Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/329 - Zweite Beratung


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich werde es nicht in einer Zigarettenlänge schaffen.


(Beifall DIE LINKE)


Tabak rauchen schädigt die Gesundheit. Das bezweifelt heute niemand mehr ernsthaft. Wer passiv raucht oder rauchen muss, trägt somit - so wäre logisch zu schlussfolgern - ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Ebenso logisch erscheint es, dass ein Rauchverbot in häufig frequentierten Räumen, zum Beispiel Gaststätten, einen entsprechend positiven Effekt auf die Gesundheit der so geschützten nichtrauchenden Gäste und Mitarbeiter hätte. Obwohl keine andere Gesetzgebung weltweit ähnlich intensiv durch medizinische Studien untersucht und begleitet worden ist wie die zur Einschränkung des Rauchens, bestätigt keine Studie diese logische Kette im Bereich der Gaststätten. Der Mensch ist eben mehr als die Summe seiner Teile und der Körper hält sich nicht immer an logische Überlegungen. Für die Nichtraucher ergibt sich dennoch ein angenehmeres Umfeld in den Gaststätten, wo das Rauchen verbannt ist. Ich möchte das auch gar nicht kleinreden.


(Beifall DIE LINKE)


Natürlich ist es schöner, wenn einem die Augen nicht tränen, natürlich ist es angenehmer, wenn man nicht gleich heiser wird oder Hustenanfälle bekommt. Ich kenne das, ich bin selber auch Nichtraucher. Es ist aber so, dass wir eine Einschränkung der Freiheit der Raucher für das Wohlbefinden der Nichtraucher doch als sehr harten Eingriff in diese Freiheitsrechte einsehen müssen und da - denke ich - ist dieser harte Eingriff nicht unbedingt gerechtfertigt. Ebenso ist es bei den Mitarbeitern. Es gibt von den mehr als 1.000 angefertigten Studien eine einzige, die im Bereich der Mitarbeiterschaft einen positiven Effekt durch den Nichtraucherschutz sieht. Diese Studie hat eine sehr geringe Teilnehmerzahl und fragt in erster Linie weiche Kriterien ab, also Befinden und nicht erhebbare Messgrößen und ähnliches, so dass da die Wirksamkeit doch eingeschränkt ist. Vergessen wir nicht - bei den Gästen ist es zumindest so -, niemand ist gezwungen, in eine Raucherkneipe zu gehen. Kollege Eckardt hat das gesagt. Insofern muss man schon davon ausgehen, dass hier eine Abwägung zwischen Effekt - der ist für den Nichtraucherschutz relativ gering - und Einschränkung der Freiheit - der ist für Raucher und Gaststättenbetreiber relativ groß - stattfinden muss.


(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das sehen Sie so.)


Ja, das ist so. Ich muss sagen, wenn ein Gastwirt für diesen geringen Effekt, der da zu erreichen ist, also Wohlbefinden - nichts Messbares -, in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt wird, dann müssen wir darüber nachdenken und darüber reden. Im Sinne des Nichtraucherschutzes, das ist - glaube ich - die Intension, ist dieses Gesetz nicht wirksam genug, es ist abzulehnen.

Eine ganz andere Frage, zu der man kommen muss, wenn man ehrlich argumentieren möchte, ist die Wirkung auf die Raucher. Das ist das eigentliche Potenzial dieser Gesetzgebung, der Antirauchergesetzgebung, sie heißt in anderen Ländern auch ganz anders als bei uns. Die Wirkung auf die Raucher ist nicht zu unterschätzen. Die selben Studien, die eine entsprechende Wirkung auf Nichtraucher widerlegen, zeigen den dramatischen Effekt für Raucher, den Rückgang von Herzinfarkten bei über 65-Jährigen um 15 bis 30 Prozent, den Rückgang der chronischen Lungenerkrankungen um 40 bis 60 Prozent bei Rauchern. In diesem Zusammenhang muss man diese Gesetze auch bewerten.


(Beifall DIE LINKE)


Ich persönlich bin der Auffassung, dass der vormundschaftlich väterliche Staat, der seinen Landeskindern mit mehr oder weniger Druck vorschreibt, wie sie zu leben haben, was sie zu genießen und was sie tunlichst zu lassen haben, eigentlich ein Relikt vergangener Jahrhunderte sein sollte.


(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP)


Ich freue mich über den Applaus aus den Reihen der FDP. Vielleicht kommen wir mal zu der Gelegenheit, über weiche Drogen zu diskutieren. Dann hoffe ich, den Applaus genauso zu ernten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für alle die, die aber meinen, dass es Aufgabe des Staates wäre, den Bürger vor sich selber zu schützen, bleibt es dabei, dass man den Entwurf der Landesregierung und den Entwurf der GRÜNEN nach ihren Potenzialen einschätzen sollte. Der Gesetzentwurf der Regierung erfüllt die Maßgaben diverser Gerichtsurteile. So wird der Mindeststandard der Rechtsstaatlichkeit erfüllt; aber auch kein einziger Gedanke mehr. Als gäbe es nicht eine mehr als 10-jährige Erfahrung mit solchen Gesetzen, wird das Thüringer Gesetz in keinem einzigen Punkt den Studienergebnissen, den Erfahrungen anderer Länder und den daraus zu folgernden Schlüssen angepasst. An welcher Stelle spiegeln sich etwa die hervorragend untersuchten Wirkungen der Antirauchergesetze aus Irland, aus Schottland, aus Skandinavien, aus Italien wider? Darauf komme ich dann noch zurück. Von eigenen Thüringer Erkenntnissen ist überhaupt nichts zu merken. Ein positiver Effekt ist aus dem bestehenden Gesetz und der geringfügigen Anpassung an die Rechtsnorm des Verfassungsgerichts nicht zu erwarten. Dass in Thüringen der Anteil junger Frauen, die rauchen, steigt, nämlich um 17 Prozent - das muss man sich einmal vorstellen -, belegt die Unwirksamkeit dieses Gesetzes. Um diese Scheuklappenpolitik der Landesregierung zu kennzeichnen, möchte ich Bismarck zitieren: "Nur ein Idiot glaubt, aus eigenen Erfahrungen zu lernen. Ich ziehe es vor, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, um von vornherein eigene Fehler zu vermeiden." Ich fordere daher die Landesregierung ausdrücklich auf, die Erfahrungen anderer, die medizinischen Studien und Statistiken zur Kenntnis zu nehmen und danach zu handeln.


(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Ein Beispiel.)


Das führt mich zum Antrag der GRÜNEN. Er entspricht sicher nicht meiner Intention. Ich hatte das schon gesagt.


(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Das wundert mich.)


Ich muss aber anerkennen, dass er, würde er angenommen und umgesetzt, im Unterschied zur Regierungsvorlage nachweisbar zählbare Ergebnisse bringen könnte. Er hat das Potenzial, Menschen vom Rauchen abzubringen und sie direkt vor Gesundheitsschäden zu schützen. Die vergleichbaren Studien - ich hatte sie schon zitiert - legen das nahe, dass mit dem Antrag der GRÜNEN durchaus Effekte zu erzielen wären. Wenn die Landesregierung diese Studien zu Hilfe genommen hätte, hätte sie bemerkt, dass in diesen Ländern Rauchverbote mit flankierenden Maßnahmen wie Werbeeinschränkungen, Aussteigerprogramme, Verkaufsbeschränkungen begleitet wurden, die ein entsprechendes gesellschaftliches Klima geschaffen haben, die den Menschen den Tabakgenuss, ich will nicht sagen verleiden, die es aber leichter machen, sich selbst zu entwöhnen. Verbot auf der einen, Motivation und Angebotsreduktion auf der anderen Seite haben die Zahl jugendlicher Raucher in den erwähnten Ländern deutlich gesenkt - zum Vergleich: in Thüringen, ich rufe es noch einmal in Erinnerung, 17 Prozent Steigerung bei jungen Frauen. Unter der Wirkung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes ist nicht zu erwarten und auch mit den Änderungen ist nicht zu erwarten, dass wir in irgendeiner Weise einen positiven Effekt auf Raucher und Raucherentwöhnung erzielen, und deswegen muss ich sagen, ist dieses Gesetz zu kurz gegriffen. Wenn man das zusammenfasst, Nichtraucherschutz ist nicht nachweisbar, Raucherschutz findet nicht statt. Im Gegenteil, die Zahl der Raucher steigt - eine vernichtende Bilanz für das vorliegende Gesetz und eine vernichtende Bilanz für das, was man erwartet aus der Änderung. Es bleibt bilanzierend die Wahl zwischen der Einschränkung bürgerlicher Freiheiten zum Zweck, Nichtrauchern ein angenehmeres Umfeld zu schaffen, oder aber eine Einschränkung bürgerlicher Freiheit mit dem Ziel, die Gesundheit der Betroffenen nachhaltig zu verbessern und zu schützen. Je nach politischer Grundüberzeugung gibt es gute Gründe, beide Entwürfe abzulehnen. Es gibt aber genauso respektable und gute Gründe, den Entwürfen der GRÜNEN zuzustimmen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Einzige, was ich nicht erkennen kann, ist irgendein Grund, dem Regierungsentwurf zuzustimmen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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