Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes
Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/9864
Sehr geehrter Herr Präsident, das war die richtige Meldung, Kollege Schaft ist allerdings terminlich verhindert, deswegen werden ich an seiner Stelle seine Rede vortragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenige Sätze können viel verändern. Das trifft auf diesen Gesetzentwurf auf jeden Fall zu, denn wir wollen den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Fachhochschulen in Thüringen endlich den Weg zu einer eigenständigen Wahrnahme des Promotionsrechts öffnen. Das ist ein wichtiger Schritt für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Thüringen. Damit kommen wir weiter nach vorn. Wir werden Zukunfts- und Chancenland bleiben können. Die Promotion und damit die Verleihung der Doktorinnenwürde stellt für die wissenschaftliche Karriere an den Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie auch für die Tätigkeit in der freien Wirtschaft oder öffentlichen Verwaltung als Fach- und Führungskraft einen wichtigen Schritt dar. Dass wir nun auch an den Hochschulen für die Angewandten Wissenschaften und den Fachhochschulen dies möglich machen wollen, hat seinen Grund in der Entwicklung dieses Hochschultyps. Mit meinem – das meint jetzt also den hochschulpolitischen Kollegen von Christian Schaft –, mit meinem linken hochschulpolitischen Kollegen Tobias Schulze aus dem Abgeordnetenhaus in Berlin fasste ich es in der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Hochschullehrerinnenverbandes wie folgt zusammen mit den Worten: „Entfesselt die Fachhochschulen!“ Denn ja, Universitäten, Fachhochschulen und auch duale Hochschulen nehmen unterschiedliche Rollen und Funktionen in Lehre und Forschung war, allerdings nicht auf Augenhöhe. Das soll sich jetzt ändern. Dabei können die Hochschultypen sich in ihrer Unterschiedlichkeit besser entfalten, wenn man die Gleichwertigkeit ihrer Arbeit im Sinne von Wissenschaft und Forschung ernst nimmt. Denn die Hochschulen für angewandte Wissenschaften oder Fachhochschulen können mehr, als sie aktuell dürfen. Und sie wollen das auch, wie die Frau Prof. Kristin Mitte zum Beispiel auf dem Symposium der Thüringer Fachhochschulen im Sommer 2022 deutlich machte. Sie unterstrich damals in ihrer Rede, dass auch die Fachhochschulen einen Faktor für Innovation sind, eben umso mehr, wenn auch an ihnen promoviert werden kann – und genau darum geht es – und dann die Promovierten den Weg in die Unternehmen finden und damit den Bereich von Forschung und Entwicklung gerade auch im kleinen und mittelständischen Bereich stärken können. Ohne ein Promotionsrecht drohen diese Fachkräfte mit ihrem wissenschaftlichen sowie fachlichen Knowhow einen Weg in andere Bundesländer einzuschlagen.
Nun könnte eingewendet werden: Wozu braucht es das eigenständige Promotionsrecht, wenn es doch das Thüringer Hochschulgesetz gibt mit der Möglichkeit der kooperativen Promotionen? Noch mal zur Erinnerung: 2018 hatten wir geregelt, dass Professoren einer Fachhochschule auch bei fehlender Habilitation von der Teilnahme kooperativer Promotionsvorhaben nicht ausgeschlossen werden dürfen. Zudem wurden die Möglichkeiten eingeräumt, dass Hochschullehrende einer Fachhochschule an einer Universität kooptiert werden können und damit im Verfahren gleichgestellt werden. Der gewünschte Effekt blieb allerdings aus, bei ähnlichen Regelungen in anderen Bundesländern übrigens auch. Nun, ich will es mal in Zahlen ausdrücken, denn die Antwort auf meine – meint Christians Schafts – Kleine Anfrage im Jahr 2022 zeigt das Problem deutlich auf. Wenn von 991 begonnenen Promotionen an den Thüringer Universitäten im Jahr 2021 nur 11 eine kooperative Promotion sind, kann uns das nicht zufriedenstellen, vor allem auch nicht
(Beifall DIE LINKE)
die Rückmeldung der Hochschullehrenden und Promovierenden, die im Verfahren schlechte Erfahrungen machten. So schilderte Prof. Dr. Wesselak von der Hochschule Nordhausen recht eindrücklich, dass man bei einer kooperativen Promotion oder auch im Verfahren der Kooptation als Bittsteller, als zusätzliche Belastung für die Universitäten wahrgenommen wurde, Probleme, die auch durch die Evaluation des Netzwerks für Kooperative Promotionen deutlich wurden.
Auch wenn die Evaluation wichtige Empfehlungen zur Verbesserung der Lage aufzeigte, so bleibt es aus unserer Sicht dabei: Eine grundlegende Änderung wird es nur mit der Übertragung des Promotionsrechts auf Hochschulen für angewandte Wissenschaften oder einzelne Teilbereiche geben. Es braucht daher ein bedarfsgerechtes, gesetzlich verankertes Modell zur Übertragung des Promotionsrechts auch an die Fachhochschulen. Und genau das liegt nun mit dem Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen vor. Das Ministerium soll die Möglichkeit erhalten, auf Antrag ein fachlich begrenztes Promotionsrecht für eine wissenschaftliche Einrichtung in Form eines Promotionszentrums zu verleihen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Qualitätssicherung, die durch eine entsprechende Evaluation erfolgen soll und bei erfolgreichem Abschluss dazu führt, dass die befristete Verleihung des Promotionsrechts entfällt. Auf die Frage der Qualitätssicherung verweisen wir deshalb besonders darauf, dass diese ja gern in Debatten zum Promotionsrecht herangeführt wurde, um dieses den Fachhochschulen zu verwehren. Doch dabei versteckte sich eigentlich eine Debatte bei den Universitäten, die um ihren Status bangten. Denn die Frage der Qualitätssicherung ist nach unserer Überzeugung eben keine des Hochschultypus. Universitäten und Fachhochschulen müssen sich gleichermaßen einem Qualitätsdiskurs stellen. Denn unabhängig vom Hochschultypus gilt es, die Qualifizierung von Promovierenden durch sinnvolle Maßnahmen zu begleiten. Dazu gehören klar geregelte Anforderungen und Vereinbarung zur Promotionsbetreuung und eine Ausgestaltung der Beschäftigungsbedingungen im Sinne guter Arbeit in der Wissenschaft.
(Beifall DIE LINKE)
Nun stehen wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf an einem wichtigen Punkt. Wir freuen uns, dass sich das Wissenschaftsministerium mit den Fachhochschulen in Thüringen im Ergebnis der Erarbeitung der Leitlinien zur Hochschulentwicklung an einen Tisch gesetzt hat, um für Thüringen ein passendes Modell für die Übertragung des Promotionsrechts zu entwickeln. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt sind den Weg bereits gegangen und haben gute Erfahrungen gemacht. Wir tragen damit einen Teil dazu bei, die Fachhochschulen zu entfesseln, denn sie sind durch die anwendungsnahe Forschung im Sozial- oder Gesundheitsbereich sowie der Mobilität, Energietechnik oder in den Ingenieurwissenschaften bewährte Kooperationspartnerinnen kleiner und mittelständischer Unternehmen in den Regionen. Als Wissensspeicher und Innovationsorte sind sie damit wichtiger infrastrukturpolitischer Anker, gerade auch in den neuen Bundesländern, und sie bieten Menschen einen Weg in die Wissenschaft, die nicht über den ersten Bildungsweg zur allgemeinen Hochschulreife gelangt sind. Damit stellen Fachhochschulen einen wichtigen Baustein zur sozialen Öffnung der akademischen Bildung dar. Diese Rolle wollen wir stärken und mit der Ermöglichung des Promotionsrechts wird zudem eine zunehmend auf die Fachhochschulen übertragene Aufgabe auch personell untersetzt: die Forschung. Das ist auch ein konkreter Beitrag zur Fachkräftegewinnung und -sicherung in Thüringen, denn wer die Möglichkeit hat, Promotionen anzubieten, ist attraktiv für junge Menschen in ihrer innovativen Schaffensphase.
Weitere Aufgaben werden dann noch vor uns liegen, um die Fachhochschulen weiter zu stärken, sei es der Aufbau eines entsprechenden Mittelbaus, die Überprüfung und Weiterentwicklung der Deputatsregelungen oder auch notwendige Anpassungen in der Forschungsförderung. Heute machen wir mit der Einbringung und Beratung dieses Gesetzesentwurfs den ersten wichtigen Schritt. Wir freuen uns daher auf die Beratung im Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft sowie hoffentlich eine schnelle, gemeinsame Umsetzung dieses Vorhabens bis zur Sommerpause. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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