dann das Altenburger Land mit 15 Prozent. Die restlichen Landkreise und kreisfreien Städte sind bei 11 und 10 Prozent und weiter unten.

 

Mit der vorgestellten Kindergrundsicherung wird sich die Kinderarmut beispielsweise in Gera überhaupt nicht verändern – nichts – und auch kein anderes Kind in Deutschland wird davon irgendwie weniger betroffen sein. Es besteht also seit Jahren und heute mehr denn je Druck, an den Lebensverhältnissen unserer Kinder und Jugendlichen etwas zu verändern. Da ist es doch schon bitter, wenn die Bundespolitik vor einem Jahr noch im Rahmen der sogenannten Zeitenwende gewissermaßen über Nacht 100 Milliarden Euro an der Schuldenbremse vorbei für die Aufrüstung der Bundeswehr frei macht, sich aber eben keine Gedanken für unsere Kinder macht, wie diese strukturellen Nachteile verhindert werden können.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Anders und platt ausgedrückt: Die Bundesregierung von Deutschland kauft lieber Panzer, als jedem Kind ein gesundes Mittagessen zu spendieren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir als Linke streiten dennoch seit Jahren mit vielen gesellschaftlichen Akteuren für eine Kindergrundsicherung und haben natürlich auch ein eigenes Konzept, was auf vier Säulen beruht. Wen es mehr interessiert, geht gern auf unsere Homepage, aufgrund der Zeit kann ich es nur paraphrasieren. Erste Säule: Jedes Kind bekommt über 300 Euro, das ist sozusagen das Kindergeld, und zwar jedes Kind. Die zweite Säule: Es gibt noch weitere Zuschläge. Die dritte Säule ist: Es gibt Zuschläge für Wohnung und Heizung. Und die vierte Säule soll besondere Lebenslagen der Kinder im Alltag berücksichtigen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Unser Konzept orientiert sich hierbei an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und ihren individuellen Bedarfen, aber eigentlich bräuchte es einen gesellschaftlichen Umbruch. Konzerne müssten gerechter entsprechend besteuert werden und strukturell durch den Staat mehr Geld in Bildung investiert werden.

 

Zum Abschluss noch ein paar persönliche Worte: Für mich ist jedes Kind wichtig, und ich unterscheide nicht, woher kommt das Kind, ich entscheide nicht, welches Einkommen haben die Eltern, und ich unterscheide bei den Kindern nicht, was wollen sie später mal werden. Jedes Kind ist wichtig und daher sollten wir unsere Politik auch vom Kind aus denken und jedem Kind eine Chance geben, die Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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