Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes 1/2

André Blechschmidt
RedenAndré Blechschmidt

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/5569

 

Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, ergänzend zur Einbringung aus Sicht der Linkenfraktion noch folgende Anmerkungen zum Gesetzentwurf, die Besetzung bzw. Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission.

 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Linkenfraktion die Strukturen und Arbeit von Geheimdiensten, also auch des Verfassungsschutzes in Thüringen, sehr kritisch bewertet, auch mit Blick auf die praktischen Erfahrungen in Sachen demokratischer Kontrollbarkeit. So können sich kritische Zuschauer und Zuhörer die Frage stellen: Wie kommt es, dass die Linkenfraktion einen so „provokanten“ Gesetzentwurf mit einreicht, der im Grunde genommen systemimmanent zur Sicherung entsprechender Strukturen beiträgt? Die Antwort ist: Auch wenn man versucht, die Mehrheit der Gesellschaft von alternativen gesellschaftspolitischen Lösungen für eine Thematik zu überzeugen, ist es sinnvoll, an Reformen vorhandener Strukturen und an Inhalten zu arbeiten. So halten wir auch eine gesellschaftlich nicht optimal wirksame Parlamentarische Kontrollkommission hinsichtlich der Arbeit des Verfassungsschutzes als Geheimdienst immer noch für besser als gar keine Kontrolle oder eine bloße – in Anführungszeichen – Notlösung, wie sie zurzeit in Thüringen besteht, um Kontrollmechanismen zu schaffen, die unter gegebenen Bedingungen so gut wie möglich wirken können.

 

Derzeit stellt sich hier nach Einschätzung der Linkenfraktion eine doppelte Problematik dar. Zwar arbeitet noch eine gesetzliche Übergangslösung seit 2019 als Rumpfgremium, wie es der Kollege Walk eben ausdrücklich angesprochen hat, aus der vergangenen Wahlperiode heraus gewählt. Das hat aber, genau genommen, keine demokratische Legitimation. Der derzeitige Landtag hat eben dieses Gremium nicht gewählt. Und diese Übergangsregelung im Verfassungsschutzgesetz ist eigentlich nicht für eine Übergangsphase von bis zu einer halben Wahlperiode angedacht. Auch das hat Kollege Walk angesprochen.

 

Hinzu kommt: Dem Gremium gehörten derzeit Personen, und zwar – auch das ist angesprochen worden – zwei Abgeordnete aktueller Art, aber eben auch ehemalige Abgeordnete, also aus der letzten Legislaturperiode, an, die streng genommen diese parlamentarische Kontrolle gar nicht mehr ausüben können, nur dank der Übergangsregelung. Das neue Gremium konnte mangels vollzähliger Besetzung durch Wahlen noch nicht seine Arbeit aufnehmen. Hier kann man aber den Abgeordneten keinen Vorwurf machen, denn die Wahlentscheidung zur Besetzung der ParlKK ist wie alle Abstimmungen von den Abgeordneten nach ihrem Gewissen zu gestalten. Das ist Teil der Ausübung des freien Mandats.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Meine Damen und Herren, das stattgefundene Mediationsverfahren hat nach Ansicht der Linken aber durchaus einen Weg aufgezeigt, diese verfahrene Situation zu lösen. Es geht bei der parlamentarischen Kontrolle nicht nur der ParlKK, sondern auch der Untersuchungsausschüsse um das Wechsel- und Zusammenspiel von regierungstragenden Teilen und oppositionellen Teilen des Parlaments und dies in vielerlei Modifikationen. Deshalb knüpft der vorliegende rot-rot-grüne Gesetzentwurf bei der Besetzungsfrage an diese beiden funktionalen Teile des Parlaments jeweils als Gesamtstruktur an, und zwar gerade nicht auf der darin enthaltenen Teilstruktur Fraktionen oder Parlamentarischen Gruppen. Diese funktionale Teilung wird auch in Artikel 59 der Thüringer Verfassung deutlich, dem Oppositionsartikel.

 

Falls nun bestimmte Fraktionen hier im Landtag einwenden sollten, dieser neue rechtliche Ansatzpunkt dient nur dazu, bestimmte Fraktionen „abzuhängen“, dann muss man dem deutlich entgegenhalten: Selbst der Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2020 in der Eilentscheidung zum Stopp der Neustrukturierung der ParlKK nimmt auf Seite 14 im ersten Abschnitt Bezug auf die Oppositionsgarantie des eben von mir genannten Artikels 59.

 

Genau diese Chancengleichheit setzt der vorliegenden Gesetzentwurf der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen um, und zwar nach Ansicht der Linken sogar noch ein Stück gleichberechtigter und demokratischer als bisherige gesetzliche Regelungen. Die bisherige Regelung wurde im Sinne eines automatischen Zugriffsrechts bestimmter Fraktionen auf Sitze im Gremium unter Herbeiziehung einer bestimmten Berechnungsmethode verstanden und angewendet. Für kleinere Fraktionen war es schwierig bis hin fast unmöglich, in die ParlKK zu kommen. Die nun vorliegende neue Regelung des § 25 gewährleistet, dass alle Fraktionen und Gruppen bzw. deren Abgeordnete unter den gleichen Bedingungen grundsätzlich ein Zugangsrecht zur ParlKK als Gremium haben, entweder aufseiten der regierungstragenden Teile des Parlaments oder als Teil der parlamentarischen Opposition. Allerdings verlieren damit bestimmte Fraktionen das bisher faktisch bestehende automatische Zugriffsrecht auf einen Sitz im Gremium, doch gerade das ist eine Demokratisierung des Wahl- und Besetzungsverfahrens.

 

Die Zweidrittelmehrheit im Wahlverfahren erscheint als Hürde und ist mit Blick auf eine verantwortungsvolle Arbeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission als ein wirksamer Mechanismus fach- und personaltechnischer Qualitätssicherung, denn wie der Verfahrensgerichtshof im Entscheidungstenor des Beschlusses vom 14.10. und in dessen Begründung deutlich macht: Die Abgeordneten dürfen in ihrer freien Gewissensentscheidung und unter Herbeiziehung sachlicher Gründe für die Beurteilung der Geeignetheit der Kandidaten jeweilige Personen auch als ungeeignet für die Aufgabenerfüllung im Gremium ablehnen. In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass einer verantwortungsvollen Ausübung des freien Mandats und der freien Gewissensentscheidung immer auf der verantwortungsvollen Abwägung von Tatsachen und Sachargumenten beruht. Nach Ansicht der Linkenfraktion stellt der vorliegende Gesetzentwurf eine sinnvolle, ausgewogene Neuregelung zur Zusammensetzung der PKK zur Verfügung, die die verschiedenen Anforderungen des Demokratieprinzips wirksam zur Geltung bringt. Ich beantrage hiermit – wie der Kollege Walk – die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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